In einem Gebäude des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja hat es in der Nacht nach russischem Beschuss gebrannt. In Europa wächst nun die Sorge vor möglichen Angriffen auf Atomkraftwerke, die sich im Kriegsgebiet befinden. Wie groß ist aktuell die Gefährdungslage? Und muss jetzt auch die Bevölkerung Vorkehrungen treffen? Die wichtigsten Fragen im Überblick.<BR /><BR /><h3> Wie groß ist aktuell die Gefahr von atomarer Strahlung für Europa?</h3>Radiologische Auswirkungen auf Europa seien nach dem Stand der verfügbaren Informationen „nicht zu befürchten“, versichert das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mit Stand Freitagfrüh auf seiner Webseite. Alle radiologischen Messwerte am ukrainischen Kraftwerk Saporischschja bewegten „sich weiter im normalen Bereich“. Das AKW ist knapp 1900 Kilometer Autofahrt von Berlin entfernt. Das BfS beobachtet nach eigenen Angaben die Lage und informieren über neue Entwicklungen. Die Behörde erklärte zugleich, dass das „Ausmaß der Schäden“ in dem ukrainischen Kernkraftwerk bislang unklar sei. Außerdem sei die Informationslage schwierig: „Aufgrund der Lage sind nur wenige Informationen verfügbar und diese sind schwer zu überprüfen“, schreibt das BfS weiter auf seiner Webseite. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) sieht aktuell mit Blick auf die Atomanlage Saporischschja keine unmittelbare Gefahr eines Atomunfalls.<BR /><BR /><h3> Was kann passieren, wenn ein Reaktor angegriffen wird?</h3>Das kommt darauf an. Ein Beschuss der Anlage müsse nicht zwangsläufig zu einem kerntechnischen Unfall führen, sagt Atomtechnik-Experte Sebastian Stransky von der GRS. „Damit es zu einem solchen Unfall kommt, muss das Kühlsystem beschädigt sein.“ Die sicherheitstechnisch wichtigen Anlagen seien in geschützten Gebäuden untergebracht. „Sie würden einem Beschuss durchaus standhalten können, das hängt allerdings auch von der Schwere des Beschusses ab.“ Der Reaktor selbst werde von einer Stahlbetonhülle geschützt, der einen Absturz eines kleinen Flugzeugs aushalten könne. „Selbst wenn er beschädigt ist, bedeutet das nicht automatisch, dass es zu einem kerntechnischen Unfall kommt.“ Erst wenn dauerhaft der Strom ausfallen würde und das gesicherte Kühlwassersystem versagte und auch sämtliche Notstromaggregate ausfallen würden, würde es letzten Endes zu einem Ausfall der Nachkühlung kommen. Dies könne zu einer Kernschmelze führen.<BR /><BR /><h3> Wie sicher sind die ukrainischen Kernkraftwerke?</h3>Atomtechnik-Experte Stransky betont, dass in den vergangenen Jahren viel für die Erhöhung der Sicherheit in den ukrainischen Anlagen getan wurde. Weitere Nachrüstprogramme liefen. Die Ukraine habe nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima freiwillig an einem Stresstest für die Kernkraftwerke in der EU teilgenommen. „Auf der Basis der Ergebnisse wurden Aktionspläne erarbeitet, in denen sicherheitserhöhende Maßnahmen verpflichtend festgeschrieben wurden.“<BR /><BR /><h3> Wie gut lässt sich die Gefahr für Europa durch einen möglichen Angriff auf ein Atomkraftwerk in der Ukraine einschätzen?</h3>Da es Angriffe auf Atomkraftwerke in der Geschichte bislang nicht gegeben hat, sind Prognosen schwierig und aktuell mit großer Unsicherheit verbunden. <BR /><BR /><h3> Was tun die Behörden – etwa in Deutschland aktuell?</h3>Die Experten auf der ganzen Welt befinden sich in engem Austausch mit der ukrainischen Regierung und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erklärte am Freitag, soweit es Hinweise auf erhöhte Radioaktivität gebe, gehe man diesen Hinweisen nach. Nach Angaben des BfS werden sämtliche Messeinrichtungen in Deutschland regelmäßig überwacht. Im Alltag liefern die circa 1700 Messsonden und weitere Messnetze laufend Daten über die Radioaktivität in der Umwelt.<BR /><BR /><h3> Welche Vorkehrungen gibt es für den Fall von hoher Strahlenbelastung?</h3>In Europa halten viele Staaten Vorräte an Jodtabletten. Sollte ein Ereignis eintreten, bei dem radioaktives Jod in der Luft zu erwarten ist, übernehmen die Katastrophenschutzbehörden die Verteilung der Tabletten in den möglicherweise betroffenen Gebieten. Die Einnahme von Jodtabletten schützt dabei ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, nicht vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe.<BR /><BR /><h3> Wie sollten sich die Bürger in der jetzigen Lage verhalten?</h3>In Südtirol betreibt das Labor für Luftanalysen und Strahlenschutz ein automatisches Überwachungsnetz zur Kontrolle der Radioaktivität im Freien. Messstationen sind in Bozen, Bruneck, Brixen, Kurtinig, Latsch und am Ritten installiert. Die aktuellen Werte sind über Internet abrufbar ( <a href="https://umwelt.provinz.bz.it/strahlung/radioaktivitaet.asp" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">hier geht es zur Seite</a>). <BR /> Wovon die Behörden aktuell dringend abraten, ist die anlasslose Einnahme von Jodtabletten. „Eine Selbstmedikation mit hoch dosierten Jodtabletten birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinen Nutzen“, schreibt das BfS.<BR /><BR /><BR />