Auch wir haben im Anschluss mit ihm über Früherkennung, Betroffene und Therapie gesprochen.<BR /><BR /><b>Herr Dr. Wenter, wie viele Personen sind in Südtirol aktuell von Demenzerscheinungen betroffen?</b><BR />Dr. Christian Wenter: Für Südtirol gibt es keine gute Datenlage. Weltweit gibt es allerdings kaum geografische Unterschiede in der Häufigkeit. Man kann also sagen, dass internationale und nationale Daten auf unser Land übertragen werden können. Laut ISTAT gibt es in Italien 1.250.000 Demenzkranke – und das bei knapp 60 Millionen Einwohnern. Übertragen auf Südtirol würde das heißen, dass aktuell über 7500 Menschen betroffen sein sollten. Wir rechnen damit, dass es pro Jahr etwa 1300 neue Erkrankungen gibt. Das ist – in der Fachsprache – eine Prävalenz von 7,5 Prozent und eine Inzidenz von 13,3 pro 1000 Einwohner. <BR /><BR /><b>Welche ersten Symptome gibt es? Wann sollte Mann bzw. Frau ärztlichen Beistand suchen?</b><BR />Dr. Wenter: Sobald erste Verdachtsmomente auftreten, sollte nach Möglichkeit diagnostische Klarheit geschaffen werden. Es ist schließlich sehr unangenehm, wenn man im Zweifel lebt und monate- oder gar jahrelang vom Gedanken geplagt wird, an Alzheimer zu leiden. Wir haben zwar weiterhin für die meisten Fälle keine kausale Therapie und medizinische Lösung im Sinne einer Heilung, doch sehr wohl Medikamente, welche die Krankheitsentwicklung günstig beeinflussen – je früher sie eingesetzt werden, desto besser. Außerdem kann es gelingen, trotz Alzheimer weiter eine ansprechende Lebensqualität zu haben, wenn man sich so früh wie möglich auf das unausweichliche Schicksal bestmöglich einstellt. Deshalb sollte man die Erkrankung früh erkennen und rechtzeitig mit den Behandlungen beginnen.<BR /><BR /><b>Apropos Mann und Frau: Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei Demenzerkrankungen?</b><BR />Dr. Wenter: Es gibt ganz wesentliche Unterschiede zwischen Mann und Frau. Das fängt schon beim Verteilungsmuster an: Die häufigsten Demenzformen betreffen bis zu 70 Prozent Frauen. Es gibt unterschiedliche Risikofaktoren für die Gesundheit des Gehirnes und wahrscheinlich auch unterschiedliche Entstehungsmechanismen einer Neurodegeneration. Weiters entwickeln sich die neurokognitiven und psychischen Symptome verschieden. Wo etwa Männer eher zu psychomotorischer Unruhe, Erregtheit bis hin zu Wutanfällen und aggressiven Zügen neigen, kommt es bei Frauen häufiger zu Interessensverlust, Antriebslosigkeit, Rückzug, depressiver Verstimmung. <BR /><BR /><b>Eine wichtige Frage: Wann kann Alzheimer bzw. wann kann Demenz geheilt werden? Es gibt immer wieder Berichte über neue Medikamente.</b><BR />Dr. Wenter: Eine Alzheimerdemenz ist bis heute nicht heilbar, und es ist zu befürchten, dass es in absehbarer Zeit keinen entscheidenden Durchbruch bei der Entwicklung einer kausalen Therapie geben wird. Es werden voraussichtlich noch viele Jahre lang weltweit und auch bei uns viele Menschen mit dieser Krankheit weiterleben müssen. Seit Jahren wird aber an Mitteln geforscht, die den Verlauf der Krankheit zumindest ausbremsen sollen. Dabei gelingt es immer besser, das Fortschreiten der Krankheit günstig zu beeinflussen, was für die Patienten und Angehörigen von großer Bedeutung sein kann.<BR /><BR /><b>Gibt es in Südtirol ausreichend Hilfe für Betroffene?</b><BR />Dr. Wenter: Mittlerweile ist das Thema Alzheimer im Bewusstsein der öffentlichen Meinung und damit auch in dem der Institutionen angelangt. Allerdings ist es so, dass diejenigen, die nicht direkt mit einem Alzheimer-Kranken zu tun haben, die Komplexität der Bedürfnisse so eines Betroffenen kaum erahnen können. Bei Demenzkrankheiten handelt es sich um chronisch-progrediente Krankheiten, die im statistischen Schnitt einen 10-jährigen Verlauf haben. Über so einen langen Zeitraum eine Person zu betreuen und zu pflegen, erfordert enorme Ressourcen. Je nachdem, in welchem Stadium der Demenz sich ein pflegebedürftiger Angehöriger befindet, müssen pflegende Familienmitglieder entscheiden, wo der Demenzkranke am besten aufgehoben ist – in der eigenen Wohnung mit regelmäßiger Betreuung, im Zuhause eines pflegenden Angehörigen oder in einem Pflegeheim. Wichtig ist, dass pflegende Angehörige kompetent beraten werden und Hilfsangebote gut zugänglich und zeitgerecht erhältlich sind. Die bei uns eingesetzten Ressourcen könnten treffsicherer verwendet werden.