<b>Dieser Film ist keine leichte Kino-Kost...</b><BR />Georg Lembergh: Ich habe mich bemüht, den Eindruck zu erwecken, als würde man den 4 Betroffenen im Kinosaal gegenübersitzen. Als hätte man sie gefragt: „Erzähl mir, was ist dir widerfahren?“. Man lernt die Frauen kennen, der sexuelle Missbrauch ist eine Episode ihres Lebens. Ich habe versucht den Fehler zu vermeiden, sie auf diese Episode zu reduzieren. Sie sind viel mehr als Missbrauchsbetroffene, sie sind komplexe Persönlichkeiten, die diese Erfahrungen gemacht haben. <BR /><BR /><embed id="dtext86-67281970_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Wer sind die 4 Protagonistinnen?</b><BR />Lembergh: Das sind unterschiedliche Frauen mit unterschiedlichen Erfahrungen. Sie stammen aus Nord- und Südtirol. Die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg wurde von einem Mannschaftskollegen im Alter von 16 Jahren vergewaltigt. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1093767_image" /></div> Manuela wurde jahrelang von einem Südtiroler Dekan missbraucht. Alexa hat Missbrauch als Kind in der Sommerfrische auf einem Bauernhof erfahren, Damaris einen Übergriff mit sexualisierter Gewalt erlebt. Sie haben unterschiedliche Strategien gefunden, damit es für sie vorwärtsgeht.<BR /><BR /><embed id="dtext86-67281974_quote" /><BR /><BR /><b>Kann es denn nach so einer Erfahrung vorwärtsgehen?</b><BR />Lembergh: Gott sei Dank geht es weiter. Den 4 Frauen geht es heute gut, sie stehen alle mitten im Leben. Das ist auch die Kernaussage des Films. Die Frauen wollen das Thema bekannt machen und halten dafür ihren Kopf hin. Vor ihrem Mut muss man den Hut ziehen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1093770_image" /></div> <b>Ist das Thema denn 2024 noch ein Tabu?</b><BR />Lembergh: Ich habe schon das Gefühl, das in Südtirol die Enttabuisierung zeitversetzt abläuft. In Skandinavien, Deutschland, aber auch in Österreich ist sexueller Missbrauch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bücher und Filme wurden veröffentlicht, Gesetze verschärft. Als ich in Südtirol 2020 knapp vor der Pandemie mit dem Projekt begonnen habe, bin ich buchstäblich gegen eine Wand des Schweigens geprallt. Ich habe deshalb Aufrufe in den Medien gestartet, auf die sich über 50 Menschen meldeten. <BR /><BR /><embed id="dtext86-67281978_quote" /><BR /><BR /><b>Wie ist das Projekt dann weiter gegangen? </b><BR />Lembergh: Im Film konnten nur eine Handvoll Menschen vorkommen. So entstand parallel zum Film die Idee, das Buch „Wir brechen das Schweigen“ gemeinsam mit der Psychologin Veronika Oberbichler zu schreiben. Denn zum ersten Mal haben sich so viele Menschen in Südtirol zu diesem Thema gemeldet. Ich wollte allen eine Plattform geben. Anders als im Film erzählen im Buch nur Missbrauchsbetroffene aus Südtirol von ihren Erfahrungen. Außerdem ist die Idee zu einer Studie entstanden.<BR /><BR /><b>Um welche Studie handelt es sich dabei?</b><BR />Lembergh: An der Universität Innsbruck wird erstmals eine qualitative Studie zu sexualisierter Gewalt in Südtirol durchgeführt. Ziel ist, die Entstehungsbedingungen zu erforschen und Kulturen und Praktiken des (Ver-)Schweigens zu untersuchen ( <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/sexualisierte-gewalt-beginnt-oft-als-sexistischer-witz" target="_blank" class="external-link-new-window" title="Sexualisierte Gewalt">mehr dazu lesen Sie hier</a>). Das Buch, der Film und die Studie bilden Mosaiksteine, um das Phänomen in die Gesellschaft zu bringen. Aus einer Sprachlosigkeit, sollen Worte werden – Normalität darüber zu sprechen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-67282002_quote" /><BR /><BR /><b>Warum sollte man sich den Film anschauen? </b><BR />Lembergh: Den Film sollte man sich zumuten, weil es sich lohnt. Er ist ermutigend, positiv. Es ist ein Erlebnis, den Film zu sehen. Von diesen 4 Frauen kann man sich vielleicht sogar eine Scheibe abschneiden.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1093773_image" /></div> <h3> Hier gibt es Hilfe:</h3><b>Notruf 112</b>. <BR /><b>Psychologisches Krisentelefon</b>: 800 101 800.<BR /><Fett>Landesweite Notrufnummer bei Gewalt und Stalking</Fett>: 1522.<BR /><BR />Rund um die Uhr erreichbar: Beratungsstelle und Frauenhaus <b><Fett>Bozen</Fett></b>: 800 276 433; Beratungsstelle und Frauenhaus <b><Fett>Meran</Fett></b>: 800 014 008; Beratungsstelle und Frauenhaus <Fett>Brixen</Fett>: 800 601 330. <BR /><BR />Geschützte Wohnungen <Fett>Bozen</Fett>: Mo.-Fr. 8-12.30 Uhr und Mo.-Do. 13.30-17 Uhr unter 800 892 828; die Beratungsstelle und geschützte Wohnungen <Fett>Bruneck</Fett> unter 800 310 303 (Mo.-Fr. 8.30-12 Uhr).