Die Welt wird nie wieder so sein wie vor dem Ukraine-Krieg. An dieser Erkenntnis kann es wohl keinen Zweifel mehr geben. Aber wie die neue Weltordnung nach einem Kriegsende aussehen wird, weiß heute noch niemand so genau. In Politik und Wirtschaft sind die Veränderungen, die der Krieg mit sich bringt, deutlich spürbar – auch ganz konkret im Alltag.<BR /><BR />Die Welt sortiert sich neu: Die Vereinten Nationen sind in ihrer Haltung zum Krieg gespalten. In der UN-Vollversammlung hatten Anfang März 141 Staaten den Krieg verurteilt. 5 Länder lehnten eine entsprechende Resolution aber ab, 35 enthielten sich. Unter den Enthaltungen sind die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt, China und Indien. Außerdem Südafrika, das als wichtigstes Partnerland westlicher Staaten in Afrika gilt.<h3> Wichtiges Treffen im Herbst</h3>Mit Brasilien verzichtete auch das größte, bevölkerungsreichste und wirtschaftsstärkste Land Südamerikas auf eine Verurteilung des Krieges. Brasilien, China, Indien und Südafrika sind mit Russland in der Brics-Staatengruppe verbunden. Ihr steht die G7 wirtschaftsstarker Demokratien gegenüber, in der Deutschland derzeit den Vorsitz hat.<BR />Die Brics- und G7-Staaten sitzen in der G20 an einem Tisch. Wenn im November der nächste Gipfel in diesem Format in Indonesien stattfindet, wird man ein Gefühl dafür bekommen, wohin sich das globale Gefüge bewegt – in Richtung Blockbildung und Konfrontation oder doch auf den Weg der Kooperation.<BR /><BR />Putin hat eins geschafft, was er auf keinen Fall wollte: Er hat den Westen zusammengeschweißt – zumindest vorübergehend. Die Europäische Union war sich in der Verurteilung des Kriegs und bei der Sanktionierung Russlands zunächst so einig wie selten. Die Nato, die zwischenzeitlich vom französischen Präsident Emmanuel Macron schon für „hirntot“ erklärt worden war, lief nach Kriegsbeginn mit neuer Bestimmung wieder zu Hochform auf. Vom viel beschworenen Ende des Westens redet jetzt niemand mehr.<h3> Erste tiefe Risse</h3>Die Geschlossenheit hat aber schon wieder tiefe Risse bekommen. Die Türkei will den Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens nicht einfach so akzeptieren. Und in der EU-Diskussion über das Öl-Embargo gegen Russland stellte vor allem Ungarn sich quer. Der nächste Härtetest für die EU könnte schon im Juni anstehen, falls die Frage auf den Tisch kommt, ob die Ukraine Beitrittskandidat werden soll.<BR /><BR />Seinen am 24. Februar befohlenen Einmarsch in die Ukraine sieht Kremlchef Wladimir Putin auch als einen Krieg mit dem Westen zur Rettung der „russischen Welt“. Erreicht hat er das Gegenteil – die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine wendet sich ab vom großen Nachbarn. Aber auch russische Künstler und Sportler klagen im Ausland über Ausgrenzung und bisweilen über „Russophobie“. Athleten sind von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen.<h3> Strafmaßnahmen wirken</h3>Eine beispiellose Flut an Sanktionen des Westens bringt die russische Wirtschaft in Turbulenzen. 10.000 Sanktionen gebe es inzwischen, kein anderes Land der Welt sei so stark mit Strafmaßnahmen belegt wie Russland, heißt es in Moskau. Zu Hunderten nehmen westliche Unternehmen, darunter auch Siemens nach 170 Jahren, Abschied aus dem flächenmäßig größten Land der Erde.<BR /><BR />Der Westen sieht Russland auf der internationalen Bühne isoliert. Doch der Machtapparat in Moskau lächelt das weg. Der Westen sei nur ein Teil der Welt, heißt es. Die Rohstoffgroßmacht verweist nicht nur auf seinen wichtigen Nachbarn China, sondern etwa auch auf Indien als Verbündeten. Auch als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat sieht sich Russland auf der Weltbühne präsent.<h3> Auswirkungen auf die Energieversorgung</h3>Aus Russland kamen vor dem Krieg allein für Deutschland rund 35 Prozent der Rohölimporte, etwa 55 Prozent des deutschen Gasverbrauchs und etwa 50 Prozent des deutschen Steinkohleverbrauchs. Mittlerweile sind die Quoten deutlich gesunken.<BR /><BR />Die Kriegsfolgen auf den internationalen Märkten spürt praktisch jeder Verbraucher im Geldbeutel: Die Inflationsrate ist mit fast 8 Prozent so hoch wie seit der Ölkrise in den 70er Jahren nicht mehr. Nicht nur explodierende Energiepreise sind der Grund. Auch Lebensmittel werden teils sprunghaft teurer, unter anderem weil die „Kornkammer Ukraine“ mit ihren fruchtbaren Böden als wichtiger Lieferant von Getreide und Sonnenblumenöl ausfällt. Auch Preise für Futter- und Düngemittel sind in die Höhe geschossen.<BR /><BR />Noch viel schlimmer könnte es aber Menschen in ärmeren Teilen der Welt treffen. Nachdem Dürren und Versorgungsengpässe wegen der Corona-Pandemie bereits viele Nahrungsmittel knapp und teuer werden ließen, fürchten Experten wachsenden Hunger und warnen vor der größten humanitären Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.<BR />