Gerissene Schafe, ein erlegter Bär, eine besondere Ausstellung und eine kulinarische Spezialität für die Bozner: Zeitungen im ganzen Land berichteten ausführlich über die spektakuläre Jagd im Jahr 1900 im Sarntal. <BR /><BR /><BR /><i>Von Norbert Parschalk</i>*<BR /><BR /><BR />Die Tageszeitung „Der Tiroler“ berichtete im Juni des Jahres 1900, dass ein Wolf sich „im Gebirge oberhalb Feldthurns, Schalders, Latzfons bis in die Sarnergegend herumtreibe, der unter dem Reh- und Hasenwild bedeutenden Schaden angerichtet haben soll“. Es stellte sich aber bald heraus, dass es sich bei dem Täter um einen jungen Bären handelte, der vom Stubaital aus über Gschnitz und Pflersch ins Sarntal vorgedrungen war. Nachdem das Tier innerhalb kürzester Zeit 27 Schafe gerissen hatte, „machten sich sofort einige kühne Jäger auf, dieses hier so seltenen Wildes habhaft zu werden, doch war alle Mühe bis jetzt vergebens. Einige Zeit spürte man von Meister Petz nichts, obwohl er aus der Gegend nicht verschwunden zu sein schien“, so die Berichterstattung der „Bozner Nachrichten“.<BR /><BR /><BR /><b>Erste erfolglose Treibjagd</b><BR /><BR /><BR />Als der Bär in den Felsgängen unterhalb der Sarnerscharte sein Unwesen trieb, ein paar weitere Lämmer und ein Kalb riss sowie ein Pferd verwundete, sammelten sich in um 4 Uhr morgens laut „Bozner Zeitung“ „gegen 200 Bauern der Gemeinden Sarnthein, Durnholz und Reinswald, sowie das Forstpersonale und die Gendarmerie, um den Räuber zu erlegen. Dieselben erreichten nach sehr beschwerlichen Wegen wiederholt die Fährte des Bären, doch gelang es dem schlauen Burschen, immer sich der Verfolgung zu entziehen und so blieb diese Expedition leider erfolglos“.<BR /><BR /><BR /><b>„Dem zähen Bärenleben wurde ein Ende gemacht“</b><BR /><BR /><BR />Zwei Tage später, am 27. Juni 1900, machten sich erneut 52 Mann von Durnholz auf, „den Störefried zu suchen“. Und diesmal waren die „Sarner Großwildjäger“ erfolgreich. Das „Tiroler Volksblatt“ berichtete: „Heute um ¾11 Uhr vormittags ist es den Reinswalderburschen, die schon seit drei Tagen ihre Umgebung durchstreiften, gelungen, den Bären als Exemplar von 147 cm Länge, 98 Höhe und im Gewichte von 81 Kilogramm auf der Reinswalder-Alpe gegen Latzfons zur Strecke zu bringen. Peter Pfaffstaller, welcher als erster einen gutgezielten Schuss aus einem Hinterladergewehr auf Meister Petz abgegeben, hatte aber noch nicht das Glück, denselben tödlich zu treffen; dazu brauchte es mehrere Kugeln, denn erst die fünfte, hatte dem Leben des jungen, kräftigen Tieres ein Ende gemacht. Um 5½ Uhr abends wurde er auf einem mit Tannenbäumchen und bunten Bändern geschmückten Wagen nach Sarnthein gebracht und kann beim „Maier Graf“ dieser Tage besichtigt werden. Dass der erlegte Meister Petz mit Freuden und Interesse von Hiesigen wie von den Sommergästen begrüßt wurde, das wird wohl niemand bezweifeln.“ <BR /><BR />Die „Bozner Nachrichten“ schrieben voller Begeisterung: „Jedermann hatte hier Gelegenheit, dieses so seltene Wild in der unmittelbaren Nähe zu betrachten, ohne fürchten zu müssen, ein Frühstück für Meister Petz abzugeben.“<BR /><BR /><BR /><b>Bärenausstellung in Bozen</b><BR /><BR /><BR />Am Tag darauf wurde „dieses seltene Jagdstück“ nach Bozen transportiert und im Gasthof „Rosengarten“ zur Besichtigung ausgestellt. „An Zulauf fehlte es natürlich auch hier nicht, denn das Ereignis war bald bekannt, da der Wirt gleich Plakate anschlagen ließ. Die Bauern machten dabei die besten Geschäfte, weil mehr oder weniger ein jeder etwas hergab“, berichtete „ Der Bote für Tirol“.<BR /><BR /><BR /><b>Bärenschmaus beim Frühschoppen</b><BR /><BR /><BR />Am Sonntag folgte dann der große Bärenschmaus. Die „Bozner Nachrichten“: „Der Bär, der auf der Villanderer Alpe jüngst hat sein Leben lassen müssen, wird nun noch zum Tafelschmuck und zur Bestreitung von Tafelfreuden beigetragen. Sein Rücken wird „mit Sauce’ bei einem Frühschoppen-Konzert im Gasthof „Rosengarten“ serviert. Importierte gute Sachen kann man ja immer haben, aber eine Delikatesse, die aus dem nicht unfernen Umkreise der Stadt selbst stammt, und sich Bärenbraten schreibt, ist gewiss etwas Seltenes.“<BR />Die „Bozner Zeitung“ berichtete: „Nicht weniger als drei Küchenchefs erster hiesiger Hotels bemühen sich seit mehreren Tagen in weißer Schürze und mit weißer Mütze um Meister Petz, von welchem als Ergebnis ihrer Kunst der Rücken in pikanter Sauce den Feinschmeckern Bozens vorgesetzt werden soll. – Später soll dann noch „Bärenragout“ und – Gollasch folgen – ein Beweis, was aus einem Bären alles werden kann.“<BR /><BR /><b>Ein mediales Großereignis</b><BR /><BR /><BR />„Der Bär in Tirol“ wurde vor 121 Jahren in der Lokalpresse ein großes mediales Ereignis. Alle Tageszeitungen hielten mit ihrer ausführlichen „Bärenberichterstattung“ die Leserschaft auf dem Laufenden. Nicht nur die geschädigten Bauern, sondern auch die staatlichen Behörden nahmen das wilde Tier als einen gefährlichen Eindringling und Störenfried wahr, der möglichst schnell gewaltsam aus dem Weg geräumt werden sollte. Nachdem die zweite groß angelegte Treibjagd mit Erfolg gekrönt war, wurde das erlegte Tier stolz der Öffentlichkeit in Sarnthein und in Bozen zur Schau gestellt. Sogar das Bärenfleisch wurde von namhaften Bozner Köchen „den Feinschmeckern Bozens“ aufgetischt.<BR /><BR /><BR />* <b>Dr. Dr. Norbert Parschalk,<BR />Zeithistoriker, Geschichtsdidaktiker und Buchautor zur Landesgeschichte Tirols. Derzeit Forscher im Bereich Zeitgeschichte an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen</b><BR />