Künftig gilt: Einsatzbereitschaft ist als vollwertige Arbeitszeit zu rechnen. Und das dürfte langfristig auf Kosten der Dienste am Tag gehen. <BR /><BR />Zur Erklärung: Seit Jahrzehnten fahren die Wohnheime gut mit der sogenannten sofortigen Abrufbereitschaft: Neben der eigentlich diensthabenden Nachtschicht ist zusätzliches Personal in der Struktur anwesend, das im Bedarfsfall aktiviert werden kann. Arbeitsrechtlich wird dies als Nebendienst gewertet, für den es eine kleine Vergütung gibt. <h3> „Bei dieser Personaldecke unmöglich“</h3>Am Beispiel der Seeburg in Brixen hieß dies bislang: Eine Person übernimmt die Nachtschicht und macht die Runden durchs Haus. Eine zweite Person ist abrufbereit in der Struktur anwesend. Dafür gibt es in der Seeburg einen eigenen Raum mit Bett und Fernseher. „Sollte Bedarf sein, kann der Diensthabende diesen Mitarbeiter wecken“, erklärt die Leiterin der Seeburg, Carmen Messner. <BR /><BR />„Wenn wir nun zwei Nachtdienste einführen müssen, dann wird es bei dieser Personaldecke unmöglich sein, Dienste wie bisher zu garantieren“, befürchtet sie. Das Problem sind dabei nicht die Kosten, es ist der leer gefegte Arbeitsmarkt. „Wir tun uns ja jetzt schon schwer, Personal für die Wohnstrukturen zu finden“, erklärt Messner. Wenn künftig auch noch häufiger Nachtdienste zu leisten sein werden, mache dies eine Anstellung nicht attraktiver. <BR /><BR />Pro Nacht kommen mit der neuen Regelung zehn Arbeitsstunden hinzu, das macht 70 pro Woche. Also grob gerechnet zwei Vollzeitkräfte. „Die Stunden werden uns am Tag fehlen. Da kann man sich leicht ausrechnen, dass wir nicht mehr dasselbe leisten können wie bisher“, so Messner. <h3> Pamer: „Für die Strukturen ist es eine Katastrophe“</h3>„Schuld“ an diesem Schlamassel ist dabei der Europäische Gerichtshof (EuGH). Denn der hat 2021 geurteilt, dass sofortige Abrufbereitschaft als Arbeitszeit zu werten ist, da sie objektiv und schwerwiegend die Möglichkeit des Arbeitnehmers einschränke, frei über seine Freizeit zu verfügen. „Das hat schon seine Logik“, gibt Soziallandesrätin Rosmarie Pamer zu. Dennoch: „Für die Strukturen ist es eine Katastrophe.“ <BR /><BR />Das Land kommt jedoch nicht aus und musste die arbeitsrechtliche Situation entsprechend mit dem neuen Vertrag ab kommendem Jahr der EuGH-Rechtssprechung anpassen. „Die Strukturen würden jetzt zusätzliches Personal benötigen, das sie nicht haben“, erklärt Pamer. Und das, so ist ihr völlig klar, „hat schwerwiegende Folgen“. „Wir werden uns nun mit den Bezirksgemeinschaften, in der Regel die Träger der Strukturen, treffen und gemeinsam die Spielräume ausloten“, kündigt sie an. <h3> Gewerkschaft: Abwanderung stoppen</h3>Sorgen macht man sich darüber sogar bei der Gewerkschaft AGO, die natürlich „auf der Seite der Bediensteten“ steht. „Es fehlt ja eh schon an Personal, da noch zusätzliche Mitarbeiter zu finden, ist aussichtslos“, schätzt auch deren Obmann Andreas Unterkircher die Lage ein. Entsprechend würde wohl nichts anderes übrig bleiben, als bei den Tag-Turnussen zurückzufahren. <BR /><BR />Es sei denn, man schraube an anderer Stelle, etwa bei Pflegeschlüsseln und Landesstellenplan, oder lege Strukturen und/oder Dienste zusammen. „Aber das Ergebnis wird sein, dass die Arbeitsbelastung für alle steigt und es schwerwiegende Verluste in dem geben wird, was bis jetzt in der Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigung als wohnortnahe Dienste aufgebaut wurde“, befürchtet er. <BR /><BR />Als Gewerkschaft wolle man daher in die Überlegungen eingebunden werden. „Und es wird jetzt noch wichtiger als zuvor sein, die Abwanderung unserer Arbeitskräfte nach Österreich, Deutschland oder auch in die Schweiz zu stoppen, wo man einfach mehr verdient.“