<i>Interview: Verena Stefenelli</i><BR /><BR /><b>STOL: Knapp ein Prozent der fast 350.000 beim Massen-Screening Getesteten haben ein positives Ergebnis erhalten. Haben Sie damit gerechnet?</b><BR /><BR />Bernd Gänsbacher: Ich habe mich in meinem Leben immer auf Erfahrungswerte verlassen. Deshalb habe mir in meinem Data-Pool etwas Vergleichbares angeschaut und das waren die Massentests in der Slowakei. Dort wurde zunächst am Wochenende vom 2. November getestet. Da gab es bei 3,6 Millionen durchgeführten Tests 37.000 Positive, was etwa 1,0 Prozent entspricht. Was die Slowakei sehr gut gemacht hat: Sie hat eine zweite Massentestung bereits eine Woche später durchgeführt, also am Wochenende vom 9. November. Da wurden noch einmal 20.000 (wieder hauptsächlich asymptomatisch) Positive herausgefischt, was einem Wert von circa 0,4 Prozent entspricht. <BR /><BR /> <div class="embed-box"><div class="apester-media" data-media-id="5fbb98a3945870eaee2436f4" height="405"></div><script async src="https://static.apester.com/js/sdk/v2.0/apester-javascript-sdk.min.js"></script></div> <BR /><BR /><BR /><b>STOL: Sie haben also das Ergebnis in der Slowakei auf Südtirol heruntergerechnet?</b><BR /><BR />Gänsbacher: Ja, genau. Die 3,6 Millionen Getesteten in der Slowakei dividiert durch 6 entsprechen der Bevölkerungszahl Südtirols. Und am 30. Oktober gab es in der Slowakei 3600 Neuinfektionen, dividiert durch 6 ergibt 600. Und das ist genau die Zahl der Neuinfektionen, die es in Südtirol gab. Das Verhältnis von Infizierten in der Bevölkerung ist also fast identisch mit jenem in Südtirol. Unter der Annahme, dass es sich um ein und dasselbe Virus handelt und es sich um ein und dieselbe Spezies Mensch handelt, habe ich gewusst, dass man in Südtirol ein sehr ähnliches Bild nach den Massentests sehen wird wie in der Slowakei. <BR /><b><BR /><BR />STOL: Diese Antigentests gelten ja als weniger genau als die PCR-Tests, man spricht von einer Fehlerquote von etwa 10 Prozent. Deshalb stehen die Massentests teils auch in der Kritik, weil es sowohl falsch positive als auch falsch negative Ergebnisse geben kann. Warum war oder ist es dennoch eine gute Idee, diese Massentests durchzuführen?</b><BR /><BR />Gänsbacher: Natürlich gibt es, wie bei jedem medizinischen Test, auch hier einige falsche Ergebnisse. Dennoch ist dieser Test wertvoll. Warum? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn ich in einem Hochhaus lebe, in dem 1000 Menschen wohnen, und ich weiß, dass 100 Menschen einen gefährlichen Virus in sich tragen und jemand bietet mir einen Test an, bei dem alle durchgetestet werden, dann mach ich das. Denn wenn man auch nur 80 dieser 100 Virusträger rausfischt, und vielleicht noch mal 10 davon falsch positiv oder falsch negativ sind, ist es immer noch besser, als wenn die 100 weiter herumlaufen und andere Leute infizieren. Da wählt man doch eindeutig das Szenario mit dem Test, auch wenn er nicht 100 Prozent genau ist. <BR /><BR />Natürlich werden von den jetzt am Wochenende 3140 positiv Getesteten einige falsch Positive drunter sein und auch einige falsch Negative wird es geben, für das große Ganze spielt dies aber kaum eine Rolle. Denn auch, wenn einige falsch negativ Getestete weiter herumlaufen, mindestens 3000 Infizierte haben wir aus dem Verkehr gezogen. Essentiell ist sowieso weiterhin, dass wir auf die Hygiene- und Abstandsregeln achten und und die Maskenpflicht und sonstige Regeln einhalten. <BR /><BR /><b><BR />STOL: In der Slowakei hat man ja 2 Mal getestet und beim zweiten Durchgang wieder sehr viele Positive herausgefischt. Wäre das auch in Südtirol ratsam?</b><BR /><BR />Gänsbacher: Ja, auf jeden Fall. Die Wertigkeit des Antigen-Tests liegt nicht so sehr darin, dass man ihn einmal verwendet und dann eine Aussage macht, sondern er ist ideal für wiederholte Testungen. Der Antigen-Test ist eine wunderbare Waffe im Kampf gegen das Virus, allerdings nur, wenn er so eingesetzt wird, dass er auch wirkt. Ideal wäre eine zweite Massentestung an der Südtiroler Bevölkerung und ihn 2 Mal wöchentlich in den Schulen einzusetzen, in den Altersheimen usw. So könnte man 90 Prozent der Positiven herausfischen.<BR /><BR /><b>STOL: Zum Abschluss noch eine Frage, die viele Bürger und STOL-Leser beschäftigt: Warum sind bei dieser Massentestung nur 0,9 Prozent der Teilnehmer positiv getestet worden, bei den täglichen PCR-Test sind es oft bis zu fast 30 Prozent?</b><BR /><BR />Gänsbacher: Das ist ganz einfach zu erklären: Viele Menschen, die in den vergangenen Wochen mittels PCR-Test positiv getestet wurden, sind bereits vorher bei einem Antigentest positiv getestet worden. Und wenn ein Antigentest positiv ist, dann ist es klar, dass auch der PCR-Test positiv ausfällt. Dadurch ergibt sich auch dieser hohe Anteil an positiv Getesteten bei den PCR-Tests. Man darf jene Bürger, die täglich vom Sanitätsbetrieb neu getestet werden, nicht vergleichen mit den Menschen, die zum Massentest gehen. In der Sanität werden hauptsächlich Verdachtsfälle – symptomatische Patienten – getestet, während zum Massentest jeder Bürger hingeht – auch die ganz vorsichtigen.<BR />