Die Landesregierung hat die "Bestimmungen über die öffentliche Auftragsvergabe" schon durchgewunken, der Landtag debattiert gerade. Dabei geht es um einen Bereich, der uns alle angeht - in irgend einer Art und Weise. Nur versteht man als Laie Gesetzes-Deutsch und deren Auswirkungen oft erst dann, wenn es einen ganz konkret betrifft. Daher versucht STOL, ein bisschen Licht in den undurchsichtigen Dschungel des Vergabegesetzes zu bringen.Südtirol Online: Bei Begriffen wie dem „Öffentlichen Auftragswesen“ verstehen viele einfach nur „Bahnhof“. Was genau heißt öffentlicher Auftrag?Landtagsabgeordnete Maria Hochgruber-Kuenzer: Öffentliche Auftragsvergabe bedeutet: Das Land, die Gemeinde, Bezirksgemeinschaften Sanität ... (eine öffentliche Körperschaft) machen Ausschreibungen für Aufträge bei Dienstleistungen, wie z.B. Schneeräumung, Schulbeförderung oder Bauaufträge für Kindergärten, Krankenhäuser, Schulen oder Lieferaufträge für Lebensmittel, Papier oder Computer.Öffentlicher Auftrag heißt konkret die öffentliche Hand vergibt einen Auftrag für ... private Unternehmen.STOL: Von welchem Auftragsvolumen sprechen wir insgesamt?Hochgruber-Kuenzer: Bei Land-Gemeinde-Bezirksgemeinschaften-Sanitätsbetrieb sprechen wir von Ausschreibungen in Wert von insgesamt ungefähr 2 Milliarden Euro im Jahr.STOL: In welchen Bereiche/mit welchen Positionen gibt es denn Schwierigkeiten in Sachen Vergabe?Hochgruber-Kuenzer: In letzter Zeit hatten Gemeinde oft Schwierigkeiten, eine direkte Vergabe - das heißt ohne Ausschreibung - zu machen. Das neue Gesetz gibt hier mehr Sicherheit: Bis zu 40.000 braucht es keine Ausschreibung, von 40.000 Euro bis 100.000 Euro müssen mindesten fünf Angebote angefordert werden. Bei Aufträgen über 100.000 Euro müssen mindestens zehn Angebote eingefordert werden.STOL: Und darum muss jetzt unbedingt ein neues Gesetz her?Hochgruber-Kuenzer: Die Landesregierung hat 2009 beschlossen, ein neues Vergabegesetz für Südtirol zu beschließen - immer unter Berücksichtigung der europäischen Vorgabe. Denn: Die EU hat 2014 die neuen Richtlinien für die Ausschreibungen gesetzlich geregelt und jetzt hat Südtirol seine Zuständigkeit wahrgenommen, das alte Vergabegesetz überarbeitet bzw. neue Möglichkeiten eingeführt. Der Staat hat sein Vergabegesetz mit den neuen EU-Richtlinien noch nicht umgesetzt.STOL: Wenn es um alle Arten von Aufträgen geht - wer sind die an erster Stelle vom Gesetz Betroffenen?Hochgruber-Kuenzer: Vor allem Klein-und Mittelbetriebe und der ländliche Raum werden bürokratisch entlastet, weil es z.B. für einen Auftrag bis zu 40.000 Euro keine Ausschreibung mehr braucht. Dazu gehören vor allem Handwerker, Dorfgeschäfte, landwirtschaftliche Betriebe, kleine Genossenschaften ...STOL: Was für Änderungen ergeben sich durch das neue Gesetz grundsätzlich?Hochgruber-Kuenzer: Im Artikel 35, und das ist ganz neu, steht: Zur Erreichung der wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Ziele kann die Landesregierung Richtlinien für die Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien erlassen.Bei der Erteilung von Aufträgen zur Lieferung von Lebensmittel werden etwa die kurzen Transportwege und Transporte mit geringeren CO2-Emissionen berücksichtigt.STOL: Das Land muss die Aufträge also nicht mehr immer nur an den billigsten Anbieter vergeben?Hochgruber-Kuenzer: Genau. Abgesehen vom Preis werden jetzt auch andere Kriterien angewandt. Auch das Kriterium, dass Wirtschaftsteilnehmer, welche Lehrlinge beschäftigen, bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt zu berücksichtigen sind, kommt neu hinzu.STOL: Es gibt nun einen 60 Artikel starken Gesetzentwurf über die öffentliche Auftragsvergabe: Wie geht es damit weiter?Hochgruber-Kuenzer: Nach der Genehmigung wird das Gesetz veröffentlicht und tritt in Kraft. Ziel ist es, dass das Gesetz mit ersten Jänner 2016 in Kraft tritt. Der Staat hat dann 60 Tage Zeit, eine Beanstandung zu machen. Inzwischen ist das Gesetz aber in Kraft.Interview: Petra Kerschbaumer