<b>STOL: Herr Dr. Franzoni, die Zahl der Neuinfizierten steigt wieder deutlich an. Auch die Krankenhauseinweisungen haben in der vergangenen Woche um 36 Prozent zugelegt. Wie bewerten Sie die aktuelle Coronalage in Südtirol?</b><BR />Dr. Patrick Franzoni: Dass die Coronazahlen wieder ansteigen würden, war zu erwarten. Nun ist dieser Anstieg sogar etwas später eingetreten, als zunächst angenommen wurde. Die Lage in Südtirol ist ähnlich wie in anderen italienischen Regionen und Ländern Europas, wo derzeit überall die Zahlen nach oben gehen. Ein wichtiger Faktor für den Anstieg der Coronainfektionen in Südtirol war sicherlich der Schulbeginn vor rund einem Monat: Damit hatte das extrem ansteckende Virus – ein Infizierter kann bis zu 20 Personen anstecken – die Möglichkeit sich schnell und breit in der Bevölkerung auszubreiten. Dazu kommen kältere Temperaturen, das Leben verlagert sich wieder mehr in die Innenräume, wo die Maskenpflicht weitestgehend wieder aufgehoben wurde. Das erhöht natürlich die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Virus zu infizieren. Momentan können nur einen Bruchteil der tatsächlichen Infektionen erfassen, weil viele Menschen, die Symptome aufweisen, von einer offiziellen Testung absehen und sich nur mit selbst gekauften Tests Gewissheit über eine Coronainfektion verschaffen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-56352633_quote" /><BR /><b><BR />STOL: Seit dem 7. März mussten nicht mehr so viele Covid-Patienten im Krankenhaus betreut werden. Woran liegt das?</b><BR />Dr. Franzoni: Man kann nicht sagen, dass das Virus plötzlich wieder gefährlicher geworden ist. In den meisten Fällen ist nicht das Coronavirus der ausschlaggebende Grund, warum die Patienten medizinische Betreuung im Krankenhaus benötigen. Meist handelt es sich bei den Covid-Patienten, die derzeit im Spital liegen, um ältere Personen, die bereits an verschiedenen anderen Krankheiten leiden. Kommt dann zum gesamten Krankheitsbild noch eine Coronainfektion mit starkem Husten und Fieber dazu, sorgt das natürlich dafür, dass diese Menschen eher ärztliche Betreuung im Krankenhaus brauchen. Zudem haben viele der Patienten keine 4. Boosterimpfung vorgenommen und keinen ausreichenden Schutz mehr gegen Covid-19.<BR /><BR /><b>STOL: Wie kommen die Spitäler mit der neuerlichen Last durch Covid-Patienten zurecht ?</b><BR />Dr. Franzoni: Die Situation ist nicht dramatisch, man sollte sie allerdings auch nicht verharmlosen. Vor allem organisatorisch stehen die Krankenhäuser vor einer großen Herausforderung: Patienten, die mit dem Coronavirus infiziert sind, müssen von den anderen Patienten isoliert werden. Ärzte, Pfleger und alle, die diese Patienten betreuen, müssen besondere Schutzvorkehrungen treffen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-56352638_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Wie blicken Sie auf die nahenden Herbst- und Wintermonate?</b><BR />Dr. Franzoni: Auf diese müssen wir uns vorbereiten und das kann jeder ganz konkret tun: Die Risikopatienten sollten so schnell wie möglich die 4. Impfung vornehmen. Zusätzlich empfehlen wir weiterhin Masken zu tragen, überall dort wo es zu Menschenansammlungen kommt – auch wenn keine Pflicht dazu besteht. Die Auffrischungsimpfung ist seit kurzem für die gesamte Bevölkerung ab 12 Jahren geöffnet. Bei dieser Boosterimpfung wird nur Impfstoff von Pfizer verabreicht, der auf die Varianten BA.4 und BA.5 angepasst ist. Das ist der am besten angepasste Impfstoff, der derzeit zur Verfügung steht. Daten aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass sich dort bereits weitere neue Mutationen ausbreiten. Daher ist es wichtig, dass so viele Menschen wie möglich „auf dem letzten Impfstand sind“, um gut durch den Winter zu kommen. Die Impfung schützt zwar nicht grundsätzlich vor einer Infektionen, sehr wohl jedoch vor einem schweren Verlauf; in den ersten Monaten verringert sie das Ansteckungsrisiko beträchtlich. Das ist wichtig, wenn wir an die vielen Personen denken, die in sensiblen Bereichen – in Spitälern, in der Pflege, Ordnungskräfte, Lebensmittelindustrie – arbeiten. Wenn sich in diesen Bereichen viele Arbeitskräfte zugleich mit dem Coronavirus infizieren, kann das für das Funktionieren der Gesellschaft eine große Gefahr darstellen. Deshalb ist es wichtig, sich jetzt mit der Impfung zu schützen.