Für Giuliano Mignini, den ehemaligen Staatsanwalt, der die Ermittlungen leitete, ist die Angelegenheit jedoch noch nicht vollständig abgeschlossen. <BR /><BR />Mignini berichtete im Interview mit der Tageszeitung La Stampa, dass in den letzten Monaten ein möglicher neuer Verdächtiger aufgetaucht sei, der bisher von den Ermittlern nicht berücksichtigt wurde und von einer als zuverlässig geltenden Quelle genannt worden war. Es handele sich um eine Person, die Italien wenige Tage nach der Tat verlassen habe. Mignini erklärte, er habe diese Hinweise an die Staatsanwaltschaft von Perugia weitergeleitet, die die Glaubwürdigkeit der Informationen überprüfe. „Hätte ich damals diese Hinweise gehabt, hätten die Ermittlungen eine andere Richtung eingeschlagen“, so Mignini. Viele Menschen hätten aus Angst jahrelang geschwiegen.<BR /><BR />Im Interview erinnerte Mignini auch an sein persönliches Verhältnis zu Amanda Knox. Er bezeichnete sie als die Angeklagte, die er am besten kannte, und gab zu, dass er sich nicht vollkommen sicher fühlte, als er die Verurteilung beantragen musste. Als Vater habe er sich vor einer gerade einmal 20-jährigen Frau in einer schwierigen Lage befunden. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1233792_image" /></div> <BR /><BR />Laut dem Staatsanwalt zeigte Knox Misstrauen gegenüber der Polizei, insbesondere gegenüber der Leiterin der Mordabteilung, mit der das Verhältnis angespannt gewesen sei, da diese „Amanda hasste“. Heute erscheine die ehemalige amerikanische Studentin „reifer und mitfühlender“, behalte aber einen „narzisstischen“ Zug. Raffaele Sollecito dagegen „könnte eine gewisse Eifersucht“ auf Amanda Knox' Bekanntheit verspüren.<BR /><BR />Mignini sprach anschließend auch über Aspekte des Prozesses. Seiner Ansicht nach spielten verschiedene zufällige Faktoren zugunsten von Knox und Sollecito eine Rolle. Die Wahl eines abgekürzten Verfahrens (rito abbreviato) für Rudy Guede habe „die Unvereinbarkeit des ersten Gerichts“ verursacht und die Bildung eines neuen, getrennten Gerichts erzwungen. Wäre dies nicht geschehen, „wäre die Verurteilung auch für Knox und Sollecito sicher gewesen“.<h3> „Knox wurde als leichtes Mädchen abgestempelt“</h3>Zur endgültigen Freisprechung der beiden Angeklagten sagte Mignini, es handele sich um „ein außergewöhnliches Urteil“ und verwies auf die Aufhebung ohne Zurückverweisung durch den Kassationshof - ein „seltenes Ereignis in der italienischen Rechtsprechung“. Seiner Ansicht nach sei die Anwesenheit von Knox und „fast sicher“ auch von Sollecito am Tatort nachgewiesen, auch wenn nie vollständig geklärt wurde, welche Rolle sie tatsächlich gespielt hätten. Guede handelte laut Mignini nicht allein.<BR /><BR />Mignini beschrieb zudem das Klima, das den Fall begleitete, geprägt von gegenseitigen Vorurteilen und starkem internationalem Druck. Die Italiener hätten die Amerikanerin als „leichtes Mädchen“ abgestempelt, die Engländer hätten Vorurteile gegenüber Italienern und Amerikanern, und die Amerikaner Vorurteile gegenüber Europäern gehabt. <BR /><BR />Der ehemalige Staatsanwalt berichtet, dass die amerikanische Presse ihn als „Inquisitor“ bezeichnete und dass er auch Drohbriefe erhielt, unter anderem von einem Richter aus dem US-Bundesstaat Washington. Außerdem habe das US-Außenministerium interveniert, und Donald Trump habe ihn öffentlich angegriffen.