"Dann überlassen die Klimokraten das Feld wieder den Politikern, die dann gegen 11/12 ein Abkommen herzaubern werden, um uns wieder mit Nebel zu umhüllen! Der nächste Klimagipfel kommt bestimmt …" schreibt Norbert Lantschner in Sachen Pariser Konferenz. Südtirol Online: Herr Lantschner, Sie sehen in Sachen Klimakonferenz schwarz noch bevor in den Hallen dort die Lichter ausgehen. Warum? Klimaexperte Norbert Lantschner: In Montreal 2005 war ich bei der Weltklimakonferenz dabei. Mit zwischen 11.000 und 12.000 Teilnehmern ist das ein riesen Zirkus, der halt alle Jahre irgendwo anders abgehalten wird.STOL: Warum so negativ?Lantschner: Schon im Titel steckt die Wahrheit. COP 21 steht für 21. Vertragsdatenkonferenz. Das heißt: Bereits 21 Mal ist es danebengegangen. Warum sollte es diesmal anders sein?Jedes Mal wird uns weißgemacht, wir stehen 5 Minuten vor 12. Da frage ich mich schon: Ist diese Uhr kaputt?STOL: Ist denn prinzipiell der Wunsch nach einem Stopp der Klimaerwärmung und die Beschäftigung mit dem Thema reine Augenauswischerei?Lantschner: Die wirtschaftlichen Interessen hinter dem Thema sind so gewaltig, dass ein ernsthaftes Eingreifen schlicht verhindert wird. Die Dreifaltigkeit aus Finanzwelt, Energiekonzernen und Medien ist in der Lage, jedes ernsthafte Programm versanden zu lassen, um die Dekarbonisierung (= die Umstellung der Wirtschaftsweise, speziell der Energiewirtschaft, in Richtung eines niedrigeren Umsatzes von Kohlenstoff) ja nicht voranzutreiben.STOL: Sie sprechen von der Dreifaltigkeit, die alle Bemühungen vernichtet. Wie genau ist das zu verstehen?Lantschner: Einmal haben wir die fossile Wirtschaft mit den multinationalen Giganten der Wirtschaft, die mit Kohle, Öl und Gas unbeschreibliche Gewinne erzielen. Dann deren Zusammenarbeit mit der Finanzwelt, denn es braucht gewaltige Investitionen, um die fossilen Energieträger aus der Erde zu holen. Diese Investitionen müssen sich natürlich rechnen. Und nicht zuletzt die Verquickung mit den ganz großen Medienpotentaten. Denn es sind zunehmend Querschüsse erfolgt, indem der Klimawandel in Zweifel gezogen worden ist – nach dem Motto: Gibt’s die Klimaerwärmung überhaupt? STOL: Es gibt immer wieder Wissenschaftler, die sagen, der Klimawandel ist eine Erfindung der Klimokraten: Eiszeiten hat es immer wieder gegeben und wir sind jetzt am Ende einer, es wird so und so wärmer und die Welt macht sich das selbst aus…Lantschner: Immer wieder werden solche Informationen wie zum Sonnenzyklus gestreut, um Unsicherheit in der Bevölkerung zu erzeugen. Dafür wurden in den letzten eineinhalb Jahrzehnten Milliarden Dollar investiert. Und das hat gewirkt. Einfachste Leute reden jetzt davon, dass es immer wieder Winter mit mehr und mit weniger Schnee gegeben hat. Und damit hat sich der Klimawandel für sie. Doch die Faktenlage lässt keinen Zweifel zu. STOL: Will heißen: Die Dinosaurier wurden durch klimatische Änderungen ausgerottet und jetzt ist eben der Mensch dran?Lantschner: Der Dinosaurier wurde ausgerottet, aber hatte keine Schuld daran. Der Mensch rottet sich aus, aber hat sehr wohl Schuld, denn das Problem ist Menschen-gemacht. Die Beschleunigung hat dramatisch zugenommen durch die massive Nutzung von Kohle, Öl und Gas. Der Mensch war imstande, die natürliche Zusammensetzung der Atmosphäre binnen kürzester Zeit zu verändern. Die Natur reagiert halt auf die massiven Eingriffe des Menschen – und das wird bestimmt alles andere als angenehm.STOL: Woran hakt es in Paris heuer ganz konkret?Lantschner: Man ist erfinderisch, um die Leute ständig bei Laune zu halten. Heuer war neu, dass freiwillige Pläne die Grundlage für Verhandlungen bilden. Doch die Wissenschaftler haben diese Pläne schon disqualifiziert, denn werden auch diese Senkverpflichtungen eingehalten, müssten wir uns auf eine Erwärmung von 2,7 bis 3 Grad Celsius einstellen. Damit schlittern wir in ein Temperatur-Niveau, das es noch nie gegeben