„Man braucht nur in andere Länder zu schauen, um zu sehen, dass Infektionszahlen trotz hoher Durchimpfungsrate steigen können“, sagt der Brunecker Wissenschaftler. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Falk, der Gesundheitslandesrat warnt davor, dass wir nicht sicher ohne Schließungen durch den Winter kommen. Wie konkret ist die Gefahr, von neuerlichen Lockdowns?</b><BR />Markus Falk: Die Politik muss rechtzeitig alarmieren. Man hat klar gesehen, dass man mit dem umgekehrten Ansatz nicht weit gekommen ist. Bei den derzeitigen Zahlen ist die Gefahr neuerlicher Schließungen nicht groß.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="695405_image" /></div> <BR /><BR /><b>Aber zumindest nach einem Parameter wäre Südtirol doch bereits gelbe Zone?</b><BR />Falk: Betrachtet man allein die Belegung der Intensivbetten, wäre Südtirol gelb. Aber für eine Einstufung als Gelbe Zone wird ja auch die Belegung der Betten auf den Covid-Normalstationen herangezogen. Und dort sind wir ein ganzes Stück weit von gelb entfernt. Dafür müssten wir mindestens 75 Covid-Patienten haben. Das ist weder jetzt noch in näherer Zukunft schnell absehbar.<BR /><BR /><b>Also ist Südtirol auf der sicheren Seite?</b><BR />Falk: Für die Einstufung durch Rom ja. Auf europäischer Ebene sieht es anders aus. Da sind wir vor 2 Wochen nur sehr knapp an Rot vorbeigeschrammt. Das hätte zur Folge, dass Länder auch von Geimpften einen negativen Test bei der Rückreise aus Südtirol verlangen könnten. <BR /><BR /><b>Sehen Sie dem Winter eher gelassen entgegen?</b><BR />Falk: Eine Prognose abzugeben ist schwierig, weil wir noch nicht genau wissen, wie lange der Impfschutz anhält. Bei den Risikogruppen wird jetzt mit der dritten Dosis aufgefrischt. Bei der großen Gruppe der über 30-Jährigen sind es im November und Dezember 6 Monate her, dass sie die zweite Dosis erhalten haben. Man weiß, dass die Schutzwirkung nach 6 Monaten abfällt. Geimpfte haben zwar eine Grundimmunisierung, können sich aber nach wie vor infizieren. Es hängt also stark vom Verhalten der Leute ab. Man braucht nur in andere Länder zu schauen, um zu sehen, dass Infektionszahlen trotz hoher Durchimpfungsrate steigen können. <BR /><BR /><embed id="dtext86-50992885_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wie groß ist die Gefahr von Hotspots?</b><BR />Falk: Das Infektionsgeschehen spielt sich derzeit größtenteils im Familienkreis ab. In den allermeisten Fällen geht es von den Kindern aus und wandert dann die Altersgruppen hoch. Auffallend ist, dass wir bei den 20- bis 29-Jährigen, bei denen man aufgrund reger Kontakte die meisten Infektionen vermuten könnte, derzeit eine sehr niedrige Inzidenz haben. Das hängt wohl damit zusammen, dass sich in dieser Altersgruppe inzwischen doch viele haben impfen lassen. <BR /><BR /><b>Das heißt, die Lage im Land dürfte ruhig bleiben?</b><BR />Falk: Noch blocken die Geimpften viel ab. Aber mit nachlassendem Impfschutz wird das Ganze natürlich durchlässiger. Deshalb ist die dritte Dosis jetzt wichtig – nicht so sehr für den Einzelnen, aber zum Schutz für die gesamte Bevölkerung. <BR /><BR /><b>Viele sagen jetzt, bevor ich mir die dritte Dosis impfen lasse, sollen erst einmal die Ungeimpften ihren Beitrag leisten?</b><BR />Falk: Ja diese Gefahr ist gegeben. Umso mehr wäre eine offene Kommunikation wichtig. <BR /><BR /><b>Wie meinen Sie das?</b><BR />Falk: In der Impfpolitik wurden nicht alle Hausaufgaben gemacht – nicht nur in Südtirol, sondern auch anderswo. Auch hier haben wir einen Anteil an Geimpften, denen es nach der Impfung gar nicht gut gegangen ist. Diese Leute wurden allein gelassen. Dass die jetzt vor der dritten Dosis zögern ist klar. Für sie sollte eine Anlaufstelle geschaffen werden. Zudem sollte es für solche Fälle eine Entschädigung geben dafür, dass sie mit der Impfung ihren Beitrag für die Gesellschaft geleistet haben. Diese Menschen kann man nur mit einem Benefit für die dritte Dosis animieren.<BR /><BR /><b>Lassen sich Folgen klar auf die Impfung zurückführen?</b><BR />Falk: Im Einzelfall vielleicht nicht eindeutig. Aber wir wissen, welche Nebenwirkungen nach der Impfung gehäuft auftreten können. Und wenn solche Fälle eintreten, kann man es schon der Impfung zuschreiben. <BR /><BR /><b>Ist es mit der dritten Dosis getan?</b><BR />Falk: Nein. Sollten die Zahlen wieder steigen, wird man wohl all jene aus der Zirkulation nehmen müssen, die das höchste Risiko haben, also die Ungeimpften. In einigen Bereichen werden wir um eine 2G-Regel (geimpft und genesen, Anm. d. Red.) kaum herumkommen. Auch sonst wird es wohl Verschärfungen geben. Ein Lockdown wird angesichts der Anzahl an Geimpften in Südtirol sicher nicht mehr notwendig sein. Aber sollten Inzidenz und Hospitalisierung steigen, wird es wohl gezielt Einschränkungen geben. Wir haben nach wie vor ein Steinchen im Schuh. Eine ganz angenehme Winterwanderung wird es sicher nicht. Die eine oder andere Blase werden wir sicher abbekommen. <BR />