Florian Lanthaler lebt anders. Sein Gspellhof in Rabenstein ist einer der wenigen Höfe, die aus früheren Zeiten ohne große bauliche Veränderungen erhalten geblieben sind. Doch sein Hof ist in Gefahr.<BR /><BR />Die Einsamkeit prägt sein Wesen. Doch die Tür seines jahrhundertealten Gspellhofs, der urkundlich erstmals 1629 erwähnt wurde, steht offen. Fast 1700 Meter hoch liegt der Bergbauernhof am Ganderberg oberhalb von Rabenstein. <BR /><BR />Hier führt Florian Lanthaler (40) ein Leben, wie es schon Generationen vor ihm getan haben. Nur eines hat sich verändert: „Ich habe mittlerweile ein altes Fernsehgerät hier in der Stube stehen. Das ist schon was Feines“, sagt Florian, der seit er denken kann zwischen schroffen Bergkämmen und der schier unendlichen Weite lebt. <h3> Mutter hilft im Sommer</h3>Peter Lanthaler, ein weitschichtig Verwandter von Florian, hat ihm den Fernseher besorgt. Das Gerät gehörte einst dem Hotel Eberle in Bozen. Nach dem verheerenden Felssturz im Jänner 2021 verschenkte und spendete Familie Zisser viel unbeschadetes Mobiliar, das nun ein neues Zuhause gefunden hat. So wie bei Florian, der damals noch mit seinem Vater Siegfried den sechs Hektar großen Hof bewirtschaftete. <BR /><BR />2022 im Mai verstarb der Vater an einer Lungenembolie. Er wurde 75 Jahre alt. Seitdem lebt Sohn Florian im Winter alleine auf dem Gspellhof, im Sommer verbringt seine Mutter Katharina einige Monate bei ihm, um zu helfen, wo sie kann. Den Hof zu verlassen und nach unten zu ziehen, so wie es seine Mutter getan hat, kommt für Florian nicht infrage. Auch wenn seine Lebensform im Verschwinden begriffen ist. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="844301_image" /></div> <BR />Die Witterung und die Jahreszeiten bestimmen den Alltag des 40-Jährigen, der sich vor allem um die Versorgung der Kühe, Schafe und Hühner dreht. Die Milch wird für den Eigenverbrauch und für die Aufzucht der Kälber verwendet, Florian lebt hauptsächlich vom Verkauf der Jungtiere und den bäuerlichen Zuschüssen. In seinem zweistöckigen Haus zeugt alles vom einfachen Leben, das Florian so sehr liebt. In der kalten Jahreszeit spielt sich dieses hauptsächlich in der Stube ab, dort, wo das Kruzifix im Herrgottswinkel wie ein stiller Beobachter über ihn wacht. <BR /><BR />Direkt an die Stube grenzt die Küche – ein dunkler, rußiger Ort. Ein unaufdringlicher, rauchig-appetitlicher Geruch von Geselchtem liegt in der Luft. Hier feuert Florian um sechs Uhr früh den gusseisernen, 100 Jahre alten Herd an, um warmes Wasser zu kochen. Schnelllebigkeit ist hier nichts weiter als einer von vielen „modernen„ Begriffen, die Florian fremd sind. <BR /><BR />Hier muss er keinem Trend nachlaufen, geschweige denn irgendjemandem etwas beweisen. Trotzdem lebt er nachhaltiger und zufriedener als viele andere im Land. Der junge Bergbauer ist ein bescheidener Mensch, hier auf dem Hof hat er alles, was er braucht. Wobei, eine Sache gäbe es da schon noch, die Florian fehlt: „Eine Frau, die bei mir bleibt“, sagt er. <h3> Der steile, ungesicherte Hang</h3>Noch mehr zu schaffen macht Florian aber etwas ganz anderes: die letzten Meter seiner Zufahrtsstraße. Sobald der erste Schnee fällt, kommt die Lawine. Jedes Jahr und immer an derselben Hangstelle verschütten die weißen Massen den Forstweg zum Hof. „Dann gibt es kein Durchkommen mehr – weder zu Fuß noch mit dem Auto“, erzählt er. <BR /><BR />Der Winter 2020 sei hart gewesen. Vier Monate lang seien er und sein Vater wegen der Lahn (Dialektalwort für „Lawine“, Anm. d. Red.) komplett von der Zivilisation abgeschieden gewesen. Die im Tal lebenden Schwestern versorgten Florian und seinen Vater dann über die Materialseilbahn mit Nahrungsmitteln. Weil der Vater mehrmals medizinische Hilfe benötigte, musste sogar der Rettungshubschrauber einfliegen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="844304_image" /></div> <BR /><BR />Der steile, ungesicherte Hang stellt in den kalten Monaten eine dauerhafte Bedrohung dar. „Noch dazu kommt die Gefahr vor sozialer Isolation“, betont Peter Lanthaler, der sich seit vielen Jahren für die Hangverbauung einsetzt. „Der Hof“, sagt er, „muss unbedingt geschützt werden. Für Florian und seine Familie, aber auch für die Geschichte Südtirols.