Im Interview erzählt sie, worauf es bei der Vermittlung von „Badanti“ ankommt und warum Pflege immer mehr zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe wird.<BR /><BR /><b><BR />Frau Thaler, wie schwierig waren die Aufbaujahre der Sozialgenossenschaft?</b><BR />Ursula Thaler: In den Anfängen wurden wir Gründungsmitglieder von der Überzeugung getragen, dass wir mit diesem Vermittlungsdienst eine Lücke schließen. Wir wurden dabei sozusagen von unserer Begeisterung für die Sache getragen. Nach den ersten eineinhalb Jahren Aufbauarbeit wurde ich von einer ersten festangestellten Mitarbeiterin unterstützt, was die Arbeit enorm erleichterte. Die Führung einer Sozialgenossenschaft bringt beträchtliche bürokratische Aufgaben mit sich. <BR /><BR /><b>Wie stark werden Ihre Dienste heute nachgefragt?</b><BR />Thaler: Derzeit begleiten wir 350 insgesamt Familien in ganz Südtirol. An uns wenden sich Familien mit Pflegebedarf, dieser kann von Fall zu Fall sehr unterschiedlich aussehen, weshalb das Beratungsgespräch ein zentraler Punkt ist. Manche Familien brauchen eine Betreuerin oder Badante lediglich für einige spezifische Stunden am Tag oder in der Woche, andere hingegen benötigen eine „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ mit allem Drum und Dran. Wir schauen uns nicht nur nach dem geeignetem Personal um, sondern übernehmen die Anmeldung und erledigen zusammen mit einem Lohnbüro die Lohnberechnung. Außerdem sind wir immer da als Ansprechpartner, sollte sich etwas ändern.<BR /><BR /><b>Mit dieser Genossenschaft haben Sie dazu beigetragen, dass das Image dieser Dienstleistung aufgewertet wird. Viele Jahre bewegten sich die Badanti bzw. Hausangestellte mit Betreuungsfunktion in einer Grauzone, ohne korrekte Arbeitsverhältnisse ...</b><BR />Thaler: Dieses Phänomen gibt es natürlich nach wie vor. Dazu ist zu sagen, dass sich an uns nur Familien wenden, die ausdrücklich Wert auf ein gesetzeskonformes Arbeitsverhältnis legen. Und gerade das sollte uns als Gesellschaft diese wertvolle Dienstleistung auch wert sein. Für die Senioren ist es schön, wenn sie im Bedarfsfalle die notwendige Unterstützung bekommen, zugleich bleibt für die Angehörigen oftmals mehr Zeit für das zwischenmenschliche Miteinander. Eine oder ein Badante hilft bei den täglichen Dingen des Lebens, verleiht dem Tag bzw. der Woche eine gewisse Struktur und ist zudem wichtig als Vertrauensperson. Leider suchen uns oftmals Angehörige erst dann auf, wenn sie mit der Pflege an ihre Grenzen gekommen sind. Besser ist natürlich, sich zeitig umzusehen und so allen Beteiligten leidvolle Erfahrungen zu ersparen.<BR /><BR /><b>Ist die Pflege von Angehörigen nach wie vor ein frauenspezifisches Thema?</b><BR />Thaler: Es ist vermehrt zu einem Familienthema geworden, denn immer öfter werden auch Söhne und Ehemänner bei uns vorstellig, und nicht nur Töchter und Frauen. Klar ist natürlich auch, dass sich daheim hauptsächlich die Frauen um die Angehörigen kümmern. Was hingegen die Badanti betrifft, so vermitteln wir durchaus sehr fähige Männer. Unterm Strich liegt hierbei der Frauenanteil sicherlich noch bei rund 95 Prozent. <BR /><BR /><b>Man muss ganz gewiss kein Prophet sein, um zu erkennen: In absehbarer Zukunft wird der Bereich Pflege noch einen viel gewichtigeren Platz in unserer Gesellschaft einnehmen. Welche Dinge sollten hierbei in Angriff genommen werden?</b><BR />Thaler: Angesichts der demographischen Entwicklung werden wir uns diesem Thema schneller zu stellen haben, als wir es heute noch wahrhaben wollen. Ich denke, dass es nicht die eine Patentlösung gibt. Einerseits ist es doch schön, wenn man 90 Jahre und älter werden kann – idealerweise noch fit, gesund und selbstständig. Allerdings gibt es häufig eben auch die andere Seite: Immer mehr ältere Menschen werden Unterstützung brauchen. Ich bin überzeugt, dass wir vom Gedanken wegkommen sollten, dass es die öffentliche Hand schon richten wird bzw. immer alles richten soll. <BR /><BR /><b>Was meinen Sie damit?</b><BR />Thaler: Es braucht neue Modelle und Ideen und das Bewusstsein, dass diese Aufgabe auf Dauer nicht auf andere Stellen oder Institutionen abgewälzt werden kann. Die Pflege unserer Angehörigen muss wieder stärker als Aufgabe von uns allen erkannt werden, hier braucht es mehr Eigenverantwortung und wieder einen stärkeren Gemeinschaftssinn. <BR /><BR /><b>Sie sind auch politisch im Gemeindeausschuss von Deutschnofen aktiv. Wie gelingt Ihnen die Balance zwischen den vielen Aktivitäten?</b><BR />Thaler: Ich bin der Auffassung, dass man sehr viel zu leisten imstande ist, wenn die Motivation entsprechend hoch ist und man Aufgaben hat, die den eigenen Fähigkeiten entsprechen. Und ich sehe die Sinnhaftigkeit an meinen Tätigkeiten. Das ist sehr wichtig für mich. <BR /><b><BR />Welche Eigenschaften sind denn essenziell, um diese Sozialgenossenschaft zu führen?</b><BR />Thaler: Es braucht viel Empathie im Umgang mit Menschen, die sich in einer besonderen sensiblen Situation befinden. Man muss den Überblick bewahren, organisieren und wie in jedem anderen Bereich gut kalkulieren können.<BR /><BR />Interview: Alex Zingerle