Nachdem Landesrat Thomas Widmann auf der Pressekonferenz am vergangenen Dienstag gesagt hatte, dass man im Extremfall bis zu 100 Intensivpatienten in Südtirol betreuen könne, ging der Shitstorm los. Viele schenkten seinen Worten bzw. dieser Zahl wenig Glauben und zweifelten an der Wahrheit dieser Aussage. Einige von ihnen meldeten sich auch in verschiedenen Medien zu Wort und verlangten Transparenz. Dr. Kaufmann, Primar für Notfallmedizin, redet im Interview mit s+ nun Klartext, und sagt, was wirklich Sache ist. <BR /><BR /><BR />von Verena Stefenelli<BR /><BR /><BR /><b>STOL: Wie viele Intensivpatienten kann Südtirol nun wirklich versorgen? Stimmen die Zahlen, die Landesrat Thomas Widmann kürzlich genannt hat, und wie ist die Situation derzeit?</b><BR />Dr. Kaufmann: Momentan haben wir 40 Covid-Intensivpatienten und noch Mitte 20 „normale“ Intensivpatienten. Insgesamt sind es also derzeit in Südtirol deutlich über 60. Wir können das momentan noch ganz gut handhaben, allerdings haben wir die Teams bereits gestreckt und fahren in fast allen anderen Abteilungen auf Sparflamme.<BR /><BR /><b>STOL: Sie unterscheiden also bei den Kapazitäten nicht, ob Covid-Intensiv oder Normal-Intensiv?</b><BR /><BR />Dr. Kaufmann: Nein, im Endeffekt nicht. Auch wenn der Aufwand für das Personal in der Covid-Station etwas größer ist als in der sogenannten „sauberen“ Abteilung, aufgrund der nötigen Schutzausrüstung. Die Versorgung von Intensivpatienten – egal ob Covid oder normal- ist im Grunde von der Technik her die gleiche. Oft ist allerdings der Aufenthalt auf der normalen Intensivstation vergleichsweise kürzer, während auf der Covid-Intensivstation viele der Patienten mehrere Wochen behandelt werden. Grund dafür ist, dass Patienten im schweren Lungenversagen im Rahmen der Covid-Pneumonie sehr lange brauchen, um wieder gesund zu werden. <BR /><BR /><b>STOL: Und diese über 60 Patienten können problemlos versorgt werden?</b><BR />Dr. Kaufmann: Nein nicht problemlos, sondern der Aufwand dafür ist ein enormer. Aber wenn’s sein muss werden wir sogar bis zu knapp 80 Intensivpatienten mit gutem Standard versorgen können. Seit Beginn der Pandemie haben wir einen „dynamischen Bettenplan“ implementiert, das heißt aber nicht, dass wir einen Raum mit 100 Intensivbetten haben, sondern nur die Möglichkeit im Bedarfsfall bis zu 100 Betten auszubauen - was die Infrastruktur betrifft, wissend, dass dann Personal von den Anästhesie- und OP-Bereichen abgezogen und hier eingesetzt wird.<BR />Natürlich besteht auch hierzulande ein gewisser Mangel an Manpower, sprich Personal. Aber was in den letzten Jahren versäumt wurde, kann man nicht innerhalb weniger Monate richten. Dennoch, wir sind in Anbetracht der Ausgangslage relativ gut aufgestellt und auf diese große Leistung seit über einem Jahr der Ärzte und Pflegekräfte, sowie aller anderen Mitarbeitern, dürfen wir Südtiroler auch einmal stolz und vielleicht sogar dankbar sein. <BR /><BR /><b>STOL: Also sind 80 Intensiv-Patienten möglich, 100 auch?</b><BR />Dr. Kaufmann: Ein Ausbau auch bis zu 100 Betten ist prinzipiell möglich. Landesrat Widmann sprach ja bei der Anzahl 100 von einem Extremfall. Und genau so ist es. Es wäre dann eine Versorgung wie bei einem Großunfall. Sprich: Die Grundversorgung ist zwar gegeben, die Qualität muss dann aber sowohl auf Intensiv als auch auf Normalstationen stark reduziert werden. Und was ganz wichtig zu sagen ist: Dann sind diese – sagen wir 100 Patienten – zwar versorgt, der Rest der Bevölkerung bleibt dann aber auf der Strecke, bzw. erhält nur noch die allernotwendigste medizinische Versorgung. <BR /><b><BR />STOL: Was wurde im vergangenen Jahr dafür getan, damit Südtirol für die verschiedenen Wellen gerüstet ist?</b><BR />Dr. Kaufmann: Wir werden oft gerügt und sind für viele der Sündenbock. Was aber gerne übersehen wird: Südtirol hat in der Pandemie die Intensivbetten verdoppelt, in manchen Krankenhäusern sogar verdreifacht. Wir haben eine sehr gute Infrastruktur geschaffen und sind im Besitz modernster Geräte. Die neue Intensivstation in der neuen Klinik am Krankenhaus Bozen ist ein Glanzstück. Die Ressourcen wurden also massiv aufgestockt. Ohne diese Leistung könnten wir heute nicht im Ansatz über eine mögliche „Bespielung“ von 100 Intensivpatienten reden. Denn ohne das Equipment wäre dies ja alles gar nicht möglich.