“ Florians Hof sei einzigartig, ein kulturelles Erbe, eine „lebende Sehenswürdigkeit.“<h3> Der Hof – eine Filmkulisse</h3>Dass auch die Filmbranche auf den Gspellhof aufmerksam wurde, ist demnach nicht weiter verwunderlich. „2009 war eine ganze Filmcrew hier, etwa 100 Leute waren das“, erzählt Florian. Der Hof diente damals als Filmkulisse für das historische Drama „Bergblut“ des Passeirer Regisseurs Philipp J. Pamer. Im Film ist der Hof der Stammhof der Familie Egger, um die sich seine Geschichte rund um die Tiroler Freiheitskriege dreht. Wie in einem Beitrag von Bettina König im Tiroler Bauernkalender 2016 zu lesen ist, habe Pamer die Location ausgewählt, weil der Gspellhof einer der wenigen authentischen Höfe aus Zeiten Andreas Hofers sei. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="844307_image" /></div> <BR /><BR />Man habe bei den Dreharbeiten versucht, das Leben der Bauernfamilie nicht zu sehr einzuschränken. Auch bei den Arbeitszeiten habe man versucht, die Fütterungszeiten der Tiere zu beachten. „Bauernhöfe eignen sich als Filmmotive in besonderer Weise durch ihre authentische Architektur. Sie bringen Mensch, Tier und Natur zusammen“, betonte der Regisseur gegenüber dem Tiroler Bauernkalender.<BR /><BR /> Als Location-Ensemble würden Höfe zudem eine Vielzahl an Möglichkeiten für Innen- und Außenaufnahmen bieten und durch ihre traditionsreichen Geschichten auch die Seele jener vergangenen Zeit widerspiegeln. „Gerade Südtirol hat hier einen reichen Schatz an Locations zu bieten, die in keinem Studio der Welt so nachstellbar sind“, so Pamer.<h3> Der Wert der Unveränderbarkeit</h3>Mit einem Lächeln auf den Lippen blickt Florian auf diese Zeit zurück. Die Filmcrew hatte der Familie einen neuen Holzboden verlegt, auf den der Bergbauer besonders stolz ist. Alles andere blieb genau so, wie es schon immer war. Auch auf Requisiten musste die Filmcrew nicht zurückgreifen. Der Gspellhof bot alles, was gebraucht wurde. „Nur ein wenig aufgeräumt musste werden. Der junge Bergbauer schmunzelt. Und dennoch: Wegen der fehlenden Hangverbauung sei der Hof in existenzieller Gefahr – und mit ihm Florian, der eigentlich nirgendwo anders hin möchte: „Ich will hier bleiben“, sagt er immer wieder. Auch wenn das für ihn ein Leben in der Einsamkeit bedeutet. <BR /><BR />„Um Florian dieses Leben zu ermöglichen, braucht er aber diesen Hangschutz. Wenn dieser aus Kostengründen nicht realisierbar ist, würden wir als Alternative eine Seilbahn vorschlagen, wie sie bereits bei mehreren Höfen, Almen und Schutzhütten in Passeier errichtet worden ist. Im Verhältnis wäre das sehr viel günstiger“, wirft Peter Lanthaler ein. <h3> Traditioneller, einfacher Lebensalltag</h3>Peter Lanthaler unterstützt Florian, wo er kann. „Florian ist ein junger Mensch, der auf dem Gspellhof bleiben möchte und der sich für den Erhalt der Landschaft hier oben einsetzt. Er ist die eigentliche Sehenswürdigkeit von Gspell. Er und sein traditioneller, einfacher Lebensalltag.“ <BR /><BR />Die Unveränderbarkeit sei ein wahrer Schatz – und trage maßgeblich zur Zukunft des Landes Südtirol bei. Sie müsse nicht modernisiert – und schon gar nicht verändert werden. Sie gehöre lediglich geschützt. Um dem Gspellhof und Florian ein Leben in Sicherheit zu ermöglichen. Und ein Leben auf dem Gspellhof.