Als die rettende Impfung kam und damit auch die Impfpflicht kam, beschuldigte man Zerzer, „Giftspritzen zu verteilen“. Auf sein Geburtshaus in Mals schrieb man, er sei ein Mörder, und sogar auf einer Beerdigung sei er beschimpft worden.<BR /><BR /><b>Welches waren für Sie die schwierigsten Momente in den vergangenen 3 Jahren?</b><BR />Florian Zerzer: Da gab es eine ganze Reihe. Wir sind langsam in diese Krise hineingeschlittert, von Tag zu Tag wurden die Fälle dann mehr. Mit 37 Intensivbetten sind wir als Sanitätsbetrieb in die Krise gestartet, am Ende ist es gelungen, diese fast auf 70 zu bringen. Ende März 2020 mussten wir an einem Tag feststellen: Wenn der Zustrom an Patienten so weitergeht, dann können wir am Ende der Woche keine Patienten mehr aufnehmen. Mit allen Mühen ist es uns gelungen, zusätzliche Betten zu aktivieren. Dafür mussten wir sogar Operationssäle schließen – zum Beispiel in Sterzing. Dort haben wir Beatmungsgeräte ausgebaut, nach Bozen geliefert und dort notdürftige Intensivbetreuung aufgebaut. Da ging es sehr eng zu. <BR /><BR /><b>Sagte Ihnen da auch so manche Lieferfirma kurzfristig ab?</b><BR />Zerzer: Ja, im letzten Moment – wie etwa eine Firma aus Deutschland, die uns bereits Atmungsgeräte zugesagt hatte. Die Ausrede lautete: Die Bundesregierung hätte solche Ausfuhren untersagt. Auch an persönlicher Schutzausrüstung fehlte es uns: Einige Zeit wurden wir vom Zivilschutz sehr gut versorgt, als die Versorgung aber drohte zusammen zu brechen, hatten wir nur noch Vorräte für wenige Tage. Dies führte dann zum berühmten Maskenimport aus China. Händeringend versuchten wir, alles, was möglich war, zu akquirieren, um unsere Ärzte und Pfleger nicht schutzlos in die Patientenzimmer schicken mussten. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-58423612_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Und als die Impfung und die Impfpflicht eingeführt wurden – wie haben Sie da die Gegenwehr erlebt?</b><BR />Zerzer: Das war schlimm. Da kamen die schlechtesten Seiten menschlichen Verhaltens zum Vorschein. Auf der Straße wurde ich beschimpft, wir erhielten Drohbriefe. An mein Geburtshaus in Mals wurde die Schrift „Florian Zerzer – Mörder“ angebracht. Das hat mich persönlich sehr betroffen gemacht. Meine Mutter hat sehr darunter gelitten. Als in Feldthurns auf der Straße der Impfbus gestanden ist, ging eine Frau dort vorbei und sagte zu mir: „Danke für die Giftspritzen, die ihr da verteilt!“ Bei der Beerdigung eines Freundes wurde ich auch angesprochen – mit den Worten: „Sind Sie der Zerzer? Trauen Sie sich überhaupt noch, den Leuten in die Augen zu schauen, nachdem was Sie unseren Leuten antun? Man sollte Sie anzeigen und einsperren.“ <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="869303_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Wie arbeitsintensiv war diese Zeit für Sie?</b><BR />Zerzer: Meine Familie hat mich damals zuhause kaum mehr gesehen. Abends fanden oft noch Sitzungen statt – oder es riefen mich besorgte Mitarbeiter an: In der Notaufnahme Sterzing gab es einen positiven Fall. Was tun? Ich habe dann angeordnet, für den damaligen Abend die Notaufnahme in Sterzing zu schließen und die Nacht über die Leute nach Brixen umzuleiten. Wir mussten ja alles desinfizieren und sicherstellen, dass die Menschen dort nicht riskieren, sich anzustecken. Es waren sehr anstrengende Zeiten. Das Ende des Tages war oft nicht absehbar. Ich bin oft um 22 Uhr oder 23 Uhr heimgekommen – und am nächsten Tag wieder um 6.15 Uhr gestartet, weil sich um 7.30 Uhr die Task Force beriet. Auf der Autobahn zwischen Klausen und Bozen Nord ist mir vor allem an Samstagen oder Sonntagen oft kein einziges Auto begegnet. Wir sind an die Grenzen gekommen. Auch die Ärzte und Krankenpfleger hatten große Sorgen: Werden die Schutzmaßnahmen ausreichen? Bei einer dramatischen Versammlung in einem Krankenhaus an einem Sonntagvormittag nach Ausbruch der ersten Fälle forderten Ärzte und Pfleger von uns, sofort das Krankenhaus zu schließen. Sonst könnte es uns ergehen wie in Bergamo: Wenn das Virus im Spital ist, sterben uns die Patienten reihenweise weg. Wir haben dann in Rekordzeit Zelte vor den Krankenhäusern aufgeschlagen und erreicht, dass wir alle Krankenhäuser offen lassen konnten. Der Zugang zu den Krankenhäusern wurde dann kontrolliert.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="868943_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie erging es den Ärzten und Pflegern, die ja oft täglich mit dem Tod konfrontiert waren?</b><BR />Zerzer: Ich habe Menschen weinen sehen, die früher auf ihrer Abteilung nie mit dem Tod konfrontiert waren – und dann in Covid-Stationen mitgeholfen haben. Diese Mitarbeiter haben zeitweise jeden Tag mehrere Tote gesehen. Das war für sie eine Riesenbelastung. Wir haben versucht, diesen Mitarbeitern auch psychologische Hilfe zukommen zu lassen. <BR /><BR />Unter dem Titel: „ <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/erster-bestaetigter-coronavirus-fall-in-suedtirol" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Coronavirus: 31-Jähriger aus Terlan infiziert</a>“ berichtete auch s+ über die Medienkonferenz, bei der über den ersten positiven Test bei einem Südtiroler informiert wurde. <BR /><BR /><BR /><BR />