„Soll ich wie Pontius Pilatus meine Hände in Unschuld waschen und abwarten, was passiert? Das ist nicht meine Art. Ich muss meine Furcht thematisieren“, sagt Dekan Pitscheider. <BR /><BR />Seit Monaten gibt es im Tale Bestrebungen, in Wolkenstein eine so genannte „Kapelle der Ewigen Anbetung“ zu öffnen, und recht rührig werben die Befürworterinnen (neben einigen Frauen gibt es auch einen einzelnen Mann) für das Vorhaben. Wer indes alles mit extremer Skepsis sieht, das ist Dekan Vijo Pitscheider, der sogar von einer Gefahr spricht.<BR /><BR />„Es ist heute so, dass die Pfarreiangehörigen ihren religiösen Geschmack digitalisieren: Nicht mehr die Angebote der Pfarrei, des Pfarrgemeinderats, der Pfarrgruppen sind interessant, sondern man holt sich im Internet die passenden Texte, passende Predigten und bastelt sich eine individuelle Religiosität zusammen“, meint Pitscheider, der auch auf zwei ganz offensichtliche Kontraste hinweist: Zum einen die Touristik-Hochburg Gröden mit klaren Anzeichen an Overtourism, zum anderen eine Kapelle, wo auserwählte Personen in Anbetung verharren. Dazu auch die Schließung von Kloster Säben und die Eröffnung einer Anbetungskapelle in Wolkenstein.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="895097_image" /></div> <BR /><BR />„Es scheint so, dass diesen ,Schönen Seelen', wie ich sie bezeichne, die religiöse Speisekarte nicht mehr schmeckt, das Normale reicht ihnen nicht mehr, und sie suchen eine Flucht in die Anbetung, die für diese Menschen absolute Priorität hat“, sagt der Dekan. Doch dadurch werde das Pfarrleben auseinandergerissen, die Gruppe sei in ihrer Autarchie auch radikal, verspreche „Wunder, die bald geschehen werden“ und distanziert sich immer mehr vom „normalen“ Christen, der neben der Kirche auch andere Aspekte des Lebens kennt.<BR /><BR />Dazu Vijo Pitscheider: „Wenn am Ende eines Gottesdienstes der Zelebrant das Wort ,Ite missa est' spricht, so ist dies eigentlich auch ein Auftrag, in die Welt hinauszugehen und nach christlichen Werten zu leben, nicht in einer starren Anbetung zu verharren, die fast schon Selbstzweck ist.“<BR /><BR />Die Idee für die Kapelle in Wolkenstein wurde von einigen Personen, die in Italien unterwegs waren, nach Gröden importiert, und der Dekan wurde regelrecht überrumpelt. „Man hatte mich gefragt, ob ich es erlauben würde, dass ein bestimmter Prediger zu uns käme. Sollte ich das verneinen? Habe ich das Recht dazu? Doch dadurch fühlten sich wohl einige ermutigt, ihren Plan umzusetzen und so zu tun, als würde ich hinter allem stehen. Das ist aber nicht so.“<BR /><BR /><embed id="dtext86-59500073_quote" /><BR /><BR />Auf die Frage, wieso denn dann verschiedene Aufrufe im Pfarrblatt erscheinen, antwortet Pitscheider lapidar: „Ich habe darauf keinen Einfluss, das macht eine selbstständige Gruppe.“<BR /><BR />Die Befürworterinnen der „Ewigen Anbetung“ (die Kapelle sollte rund um die Uhr zugänglich sein, jemand sollte immer da sein) argumentieren mit dem Thema, man dürfe Jesus im Tabernakel nicht einschließen und niemals alleine lassen. Zugleich werfen sie dem Dekan vor, er habe „leider“ Sozialwissenschaften studiert und nicht Spiritualität, sei demnach auch zu wenig „richtig gläubig“.<BR /><BR />Das tut dem Kirchenmann sichtlich weh, denn er sieht als Pfarrer und Dekan die Realität Grödens ganz anders. „Diese Aktionen führen zur Entfremdung, stiften Verwirrung und sind alles andere als gegenwartssensibel. Eine Individualisierung des religiösen Lebens ist nicht zielführend. So kann sich jeder eine Religion nach dem eigenen Geschmack zusammenbasteln, und das ist fatal. Die Momente der Gemeinschaft, wo man spürt, dass die Menschen im Geiste Christi füreinander da sind, gehen komplett verloren. Denn wenn es um offizielle Initiativen unserer Pfarrgruppen geht, sind diese Personen nicht dabei, sie kochen lieber ihre eigene Suppe. Doch ich bin überzeugt, dass man zum echten Glauben, der auch den Menschen konkret im Leben helfen kann, nur durch Gemeinschaft kommt.“<h3> Frauen im Schleier</h3>So wird z. T. von den Promotoren der Initiative auch verlangt, Frauen sollten sich im Kirchenraum verschleiern oder gar in Nonnenkleidern auftreten, um ihre besondere Hingabe auch nach außen zu tragen. Wie dies in der heutigen Welt vermittelbar ist, sei dahingestellt.<BR />Dass sich der Dekan aufgrund der vorpreschenden Art der Gruppierung große Sorgen um die gesamte Kirchengemeinde macht, ist verständlich. Und er sagt auch dazu: „Soll ich wie Pontius Pilatus meine Hände in Unschuld waschen und abwarten, was passiert? Das ist nicht meine Art. Ich muss meine Furcht thematisieren.“ <BR /><BR />Dabei hofft Dekan Pitscheider auch auf Unterstützung durch die Christinnen und Christen, die gegenwartsbezogen und konkret in der Pfarre und im Dekanat wirken wollen. „Zuerst hat man absurderweise die Kirchen zugesperrt, und dadurch haben wir viele Menschen verloren. Jetzt maßen sich die schönen Geister an, bessere Christen – oder auch Christen auf der Überholspur – zu sein. Einen halbwegs ,normalen' Menschen kann man dadurch wohl nicht ansprechen. Und das wird letztlich noch mehr Menschen entfremden.“<BR />