Bruno Bertoldi kann tun, was nur Wenigen erlaubt ist: Er darf ins und aus dem Bozner Gefängnis spazieren, wann immer es ihm gefällt. Dort betreut er nämlich die Häftlinge – ehrenamtlich, seit über 50 Jahren. „In der Zeit habe ich vieles gesehen“, sagt er. Auch über-90-jährig macht er weiter. Er weiß, wie es den Menschen hinter den Gitterstäben geht.<BR /><BR /><BR />Von Katrin Niedermair<BR /><BR />„Wenn ich einmal nicht hingehe, fragen sie nach mir“, erzählt Bertoldi. Er hat sich – als langjähriges Mitglied der Vinzenzgemeinschaft – im Bozner Gefängnis eine Zelle eingerichtet, in der er Kleidung und andere Dinge, die man so braucht, an die Gefangenen ausgibt. „Ich versuche, denen zu helfen, die einen Fehler gemacht haben und im Gefängnis gelandet sind“, sagt er.<BR /><BR />Leider sei das Leben im Gefängnis wegen Corona schwieriger geworden: „Verwandte von außerhalb des Landes dürfen nicht nach Bozen fahren, um die Häftlinge dort zu besuchen.“ Den Gefangenen, die aus Südtirol stammen, gehe es in der Hinsicht besser: „Dienstag und Samstag sind Besuchstage“, weiß Bertoldi. Derzeit gebe es aber für alle Einschränkungen – „natürlich, richtigerweise, um die Krankheit einzudämmen“. Man müsse eben Geduld haben.<BR /><BR /><embed id="dtext86-47892521_quote" /><BR /><BR />Trotzdem, sagt Bertoldi, wer im Bozner Gefängnis sei, der könne sich nicht beklagen: „In den 50 Jahren, in denen ich nun regelmäßig dort bin, haben die Häftlinge nie gestreikt oder sonst wie reklamiert, dass sie nicht gut behandelt würden.“ Das Gefängnis sei alt, keine Frage. Überfüllt sei es auch: „Allerdings war es in der Vergangenheit auch schon schlimmer. Es gab Zeiten, wo 160 oder 170 Gefangene in Bozen einsaßen, nun sind es etwa 100.“ Ausgelegt ist der Bau aus dem Jahr 1843 für 82.<BR /><BR />Dennoch würden viele das Bozner Gefängnis jenem in Trient vorziehen: „Es geht hier nämlich sehr menschlich zu“, sagt Bertoldi. Normalerweise ist es den Häftlingen erlaubt, sich innerhalb der Mauern relativ frei zu bewegen: auf den Gängen, im Hof. Das alles sei nun zwar nicht möglich, doch grundsätzlich seien die Regeln in neueren Gefängnissen oft strenger, weiß er. Nur wer in Isolationshaft sei, dürfe in keiner Justizanstalt Zeitung lesen oder Kontakt nach draußen unterhalten.<BR /><BR />Für die Sonntagsmesse ist Bertoldi immer im Bozner Gefängnis, außerdem noch ein- oder zweimal in der Woche. „Doch auch ich trete wegen Corona ein bisschen kürzer – schließlich muss ich auf meine Gesundheit achten. Solange meine Beine und mein Kopf es erlauben, verlasse ich die Menschen im Gefängnis jedenfalls nicht.“<BR />