Bozen hat seit der Stichwahl vom Sonntag mit Claudio Corrarati (57) erstmals einen Bürgermeister aus dem italienischen Mitte-rechts-Lager.<BR /><BR /> Im ersten Interview nach der Amtseinführung spricht Corrarati über die Koalitionsverhandlungen, darüber, ob die Stadt angesichts des knappen Wahlausganges gespalten ist, und wie er über die deutschsprachige Wählerschaft in Bozen denkt.<BR /><BR /><BR /><b>Herr Bürgermeister, wann beginnen die Koalitionsverhandlungen?</b><BR />Claudio Corrarati: Die vier Parteien meines Mitte-rechts-Bündnisses werden heute Abend (gestern; Anm. d. Red.) das Wahlergebnis analysieren, um mit Daten in der Hand mit der SVP zu reden, die unser erster Ansprechpartner sein wird. Dabei geht es darum, was die Volkspartei über unser Programm für Bozen, über unsere Vision für die Stadt denkt. Ein zweiter möglicher Partner ist die Liste Gennaccaro, mit der wir ebenfalls sprechen werden. Wir haben 30 Tage Zeit, um eine Koalition zu bilden, aber es ist besser, keine Zeit zu verlieren. Denn auch das ist ein Signal. In den kommenden zwei Wochen wollen wir konkret und pragmatisch sein. <BR /><BR /><BR /><b>Wann wird es erste Gespräche geben?</b><BR />Corrarati: Beim Treffen heute Abend werden wir die Termine planen. Ich gehe davon aus, dass es in den kommenden Tagen, wahrscheinlich innerhalb dieser Woche, möglich sein wird, ein erstes Treffen zu vereinbaren.<BR /><BR /><BR /><b>Wie groß soll die Stadtregierung sein?</b><BR />Corrarati: Dafür ist es noch zu früh. Wir werden mit den Parteien reden, auch was die Kompetenzen betrifft. Mir ist wichtig, von Beginn an starke Wurzeln zu schlagen, um in der Koalition einen Pakt der Zusammenarbeit und des Vertrauens für die kommenden fünf Jahre zu schaffen. Natürlich bedeutet eine breite Koalition mit vielen Gemeinderäten, dass eine Stadtregierung stabiler ist. Aber in den Koalitionsverhandlungen geht es um die Vision für Bozen, nicht um Zahlen. <BR /><BR /><BR /><b>Sie haben die Wahl mit 51 Prozent der Stimmen gewonnen. Ist die Stadt gespalten?</b><BR />Corrarati: Diese Aussage stammt nicht von mir, sondern von Juri Andriollo, der das am Wahlabend so gesagt hat. Klar ist, dass die Wahlbeteiligung sehr niedrig war. Das ist das Ergebnis einer Politik, die zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, wie auch jemand aus dem Mitte-links-Lager jetzt betont hat. Die Stadt ist nicht gespalten, aber viele Menschen gehen nicht mehr zur Wahl. Das ist nicht nur hier so, sondern auch im Ausland, gibt aber sehr zu denken. Die Tatsache, dass es in Südtirol nur in Bozen und in Branzoll zwei Bürgermeister italienischer Muttersprache gibt, bedeutet, dass etwas nicht funktioniert. Deshalb ist es nötig, mehr mit den Menschen zu reden. Wir möchten alle gesellschaftlichen Gruppen einbeziehen. Bozen ist nicht durch die Wahl gespalten, sondern in seiner Vorstellung. Einige Stadtviertel sind schwächer, deshalb müssen wir ein Gleichgewicht (Anm. d. Red.: Corrarati hat das Interview auf Italienisch geführt und hier das deutsche Wort „Gleichgewicht“ verwendet) finden. Ich möchte für die gesamte Stadt arbeiten, auch damit die Menschen in fünf Jahren wieder wählen gehen.<BR /><BR /><BR /><b>Wie beurteilen Sie Ihr Ergebnis in der deutschen Wählerschicht?</b><BR />Corrarati: Die Viertel Zentrum, Bozner Boden und Rentsch haben klar für Andriollo gestimmt. (Anm. d. Red.: 60,99 Prozent). Ich möchte verstehen, warum. In der deutschen Wählerschaft gibt es noch immer gewisse Sensibilitäten, und ich respektiere das. Ich möchte, dass diesbezüglich Gelassenheit einkehrt, ich habe eine Kampagne im Zeichen der Moderation geführt. Ich möchte den Dialog mit denjenigen in der deutschsprachigen Bevölkerung wieder aufnehmen, die Ängste haben.<BR /><BR /><BR /><b>Wo sehen Sie Ihre Stärken?</b><BR />Corrarati: Ich war immer ein guter Kommunikator, was wichtig ist, um Dinge gut zu erklären. Und die Stadtgemeinde muss besser kommunizieren. Es geht auch darum, miteinander zu reden, aber nicht nur über soziale Medien.<h3> Claudio Corrarati im Kurzporträt</h3>Claudio Corrarati, geboren am 8. Juli 1967 in Bozen, ist verheiratet, Vater zweier Töchter und lebt mit seiner Familie in Bozen. Nach der Matura an der Bozner Gewerbeoberschule „Galileo Galilei“ im Jahr 1986 arbeitete er von 1986 bis 1993 als Elektrotechniker bei SIP (später Telecom Italia). <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1167075_image" /></div> <BR /><BR />Von 1993 bis 1996 war er beim TÜV Südtirol-Italien als Verantwortlicher für den Bereich Arbeitssicherheit tätig; nachdem er sich in diesem Bereich weitergebildet hatte, machte sich Corrarati im Jahr 1997 selbständig und gründete das Unternehmen MC System, das im In- und Ausland Betriebe und Institutionen im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz berät; er ist alleiniger Geschäftsführer des Unternehmens. Seit 2001 ist Corrarati zudem alleiniger Geschäftsführer der Firma R.P.S. Trentino Südtirol, dies technische Prüfungen anbietet. Seit 2003 ist er auch technischer Direktor beim Unternehmen Boden Service, das auf Industrieböden und Fundamentarbeiten spezialisiert ist. <BR /><BR />Corrarati war über 15 Jahre lang, bis zum 1. März 2025, Präsident des regionalen Interessensverbandes für Handwerker und kleine und mittlere Unternehmen CNA („Confederazione Nazionale dell'Artigianato e della Piccola e Media Impresa“). Ab 2010 und bis Ende Februar 2025 fungierte er auch als Präsident des Paritätischen Komitees im Bauwesen des Landes Südtirol, als Vizepräsident der Messe Bozen und als Vizepräsident der Garantiegenossenschaft für kleine und mittlere Unternehmen Garfidi. <BR /><BR /> Darüber hinaus ist Corrarati Vizepräsident des Fußballclubs Virtus Bozen, mit dem er ein Projekt gegen Mobbing initiiert hat, Mitglied im Verwaltungsrat des Teatro Cristallo in Bozen und Vizepräsident des „Coro Associazione Nazionale Alpini Piani“. Corraratis soziales Engagement erstreckt sich auch auf das Bozner Gefängnis, wo er Inhaftierten Bildungsangebote zum Thema Unternehmertum gegeben hat. Privat fährt der 57-Jährige Rad und verbringt seine Freizeit in den Bergen und am Meer. Als Schwäche bezeichnet Corrarati seine Neigung, „Dinge sofort erledigen zu wollen“, als Stärken nennt er „Zielstrebigkeit, Großzügigkeit und die Fähigkeit zuzuhören“.