„Wenn Wetterereignisse um ein Mehrfaches so stark auftreten wie in der Vergangenheit, dann nützen auch die Verbauungen nichts mehr“, warnt Prof. Kaser im Interview mit s+.<BR /><BR /><b>Wie wird sich der Klimawandel in Südtirol in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auswirken?</b><BR />Prof. Georg Kaser: Extremereignisse wie Hitzewellen werden mit Sicherheit wiederkommen – jedes Jahr, und diese Hitzewellen werden länger und heißer werden. Man wird sich irgendwie dagegen schützen müssen. Niederschlag-Ereignisse werden noch stärker ausfallen. Katastrophen wie auf Ischia, im Stubaital oder im Ahrtal können auch in Südtirol ganz leicht auftreten. Je nach Wetterlage ist Südtirol durchaus exponiert. Man weiß nicht, wann und wo diese Niederschlag-Ereignisse auftreten werden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass auch Südtirol betroffen sein wird von solchen Ereignissen, wird mit jedem Tag größer. Weltweit werden wir zunehmend große Flüchtlingsströme sehen, die bereits ansetzen, zunehmend wird es Überschwemmungen in großem Ausmaß geben, ebenso Hitze- und Dürreperioden, und damit Hungersnöte.<BR /><BR /><b>Wie hat sich das heurige Jahr auf die Gletscher ausgewirkt?</b><BR />Kaser: Wir haben einen massiven Gletscherverlust von 3,5 bis 4 Metern Wasserhöhe gemessen. Das ist bei Weitem der größte Gletschermassenverlust pro Flächeneinheit, den wir z. B. am Hintereisferner in den Ötztaler Alpen in 70 Jahren gemessen haben. Der bisherige Rekord war etwas weniger als 3 Meter – im Jahr 2003. Dieser Gletscherverlust hat im vergangenen August in der Etsch an der Töll sogar 30 Prozent des Abflusses ausgemacht und damit die Auswirkungen der Trockenheit abgeschwächt. Bald werden das die schwindenden Gletscher nicht mehr beitragen können. <BR /><BR /><b>Wie würden Sie das heurige Jahr in Südtirol charakterisieren?</b><BR />Kaser: Es war sicher ein sehr extremes Jahr, es liegt aber im Trend, genau, wie man es seit 20 bis 30 Jahren vorhergesagt hat und jetzt wird es schlagend. Das heißt nicht, dass in jedem nächsten Jahr ein weiterer Rekord folgen wird, aber der Trend geht in diese Richtung. Es wird noch wärmer und zum Teil trockener werden. Und die Extremereignisse werden zunehmen. Niederschlags-Ereignisse können 1,5 Mal oder 2 Mal so stark ausfallen wie bisher.<BR /><BR /><b>Wie kann Südtirol seinen notwendigen Beitrag zur Eindämmung des globalen Klimawandels leisten?</b>Kaser: 44 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen in Südtirol werden vom Transport verursacht, davon etwa ein Drittel durch die Brennerautobahn, der Rest sind außerstädtischer und städtischer Verkehr. Sehr viel Verkehr ist hausgemacht, sehr viel macht der Schwerverkehr aus. Der Verkehr – die Mobilität – ist Südtirols größtes Inhouse-Problem. Zudem importieren wir durch unseren Konsum viel Kohlendioxid-Emissionen von Produzenten, die weltweit produzieren. Wir werden diese Punkte dramatisch senken müssen und wir müssen Energieformen ersetzen. Weil dies in so kurzer Zeit nicht möglich ist, wie es notwendig wäre, werden wir den Energiekonsum schnell sehr stark reduzieren müssen.<BR /><BR />