Ein Kind fällt von einem Spielgerät und verletzt sich. Ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Eltern und Gemeinde ist die Folge. Dieser endet schließlich vor dem höchsten italienischen Gericht. Die Hintergründe dazu, wann die Gemeinde verantwortlich ist und wann die Aufsichtspflicht seitens der Eltern verletzt wurde, erklärt Janis Noel Tappeiner von der Kanzlei Baur & Tappeiner.<BR /><BR /><BR /><BR />Der Fall ereignete sich bereits im Jahre 2010 in einer Gemeinde in den Abruzzen. Ein Mädchen im Alter von damals neun Jahren kletterte an einem dafür vorgesehenen Spielgerät herum. Plötzlich verlor es an einer Eisenstange den Halt und fiel herunter. Der Grund: Eine vermutlich ölige Substanz habe einen angemessenen und entsprechend festen Halt bzw. Griff des Kindes nicht ermöglicht, beanstandeten die Eltern und erhoben Schadenersatzansprüche gegenüber der Gemeinde, in welcher sich der Spielplatz befindet. <BR /><BR />„Unfälle auf Spielplätzen sind auch in Südtirol keine Seltenheit“, weiß Rechtsanwalt Janis Noel Tappeiner von der Kanzlei Baur & Tappeiner mit Sitz in Lana und Vetzan/Schlanders. Hierbei könne es schon mal zu Streitigkeiten kommen. Vor allem aber der konkrete Fall in der italienischen Gemeinde ließ bei Juristen aufhorchen, landete er schließlich vor dem obersten Gerichtshof. Welche Verletzungen sich das Kind dabei konkret zugezogen hatte, geht aus den Entscheidungen des Kassationsgerichtes und des Oberlandesgerichts zwar nicht hervor, „relevant ist aber der Beschluss des Kassationsgerichtshofes an sich, weil er die Gemeinde in diesem Falle von jeglicher Schuld freispricht“, so Tappeiner. <h3> Anspruch auf Schadenersatz abgewiesen</h3>Sowohl das Gericht erster als auch jenes zweiter Instanz hatten den vorgebrachten Anspruch auf Schadenersatz abgewiesen. „Das Berufungsgericht hielt fest, dass der Unfall auf das Verhalten des Kindes oder der Erwachsenen, welche das Kind begleitet hatten, zurückzuführen ist“, erklärt Tappeiner. Dies wollten die Kläger – die Geschädigte war mittlerweile volljährig – aber nicht auf sich sitzen lassen und reichten Rekurs beim Kassationsgerichtshof in Rom ein. Laut ihnen habe die Gemeinde bereits in den vorherigen Instanzen nichts Wesentliches zu ihrer Verteidigung aufgezeigt. Lediglich habe diese auf den laut ihr ordnungsgemäßen Zustand des Parks sowie der Geräte vor Ort aufmerksam gemacht. Außerdem habe die betroffene Gemeinde erwähnt, dass die Spielgeräte regulär gewartet werden, zweimal im Jahr. Die Gemeinde habe dabei weder einen „Zufall“ noch eine Mitschuld des Geschädigten beweisen können. <h3> Gemeinde für Wartung zuständig</h3>Die Kläger sahen die Verantwortung nach wie vor bei der beklagten Verwaltung, welche für die Wartung der Geräte zuständig sei und stützten sich dabei auf Artikel 2051 des Zivilgesetzbuches (Schäden durch eine Sache, die zur Verwahrung übernommen wurde). Dieser sieht nämlich vor: „Jeder haftet für den Schaden, der durch Sachen entstanden ist, die er zur Verwahrung bei sich hat, außer er weist einen Zufall nach“.<BR /><BR /><embed id="dtext86-54273605_quote" /><BR /><BR />„Im Sinne der Bestimmung nach Artikel 2051 des Zivilgesetzbuches obliegt es dem Geschädigten, den Kausalzusammenhang zwischen der verwahrten Sache und dem entstandenen Schaden zu beweisen. Auf der anderen Seite obliegt es dem Verwahrer zu beweisen, dass der Schaden durch einen Zufall entstanden ist, das heißt einer Ursache zugrunde liegt, welche außerhalb seines ‚Verwahrungsbereiches‘ liegt, absolut unvorhersehbar, unvermeidbar und außergewöhnlich war“, erklärt Tappeiner. Demnach liege „a priori“ die Schuldvermutung beim Verwahrer der Sache, der, wenn er sich von der Verantwortung bzw. Haftung befreien möchte, seine Nicht-Schuld, wie oben beschrieben, beweisen muss.