Adam Holzknecht ist Präsident des Aiut Alpin Dolomites und ehemaliger Präsident der Catores sowie der Bergrettung Gröden. Er hat durch seine langjährige Erfahrung schon Einiges miterlebt und weiß, was am Berg alles passieren kann.Südtirol Online: Herr Holzknecht, ist die Zahl der Bergunglücke in den Dolomiten in den letzten Jahren Ihrer Meinung nach gestiegen?Holzknecht: Ich glaube, dass die Zahl der Unfälle in den Bergen eigentlich relativ konstant geblieben ist. Was sich allerdings geändert hat, ist, dass heutzutage viel schneller der Notruf gewählt wird, oft auch nur wegen Kleinigkeiten.STOL: Warum kommt es immer wieder zu Bergunfällen?Holzknecht: Es liegt an den Konditionen; jenen der Menschen aber auch und vor allem der Berge. Zurzeit passieren viele Unfälle auf den Gletschern. Das ist zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass es im Winter wenig Schnee gab, dadurch haben sich die Gletscherspalten weiter geöffnet, es gibt mehr Eis als Schnee. In diesem Jahr sind schon einige Bergsteiger in Gletscherspalten gerutscht, sowohl im Winter als auch im Frühling und auch im Sommer kann es zu solchen Unglücken kommen.Ich würde nicht unbedingt sagen, dass Unfälle passieren, weil die Leute unvorbereitet sind. Manchmal kann eben etwas schiefgehen. Bei der großen Anzahl an Menschen, die es in die Berge zieht, muss man nun mal mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit rechnen, dass es zu Unfällen kommen kann.STOL: Gibt es Unterschiede im Vergleich zu früher?Holzknecht: Einer der größten Unterschiede ist, wie gesagt, dass die Menschen schon wegen Kleinigkeiten den Notruf wählen. Oft spielt dabei die Angst eine größere Rolle als die eigentliche Gefahr: Eine Nacht in den Bergen verbringen zu müssen macht vielen Angst, dann geschieht es manchmal, das sie den Notruf wählen anstatt bis zum nächsten Morgen auszuharren. Die Sicherheit, durch einen schnellen kostenlosen Anruf gerettet zu werden lässt die Menschen sicher ein wenig leichtsinniger handeln. Was noch zu sagen ist, ist, dass die meisten heutzutage viel zu spät aufbrechen. Früher ging man viel früher los, weil man wusste, dass man auch wieder alleine runterkommen musste. Manche starten erst gegen 9 oder 10 Uhr, da ist es schon seit 5 Stunden hell! Und natürlich wird es dann auch bald wieder dunkel.STOL: Wie kann man sich auf eine Bergtour vorbereiten, um solche Unglücke zu vermeiden?Holzknecht: Indem man, wie schon gesagt, früh genug einen Wecker stellt. Vorbereiten kann man sich zu Hause auch, indem man den Wetterbericht verfolgt. Außerdem kann man sich ausführlich über die Tour informieren, wie lange sie dauert usw. Dann kommt noch das Einschätzen der Situation vor Ort hinzu: Ist die Tour in etwa so, wie ich sie mir vorgestellt hatte oder habe ich sie falsch eingeschätzt? Ist das Wetter so, wie es im Wetterbericht vorhergesagt wurde oder scheint es sich zu verändern? Muss ich die Tour verkürzen? Fragen wie diese sollte sich jeder stellen, bevor er eine Tour beginnt. Was die körperliche Vorbereitung anbelangt, so sind die meisten zwar sehr trainiert, allerdings ist Training in einer Halle nicht mit Erfahrung in den Bergen gleichzusetzen. Körperlich vorbereitet zu sein heißt nicht automatisch, psychisch auf die Tour vorbereitet zu sein.Interview: Laura Clara Moroder