Zugleich sagt sie auch, wie es gelingen kann, den destruktiven Kreislauf einer schädlichen Angewohnheit zu durchbrechen und in sein Gegenteil zu verwandeln – in eine Positiv-Spirale. <BR /><BR /><BR /><b>Frau Fischnaller, etwa jeder fünfte Südtiroler raucht, obwohl er weiß, dass es ihm schadet. Warum?</b><BR />Sonia Fischnaller: Ja, ein triftiger Grund besteht nun mal darin, dass es sich um eine Sucht handelt. Die gewöhnt man sich nicht so leicht ab. Außerdem wird beim Rauchen im Gehirn Dopamin ausgeschüttet, also das Belohnungszentrum aktiviert. Noch dazu verbindet man mit dem Rauchen viele Momente des Alltags, etwa Ausgehen, Kaffeetrinken, sich mit Freunden treffen oder einfach mal Pause machen. Diese Momente kann man sich ohne Zigarette fast nicht vorstellen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1173393_image" /></div> <BR /><b>Die Schockbilder auf den Packungen und die vielen Kampagnen verfehlen also ihre Wirkung?</b><BR />Fischnaller: Nun, viele Menschen verbinden mit dem Rauchen noch immer ein Gefühl von Freiheit, Coolness und Draufgängertum. Genau diese Gefühle wurden früher von der Tabakindustrie gepusht. Dabei bewirkt Rauchen doch das exakte Gegenteil: Man wird unfrei und ist oft mit dem Gedanken beschäftigt, wann man sich die nächste Zigarette anzünden kann.<BR /><BR /><b>Außerdem ist Rauchen heute wohl auch längst nicht mehr so cool wie noch vor Jahren. Um den Kontext ein wenig auszuweiten: Warum entwickelt der Mensch so viele Verhaltensweisen, die ihn schädigen – Stichwort schlechte Ernährung, Stichwort mangelnde Bewegung?</b><BR />Fischnaller: Hierbei haben wir es mit grundlegenden Dingen zu tun, beispielsweise mit oftmals fehlenden Rollenbildern. Für einen gesunden Umgang mit dem eigenen Körper und die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit sind die Eltern bzw. die Familie der ausschlaggebende Faktor. Die eigene Familie ist sozusagen der beste präventive Faktor, leider gerät aber das Modell der Familie immer stärker unter Druck.<BR /><BR /><b>Inwiefern?</b><BR />Fischnaller: Die gesellschaftlichen Tendenzen machen es der Familie und den Rollenbildern zunehmend schwer. Hauptsächlich denke ich dabei an die mangelnde Zeit füreinander. Die Zeit, die man in eine gute funktionale Beziehung in der Familie investiert, ist die allerbeste Prävention. Der Mensch kommt als Beziehungswesen auf die Welt, viele psychische Probleme und Süchte gehen auf dysfunktionale Beziehungsregulation zurück. <BR /><BR /><b>Wie kann es dennoch gelingen, schädigendes Verhalten abzulegen, womöglich gar Süchte zu besiegen?</b><BR />Fischnaller: Den schlechten Gewohnheiten liegen wie bereits geschildert Automatismen im Alltag zugrunde. Durchbrechen kann man sie durch gezieltes Bewusstsein, indem man also sich die Realität klar vor Augen hält und nicht länger Ausreden findet oder die Dinge hinausschiebt. Hilfreich für diesen ersten Schritt ist oftmals ein dramatisches Erlebnis, eine gesunde Watsch'n, um es mal drastisch zu sagen.<BR /><BR /><b>Eine gesunde Watsch'n? Was meinen Sie damit?</b><BR />Fischnaller: Wenn der Arzt klipp und klar sagt, dass die Lunge oder das Gehirn das schädliche Verhalten nicht mehr lange mitmachen wird oder wenn uns eine Krankengeschichte im persönlichen Umfeld zu denken gibt, dann ist das oft ein heilsamer Schock. Man wird sich der Gefahr bewusst, man spürt die bedrohliche Nähe. Plötzlich gelingt es dann Menschen, ihr schädliches Verhalten von einem Tag zu anderen zu verändern – sie lassen das Rauchen oder sie stellen ihre Ernährung um oder sie beginnen mit Sport. Das habe ich schon mehrfach beobachten können. <BR /><BR /><b>Lässt sich ohne diesen heilsamen Schock nur wenig ausrichten?</b><BR />Fischnaller: Doch, es genügt eigentlich ein Gedankenexperiment. Man sollte sich ausmalen, wie sich ein Leben ohne Sucht bzw. ohne schädliches Verhalten anfühlen würde. Zweifellos verfügt man dann über dann über mehr Lebensenergie und mehr Freiheit. Das stärkt den Selbstwert. Wenn man es beispielsweise schafft, mit dem Rauchen aufzuhören, darf man stolz auf sich sein. Dann traut man sich womöglich auch andere wichtige Schritte zu, sodass eine positive Spirale in Gang gesetzt wird – also genau das Gegenteil eines destruktiven Kreislaufes.<BR /><BR />Interview: Alex Zingerle