Die Polizei stieß bei der Evakuierung nach einer Überschwemmung im vergangenen April auf die beiden Kinder. Sie trugen Windeln, konnten weder sprechen, lesen oder schreiben und lebten unter katastrophalen hygienischen Bedingungen. <BR /><BR />Sie waren weder in einer Schule angemeldet noch beim Standesamt registriert. Die Kinder – ein neunjähriger Bub und ein drei Jahre jüngeres Mädchen – sollen in Deutschland geboren worden sein, wurden jedoch in Italien nirgendwo erfasst.<BR /><BR />Der 54-jährige Vater, der sich als Bildhauer bezeichnete, erklärte, er wolle seine Kinder von der Welt fernhalten und sie vor Viren schützen. Die 38-jährige Mutter, die keinen festen Wohnsitz hatte, gab an, den Kindern Homeschooling-Unterricht zu erteilen. Die Familie lebte bereits seit mindestens drei Jahren in Lauriano. Ihre verborgene Existenz, über die die Medien erst jetzt berichten, wirft beunruhigende Fragen auf: Wie war es möglich, dass zwei Minderjährige so lange unbemerkt leben konnten?<BR /><BR />Die Geschichte der sogenannten „Geistergeschwister“ hat die lokale Bevölkerung tief erschüttert. Die Bürgermeisterin von Lauriano, Mara Baccolla, erklärte, sie wolle sich maßgeblich für die Aufklärung des Falls einsetzen. Die Kinder leben derzeit in geschützten Einrichtungen und sollen zur Adoption freigegeben werden. Die Jugendstaatsanwaltschaft garantiert den Kindern eine angemessene Schulbildung, medizinische Versorgung sowie eine rechtliche Identität durch Ausstellung der erforderlichen Dokumente.<BR /><BR />Die Bürgermeisterin von Lauriano bezeichnete den Fall als „heikel“ und betonte, dass ihr oberste Ziel darin bestehe, den Kindern zu helfen, ihr Gleichgewicht wiederzufinden – nachdem sie jahrelang unter mangelhafter Hygiene, völliger Isolation, ohne kognitive Anreize, ohne Kontakt zu Gleichaltrigen, ohne Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung und ohne jegliche Papiere gelebt hatten.<BR /><BR />Der Vater, der von einer Rechtsanwältin verteidigt wird, beteuerte, dass er seine Kinder liebe: „Sie haben Spielzeug, Musikinstrumente und Skiausrüstung. Sie reiten auf einem Pony und verbringen viel Zeit im Freien“, sagte der Mann. Er berichtete, dass er zuvor in Deutschland gelebt habe, bevor er nach Italien gezogen sei und dort einen Bauernhof erworben habe, um ein zurückgezogenes Leben zu führen. Die Ermittler fanden bisher jedoch keine Belege für seine Aussagen. Einige Dorfbewohner wussten, dass das alte Bauernhaus in Lauriano verkauft worden war, doch niemand – auch wegen der abgelegenen Lage – war je hingegangen, um die neuen Nachbarn kennenzulernen. Diese wiederum hatten sich nie blicken lassen. <BR /><BR />„Es handelt sich um einen sehr heiklen Fall“, sagte Bürgermeisterin Baccolla. „Was uns als Verwaltung und als Gemeinschaft am meisten beschäftigt, ist, dass diese Kinder endlich ein Gleichgewicht finden und Zugang zu einem Leben erhalten, das diesen Namen auch verdient. Persönlich habe ich ihren nicht gekannt. Ich kann nur sagen, dass er sehr zurückgezogen lebt, kein Italienisch spricht und im Dorf nie gesehen wurde. Ich selbst habe ihn nur ein einziges Mal getroffen, als er sich hier in Lauriano angemeldet hat – er kam allein.“<BR /><BR />Um sich noch stärker von der Außenwelt abzuschotten, machte der Mann das alte Bauernhaus energetisch autark – er renovierte es eigenhändig. Er besorgte nur das Nötigste zum Leben; die Kinder wurden nie von einem Arzt untersucht.<BR /><BR />„Er hat das Haus energieautark gemacht, es liegt sehr abgeschieden. So konnte er sich völlig isolieren. Um es zu erreichen, muss man einen langen Pfad durch den Wald nehmen“, so die Bürgermeisterin.<BR />Lauriano hat inzwischen Hilfe für die Kinder organisiert. „Ich halte den Fall für sehr sensibel und unter dem Schutz des Gerichts. Diese Kinder haben ein Recht darauf, ein neues Leben zu haben. Sie wohnen derzeit an einem geheim gehaltenen Ort – so wie es sein muss. Wir haben alles getan, um sie zu schützen“, so Baccolla.