von <b>Reinhard Fellner/TT</b><BR /><BR />Fingerzeig eines Schwurgerichtshofs am Landesgericht Innsbruck: Dienstagabend endete der über zwei Tage verhandelte Bankräuberprozess gegen einen 26-jährigen Unterländer und einen 33-jährigen Tschetschenen mit überaus strengen Strafen, welche die Brutalität und Rücksichtslosigkeit bei den Überfällen (wohl) aufwiegen sollten.<h3> Höchststrafe von 20 und 13 Jahren Haft</h3>So erging über den erstangeklagten Unterländer die Höchststrafe von 20 Jahren Haft wegen erpresserischer Entführung und schweren Raubes. Sein Komplize blieb mit 13 Jahren Haft für schweren Raub knapp unter der Strafobergrenze von 15 Jahren Gefängnis. Beide Angeklagten waren bereits einschlägig vorbestraft. Der Erstangeklagte gestand einzig den Überfall zu, nach dem man ihn und den 33-Jährigen mit der Beute direkt danach verhaften konnte.<BR /><BR />Ansonsten zeigten sich beide Männer zur Anklage nicht geständig und zeigten im Prozess auch keine erkennbare Reue. Von einer Strafschärfung wegen Rückfalls (beide wurden schon wegen schweren Raubs verurteilt) sah der Schwurgerichtshof jedoch ab. Beide Urteile sind nicht rechtskräftig. Sechs der Opfer wurde über die Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ Schadenersatz von über 22.000 Euro zugesprochen.<BR /><BR /> Für fünf der Banküberfälle ab Ende des Jahres 2023 sollen direkt der Unterländer und der in Innsbruck wohnhafte Tschetschene (33) als Mittäter bei zwei Überfällen verantwortlich sein. Nach siebeneinhalb Monaten klickten für beide direkt nach dem letzten Überfall in einem Haus nahe der Bank auf der gegenüberliegenden Innseite die Handschellen.<h3> Opfer im Schwitzkasten und mit Pistolen bedroht</h3>Am Montag begann am Landesgericht vor Geschworenen die zweitägige Aufarbeitung der Serie. Opfer im Schwitzkasten, Aggressivität und den Opfern die Pistole an den Hinterkopf angesetzt: Staatsanwalt Markus Grüner betonte im Eingangsplädoyer den auffallenden Gewalteinsatz bei den Überfällen: „So etwas ist doch selbst für den Täter kontraproduktiv und führt für die Opfer zu schweren Traumatisierungen!“<BR /><h3> Zeugen belasten Angeklagte</h3>Der Ankläger sah aufgrund der umfangreichen Ermittlungen, Täterprofilabgleiche und DNA-Spuren das angeklagte Duo als klar überführt. Zeugenaussagen am Dienstag bestätigten den Staatsanwalt dahingehend bezüglich des Erstangeklagten. So war für gleich zwei der Schalterbeamtinnen und einen Filialleiter klar, dass es sich beim Überfall auf eine Bankfiliale am Mitterweg um denselben Täter gehandelt haben musste.<BR /><BR />Dies lag laut Zeugen an mehreren Umständen: So war der Tresor beim ersten Überfall noch in einem Kasten versteckt. Davon konnten nur Mitarbeiter wissen. Eine Zeugin: „Das ist kein Platz, wo man sich intuitiv hinbewegt!“ Beim zweiten Überfall steuerte der Räuber jedoch wieder direkt auf die ihm nun bekannte Kastentüre zu – und reagierte äußerst aggressiv, als er feststellen musste, dass der Safe inzwischen in den Keller verlegt worden war.<BR /><h3> Betroffene Bankangestellte</h3>Andererseits war für die Überfallenen schon aufgrund der Statur, der Bewegungen und der immer gleichen Phrasen des Bankräubers eine Täteridentität bei den beiden Überfällen klar. Eine der traumatisierten Angestellten zu den Geschworenen: <BR /><BR /><embed id="dtext86-70934574_quote" /><BR /><BR />Ganz anders die Angeklagten. So betonte der 33-Jährige, dass er den Erstangeklagten in keiner Weise bei Banküberfällen unterstützt habe und er dem Obdachlosen nur in seiner Wohnung Unterschlupf gegeben habe, da beide ein gemeinsames Problem hatten: Kokain.<BR /><BR />Ein Schüler, der nach einem der Überfälle jedoch die Tatwaffe in einem Busch aufgefunden hatte und die Pistole sofort zur Polizei gebracht hatte, bezeugte am Dienstag indes klar vor dem Schwurgerichtshof, dass der mutmaßliche Räuber mit einer Tasche und der Pistole angelaufen gekommen war. Darauf habe dieser die Pistole in den Busch geworfen und die Tasche einem dort wartenden Komplizen übergeben. Der Fundort ist dem Wohnort des Zweitangeklagten örtlich nah.