<h3> Spielgeräte laut Klägern „nicht sicher“</h3>Die Kläger betonten „das Nicht-Vorhandensein der Sicherheit bei den Spielgeräten“, was unter anderem durch eine Zeugin im Rahmen der Verhandlungen in den ersten Instanzen aufgeworfen worden war. Neben der öligen Substanz an dem Gerüst sei der Gummiteppich, welcher eventuelle Stürze abfedern, sprich lindern soll, veraltet und aufgrund von Baumwurzeln nicht gleichmäßig, hieß es. Zudem wurde eine generell mangelhafte Wartung des Spielplatzes bzw. der sich darin befindlichen Spielgeräte in den Raum gestellt.<h3> Keine Mängel bewiesen</h3>Der Kassationsgerichtshof in Rom schmetterte im April dieses Jahres den Rekurs der Klagepartei ab und wertete die vorgebrachten Gründe als unzulässig. Der Gebrauch von Geräten auf einem Spielplatz sei nicht mit einer besonderen Gefahr verbunden – außer es wird bewiesen, dass die Geräte Mängel aufweisen und als solche eine Gefahr mit sich bringen, hieß es vonseiten des Gerichts. Das Vorhandensein einer öligen Substanz auf dem Spielgerät sei außerdem nicht bewiesen worden.<BR /><BR />„Die Geräte bringen dieselbe Gefahr mit sich, wie sie von anderen ähnlichen Strukturen oder Gegenständen ausgeht, welche eine gewisse Aufsicht und Vorsicht vonseiten der Erwachsenen voraussetzen. Erwachsene müssten sich auf einem Spielplatz der dort vorherrschenden Gefahren bewusst sein“, erklärt Rechtsanwalt Tappeiner den Beschluss. <h3> Eltern haben „Aufsichtspflicht verletzt“</h3>Hat sich einmal ein schadhafter Sturz zugetragen, können Eltern demnach nicht auf das Vorhandensein einer Gefahrensituation verweisen, da sie selbst die Pflicht hätten, diese einzuschätzen. „In anderen Worten muss ein Elternteil oder jedenfalls ein Erwachsener, der auf einem Spielplatz das Kind betreut, die Risiken vorhersehen und gegebenenfalls entsprechend vorbeugen“, betont Tappeiner. Die Haftung und Verantwortung liege in einem solchen Fall folglich regelmäßig bei den Eltern bzw. jener volljährigen Person, die den Minderjährigen auf den Spielplatz begleitet, „da in fahrlässiger Weise die Aufsichtspflicht verletzt wurde“, erklärt der Anwalt. Das Kassationsgericht in Rom habe sich dabei auch auf ein Urteil von 2014 gestützt. Bereits damals hatte das oberste italienische Gericht bei einem ähnlichen Fall so argumentiert. Detail am Rande: Laut Gesetzgeber sollten Kinder unter 14 Jahren nicht alleine gelassen werden, grundsätzlich besteht die Aufsichtspflicht bis zur Volljährigkeit.<h3> Viele Streitfälle</h3> „Die Sache in diesem Fall ist eigentlich klar, aber bei solchen Fällen gibt und wird es noch viele Streitfälle geben“, weiß Tappeiner. Denn: „Sind Gegenstände, die von der Gemeinde ‚verwahrt‘ werden, beschädigt oder entsprechen nicht den Standards, dann haftet durchaus die öffentliche Verwaltung“. <BR /><BR />Die geschädigte Person müsse aber dennoch den Kausalzusammenhang zwischen der ‚verwahrten‘ Sache und dem entstandenen Schaden beweisen. Dies treffe unter anderem auch auf marode Bäume auf öffentlichen Grundstücken und dergleichen zu. „Steht am Spielplatz ein Baum, muss der Grundbesitzer dafür Sorge tragen, dass kein Ast auf das Kind fällt. Klettern Kinder auf einen gesunden Baum und verletzen sich, ist es wiederum die Aufsichtspflicht, die vernachlässigt wurde“, nennt der Anwalt ein weiteres Beispiel.