Nun erhält vom Staat 230.000 Euro Haftentschädigung. Die durchaus stattliche Summe kann ihm zwar weder die verlorenen Jahre zurückbringen noch die harte Zeit, in der er zu Unrecht inhaftiert war, ungeschehen machen. Doch der 47-Jährige blickt nicht zurück und konzentriert sich jetzt auf einen Neuanfang. Sein Mandant habe Tränen der Erleichterung geweint, als ihm die Entschädigung zugesprochen wurde, sagte Verteidiger Nicola Zilio zur Trentiner Tageszeitung „L'Adige“. Es gebe nämlich keinen Automatismus, der nach einem Freispruch zu einer Entschädigung führt, die Kriterien seien sehr restriktiv. „Für Trient ist dies ein außergewöhnlicher Fall“, unterstrich Zilio.<h3> Polizei kommt krimineller Organisation auf die Spur</h3>Angefangen hatte alles im Jahr 2017 mit der Polizeioperation „Justice“ unter der Leitung der Trienter Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft. Die Polizei von Trient, Bozen, Meran, Bologna und Viterbo war einer kriminellen Organisation auf die Spur gekommen, die Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren zuerst an die libysche Küste und von dort aus nach Italien und Frankreich gebracht haben soll. Die Frauen seien mit dem falschen Versprechen auf einen Arbeitsplatz in Europa angelockt und im Rahmen eines Voodoo-Ritus (Ju-Ju) gefügig gemacht worden: Sowohl ihnen selbst als auch ihren Familienangehörigen zu Hause wurde der Tod angedroht, sollten sie die 30.000 Euro für die Überfahrt nicht bezahlen. In Europa angekommen, seien die Frauen in Wohnungen der Organisation untergebracht, unter Gewaltanwendung wie Sklavinnen gehalten und zur Prostitution gezwungen worden, um so ihre „Schulden“ abzuarbeiten.<h3> Nigerianer wird der sexuellen Gewalt beschuldigt</h3>Aufgeflogen war das menschenverachtende Treiben, nachdem eine der betroffenen Frauen in Bologna den Mut hatte, bei der Polizei Hilfe zu suchen und ihre Geschichte zu erzählen. Insgesamt stellten die Trienter Justizbehörden acht Haftbefehle gegen mutmaßliche Mitglieder der Organisation aus, vier konnten sofort vollstreckt werden. Unter den verhafteten Personen war auch der heute 47-Jährige, der damals in Turin wohnte. Eine junge Frau hatte ihn schwer belastet: Sie hatte ausgesagt, dass er ihr mehrfach sexuelle Gewalt angetan habe, während sie in Libyen auf das Boot wartete, das sie nach Italien bringen sollte. <BR /><BR />In der Folge wurde der Mann angeklagt und von einem Schwurgericht zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil war nicht rechtskräftig, sein Verteidiger legte Berufung ein. In der Zwischenzeit musste der 47-Jährige weiter hinter Gittern bleiben, da sein Antrag auf Hausarrest abgelehnt worden war. <h3> Freispruch und Haftentschädigung gewährt</h3>Schlussendlich aber wendete sich das Blatt. Vor dem Trienter Berufungsschwurgericht konnte bewiesen werden, dass die Aussage der einzigen Belastungszeugin nicht mit dem Sachverhalt vereinbar war, der sich aus einer Abhörung ergeben hatte. Das Gericht sprach den 47-Jährigen vom Vorwurf der Versklavung und der sexuellen Gewalt frei, weil der Tatbestand nicht vorliegt, und vom Vorwurf der Förderung der illegalen Einwanderung (ursprünglich Menschenhandel), weil er die Tat nicht begangen hat. Nachdem dem vollen Freispruch Rechtskraft erwachsen war, beantragte der Nigerianer beim Justizministerium Haftentschädigung – die ihm jetzt gewährt wurde. <BR /><BR />Ein 37-jähriger Landsmann, der von Rechtsanwalt Marco Tognoli vertreten wurde, bekam 92.000 Euro zugesprochen. Auch er war verdächtigt worden, der kriminellen Organisation angehört zu haben. Er war in erster Instanz zu drei Jahren Haft verurteilt worden, 394 Tage lang saß er in Brescia im Gefängnis – ebenfalls zu Unrecht, wie das Trienter Berufungsschwurgericht nun festgestellt hat.