<h3> Latex-Masken, eine Pistole und Videos</h3>Da beide Angeklagte in der Vergangenheit schon wegen schweren Raubes verurteilt wurden und deshalb in diesem Zusammenhang an Naivität wohl nicht zu denken ist, veranlasste die Aussage des Tschetschenen wiederum Richter Norbert Hofer zur Frage: „Ihr Bekannter bestellt Latex-Masken, hat eine Pistole und googelt mit Ihrem Handy nach der Durchführung von Banküberfällen – und Sie ahnen nichts von der Vorbereitung eines Banküberfalls?“ <BR />Ein am Montag vorgeführtes Video einer Selbstauslösekamera zeigte die beiden Angeklagten zudem in der Wohnung des Zweitangeklagten bei der Anprobe von Kleidungsstücken und schwarzer Handschuhe.<h3> 26-Jähriger gestand nur letzten Überfall</h3>Der 26-Jährige gestand zwar den letzten Überfall kurz vor seiner Verhaftung mitsamt Beute, leugnete jedoch die übrigen Banküberfälle. Dabei blieb er bis zum Dienstag, sorgte aber am Montag kurzzeitig für eine Überraschung und nannte konkrete Namen von Tätern, die ihm Überfälle gestanden haben sollten. Die gelegte Spur führte aber komplett ins Leere.<BR /><BR />Im Gegenzug wurde ein gerichtsmedizinisches Gutachten erörtert, laut dem DNA-Abriebe und Mischspuren beider Angeklagter in verschiedenen Konstellationen festgestellt wurden. Ein Beamter des Landeskriminalamtes erklärte darauf, warum es sich bei den fünf Überfällen nicht um Taten verschiedener Einzeltäter, sondern um eine zusammenhängende Serie handeln würde. So wurden sogar Kriminalisten in München bemüht, um über Spezialisten (Super Recogniser) Übereinstimmungen von Abläufen und körperlichen Eigenheiten zu dokumentieren.<h3> Opfer teils unter Tränen ausgesagt</h3>Welche Folgen derartige Überfälle haben, wurde durch die Zeugenaussagen der durchwegs weiblichen Opfer eindrucksvoll dokumentiert. Sie erfolgten vor den Geschworenen teils unter Tränen und schilderten dramatische Folgen. Brutale Behandlung und Schock führten zu Krankenständen, wiederkehrenden Panikattacken, Therapien und Versetzungen in andere Arbeitsbereiche.<BR /><BR /><embed id="dtext86-70934575_quote" /><BR /><BR />Mehrere der Damen suchten über die Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ um eine abgesonderte Vernehmung an. Die Organisation war mit gleich zwei Mitarbeitern während des ganzen Prozesses vor Ort und vertritt auch weiter die Schadenersatzforderungen. Eines der Opfer: „Den Job bei der Bank musste ich aufgeben.“ Nicht nur sie benötigt bis heute Beruhigungstabletten.<BR /><BR />Eine andere Bankangestellte schaffte es kaum den Schwurgerichtssaal zu betreten. Unter eindrücklichen Worten und längeren Pausen beschrieb sie die Todesängste während des Überfalls, die sie bis heute verfolgen: „Eine Laufmündung am Kopf zu haben ist nicht so fein. Mir ist nicht mehr jedes Detail erinnerlich, da ich Todesangst hatte. Als Opfer will man nur überleben und achtet nicht darauf, später ein guter Zeuge zu sein.“ <BR /><BR />Die Psyche des Opfers ist seither derartig angegriffen, dass die Frau allein durch die Gerichtsladung einen traumatischen Rückfall erlitten hatte. Auch eine Kollegin schilderte später Todesangst und zeigte sich schockiert, wie der Täter mit der Waffe am Kopf der Kollegin einen Countdown von 30 heruntergezählt hatte.<h3> Zwei Angestellte erlebten beide Überfälle mit</h3>Eine andere brachte das Kind der gerade vom Bankräuber im Schwitzkasten gehaltenen Kollegin in Sicherheit: „Das Kind hatte Angst um die Mama. Alles hat ja nur kurz gedauert, aber für mich war es eine gefühlte Ewigkeit!“ Zwei der Angestellten in einer Filiale am Innsbrucker Mitterweg hatten besonderes Pech: Sie mussten beide Überfälle auf die Bank persönlich miterleben.<BR /><BR />Als der Erstangeklagte nochmals eine temporäre Amnesie wegen der einst speziellen Art seines Kokainkonsums beklagt hatte, antwortete Richter Hofer noch unter dem Einfluss der gerade gehörten Zeuginnen: „Bevor Sie hier weiter auf die Tränendrüse drücken: Hätten Sie gerade die Zeuginnen gehört, wäre Ihnen bewusst, wie man auch mit nur einer Tat ein ganzes Leben zerstören kann!“ Die Geschworenen berieten ab 15 Uhr über neun Hauptfragen, die ihnen von den Berufsrichtern gestellt worden waren.<BR /><BR />Ein Bekannter des Tschetschenen wurde indes am Montag vom Prozess ausgeschlossen und mit 250 Euro Ordnungsstrafe belegt. Einem aufmerksamen Justizwachebeamten war aufgefallen, dass der Hörer im Saal Anwesende fotografierte. Er musste die Bilder noch im Saal löschen. Richter Hofer bedankte sich beim Justizwachebeamten für Geschworene und Zeugen.