<i>Von Marian Wilhelm</i><BR /><BR /> Im Jahr 1877 versucht der Direktor der Uhrenfabrik im Schweizer Dorf Saint-Imier die Produktion immer weiter zu optimieren – wie die grauen Männer bei „Momo“ mit ihrer gestohlenen Zeit. Seine Manager messen Wegzeiten und die Produktivität der Arbeiterinnen auf die Sekunde genau. Eine ist Josephine Gräbli (Clara Gostynski). Sie ist für die Unruh zuständig, die dem Film seinen wunderbar-passenden Titel gibt: das Rhythmus-Schwingsystem im Uhrwerk.<BR /><BR />Doch in Saint-Imier hat sich auch ein Gegengewicht zum Fabrikdirektor formiert. Denn „Eigentum ist Diebstahl“, wie es auf den Zündholzschachteln im Film geschrieben steht. Saint-Imier ist das weltweit wichtigste Zentrum der anarchistischen Bewegung, mit Kooperativen und publizistischer Tätigkeit, die weit ins Ausland ausstrahlt. Noch heute hat die Gemeinde einen roten Stern im Wappen. Deshalb kommt auch der spätere Vater des Anarchokommunismus Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (Alexei Evstratov) nach Saint-Imier, offiziell um als Geograph eine neue Karte zu erstellen. <BR /><BR />Drehbuchautor und Regisseur Cyril Schäublin, selbst Spross einer Uhrmacherfamilie, baut sich damit eine historisch-filmische Welt aus realen Versatzstücken zusammen, die durchaus fasziniert. Und das obwohl die linke Ideologie wie schon in Julian Radlmaiers „Blutsauger“ großteils Staffage ist. Er lässt die Dorfbewohner aufeinandertreffen und zelebriert die anachronistische Technik von der Uhrmacherei über das Telegraphieren bis zur Porträtfotografie. Damit spielt gewissermaßen der Film selbst mit seinem fotografischen Ursprung schon mit, auch wenn Porträtaufnahmen damals noch einige Sekunden dauern. <BR /><BR />So weit wie Peter Watkins in seinem monumentalen filmischen Reenactment „La Commune“ (Paris, 1871) geht Schäublin nicht, auch wenn das Schauspiel zuweilen theaterhaft wirkt. Eine wirkliche Liebes- oder Filmgeschichte zwischen Josephine und Pjotr und dem Dorf kommt dabei leider auch nicht zustande. Doch das nostalgische Schweizer Flair im schwyzerdütschen und französischen Original geben dem harmlos-utopischen Film einen leichten Ton und angenehmen Rhythmus.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Termin:</b> Filmclub Bozen