hat, seit es den Menschen auf dem Planeten gibt. Was das für die Ökosysteme, die Ernährungskreisläufe bedeutet, lässt sich jetzt noch gar nicht absehen.STOL: Sie beanstanden also die Freiwilligkeit hinter den Zielen? Lantschner: Das ist fauler Zauber. Man kann doch nicht Pläne vorlegen, wo ein Land angibt, was es tun möchte, ohne Kontrollen, ohne Strafen. Amerika zählt nach wie vor zu den großen Emittenten, die keine verbindlichen Ziele wollen. Und China, der Hauptverschmutzer, will seine CO2-Emmissionsspitze 2030 erreicht haben. Erst dann soll es abwärts gehen.STOL: Können wir von aufstrebenden Mächten wie China etwas fordern, was die Industriestaaten bislang auch verabsäumt haben?Lantscher: Stimmt. Wir haben kein moralisches Recht denen etwas aufzuzwingen, was wir nicht getan haben und heute noch nicht tun. Wir müssen ihnen helfen, dass sie nicht in dieselbe Falle tappen. Europa, Japan und die USA haben eine Bringschuld. Die anderen Staaten fordern zu Recht eine finanzielle Unterstützung.STOL: Wie sieht Lantschners Lösung insgesamt aus?Lantschner: Man müsste den Mut haben, die Förderung von Kohle, Öl und Gas zu unterbinden und den Energiekonzernen klipp und klar zu sagen: Das, was ihr heute noch an Öl-, Kohle- und Gasvorkommen besitzt, dürft ihr nicht mehr verwenden.STOL: Wären wir mit alternativen Energien heute überhaupt imstande, das wettzumachen, was an fossilen Trägen wegfällt? Lantschner: Das ist die Gretchenfrage. Wir müssten die Kernbereiche der Gesellschaft – Wohnen, Mobilität, Lebensmittel – neu gestalten. Es ist machbar, aber nur dann, wenn man hergeht und die fossilen Energieströme verlangsamt, den Verbrauch reduziert und dann umsteigt. Allein wenn die Landwirtschaft auf Biosysteme zurückgreift, brächte das eine CO2-Verminderung von 23 bis 36 Prozent mit sich. Man kann heute schon Häuser mit Nullemissionen bauen. In Sachen Mobilität gibt es noch nicht die Lösung, aber es geht in die richtige Richtung.STOL: Wie realistisch ist denn dieser Plan wirklich?Lantschner: Es gibt international anerkannte Studien, die besagen, dass man in vier bis fünf Jahrzehnten in der Lage wäre, 80 bis 90 Prozent der fossilen Energien nicht mehr zu nutzen.STOL: Es wäre machbar: Woran liegt es dann, dass sich nichts bewegt? Lantschner: Es wäre ein Eingriff in das enorme Machtgefüge. Die globalen Energieplayer haben Macht und Reichtum und nutzen sie. Die Politik ist zu schwach, müsste aber zumindest so ehrlich sein, um den Menschen zu sagen, was Sache ist. Dabei geben sie schöngefärbte Reden von sich und halten eine Veranstaltung ab, die riesen Mengen an CO2 verursacht, um ein Abkommen zu schneidern, das ab 2020 greifen soll. Was tun wir bis 2020?Es ist jetzt Punkt 12 und in Paris sind sie nicht in der Lage, etwas zu fabrizieren, das halbwegs seriös klingt. Die Klimokraten raufen um jeden Beistrich bei den Texten, die im Grunde leeres Papier darstellen.STOL: Leeres Papier, leere Versprechen - bleibt die Frage: Wen interessiert Klimaschutz überhaupt? Lantschner: Der Erfolg der Klimakonferenz passiert nicht drinnen, sondern draußen auf der Straße. In der Bevölkerung ist eine große Sensibilität da. Jeder, der zur Brieftasche greift, kann etwas dafür tun.STOL: Aber ist der Otto-Normal-Erdenmensch interessiert daran, etwas fürs Klima zu tun – vor allem wenn ihn das Geld kostet?Lantschner: Jeder kann entscheiden: Will ich Teil des Problems oder Teil der Lösung sein? Wenn ich Lebensmittel einkaufe, kann ich Kirschen aus Chile am Weihnachtstisch haben oder regionale Produkte. Menschen kümmern sich darum, dass auf ihrem Dach eine Photovoltaikplatte ist. Sie dämmen ihre Häuser. Und ich kann mich fragen: Muss es die nächste Flugreise sein, oder kann ich anders auch einen schönen Urlaub haben? Das ist eine Bewegung, die immer stärker wird und in der Lage sein wird, die Dinge im großen Stil zu ändern. Die Frage bleibt: Reicht die Zeit dafür? Interview: Petra Kerschbaumer