<BR /><b>Sie haben ein Buch über den Suizid Ihrer Tochter Hanna veröffentlicht. Wie kamen Sie dazu, dieses Buch zu schreiben, und was bedeutet es Ihnen?</b><BR /> Christiane Engelhardt: Ich habe das Buch geschrieben, um meiner Tochter etwas Bleibendes zu widmen. Sie war ein außergewöhnliches Kind, und sie hat wunderschöne Gedichte geschrieben. Durch ihr Buch wollte ich zeigen, wie wertvoll ihr kurzes Leben war und anderen Mut machen, die Ähnliches durchleben. Auch für Fachleute, die mit Suizidalen arbeiten, wollte ich eine Orientierung und Unterstützung geben. Suizid ist oft noch ein Tabuthema, aber ich glaube, dass wir alle eine Lebensaufgabe haben. Hannas Tod hat meine eigene Lebensaufgabe völlig verändert.<BR /><BR /><BR /><b>Es ist sicher kein einfacher Weg. Wie haben Sie diesen Verlust in den ersten Jahren verarbeitet? Was hat Ihnen in dieser Zeit Kraft gegeben?</b><BR /> Engelhardt: Zu Beginn waren es vor allem meine anderen Kinder, die mir halfen, weiterzumachen. Wir lebten in einer Patchworkfamilie, und diese Kinder gaben mir Halt und eine Aufgabe. Ich konnte nicht einfach aufgeben; ich war noch Mutter für sie. Zusätzlich war es der Rückhalt durch Freunde und meine Familie, die mit kleinen Gesten für mich da waren, sei es durch einen Kuchen oder eine Umarmung. Das Gefühl der Gemeinschaft war für mich anfangs eine große Stütze.<BR /><BR /><BR /><b>Wie hat sich Ihre Arbeit als Ärztin und Psychotherapeutin durch den Verlust verändert?</b><BR /> Engelhardt: Nach dem Tod meiner Tochter war es sehr schwierig, mit Patienten zu arbeiten, die selbst suizidale Gedanken hatten. Doch letztendlich hat dieser Einschnitt in mein Leben meine Herangehensweise völlig verändert. Ich begegnete meinen Patienten auf Augenhöhe, und es entstand ein tiefes Verständnis. Diese Arbeit war eine enorme Herausforderung, aber auch eine Form von Heilung für mich.<BR /><BR /><BR /><b>Haben Sie auch therapeutische Unterstützung gesucht?</b><BR /> Engelhardt: Ja, ich habe eine spezielle Traumatherapie gemacht, die mir geholfen hat, mich von meiner Tochter zu verabschieden. Eine Therapeutin in den Niederlanden, Joanny Spearing, arbeitete zwei Tage intensiv mit mir. Danach waren die körperlichen Schmerzen, die ich im Nacken hatte, weg, und das gab mir Erleichterung. Auch eine Gruppe mit anderen Betroffenen hat mir geholfen, vor allem die Zusammenarbeit mit Chris Paul, die sich auf Trauerarbeit spezialisiert hat.<BR /><BR /><BR /><b>Sie haben viele Wege ausprobiert, um mit der Trauer umzugehen. Welche anderen Methoden haben Ihnen geholfen?</b><BR /> Engelhardt: Eine besondere Erfahrung waren auch Jahre der Körperarbeit und energetischen Übungen, die ich mit einer brasilianischen Gruppe gemacht habe. Da wurde viel getanzt, geschrien und körperlich gearbeitet – das half mir, den Schmerz und die Blockaden freizulassen. Auch das künstlerische Arbeiten, wie das Schreiben, das Malen und das Bildhauern, hat mich in den letzten Jahren wieder zu mir selbst gebracht.<BR /><BR /><BR /><b>Was würden Sie anderen Menschen raten, die jemanden durch Suizid verloren haben?</b><BR /> Engelhardt: Vor allem: Nehmt Hilfe an und sucht euch Unterstützung! Niemand muss diesen Weg alleine gehen. Wichtig ist, offen zu reden, um sich von der Stigmatisierung zu befreien, die oft noch damit einhergeht. Trauer ist kein linearer Prozess; sie hat ihre eigenen Zeiten und Phasen. Jeder sollte seinen eigenen Weg finden und dabei stets die Hoffnung bewahren, dass das Leben auch nach einem solchen Verlust weitergeht und eine neue Ausrichtung finden kann.<BR /><BR /><b>Wenn Sie heute an Hanna denken – was fühlen Sie?</b><BR /> Engelhardt: Inzwischen denke ich an sie mit einem Lächeln. Sie ist für mich immer noch 13 Jahre alt, und ich stelle mir oft vor, wie sie hier wäre. Manchmal fühle ich sogar noch ihre Hände an meiner Taille – eine letzte, innige Abschiedsgeste, die sie mir gab, bevor sie sich das Leben nahm. Diese Erinnerung hilft mir, und ich spüre, dass sie in einer anderen Sphäre weiter existiert. Wir sind verbunden, und ich kann ihre Energie fühlen, wann immer ich sie brauche.<BR /><BR /><b>Es klingt, als hätten Sie eine friedvolle Form der Verbundenheit gefunden. Was möchten Sie Menschen mitgeben, die mit ähnlichem Verlust leben?</b><BR /> Engelhardt: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir diesen Verlust akzeptieren lernen und daraus eine neue Aufgabe schöpfen. Der Weg dahin ist lang und schmerzhaft, aber die Liebe bleibt – sie kann uns in schwierigen Zeiten tragen. Suizid ist eine Tragödie, aber ich hoffe, dass Menschen in ähnlicher Situation erkennen, dass dies nicht das Ende sein muss, sondern auch ein neuer Anfang für sie sein kann.<BR /><BR /><BR /><i>Das Interview wurde im Zuge der Suizidpräventionskampagne der Psychosozialen Zentren Tirol in Zusammenarbeit mit Regina Seibl, Projektverantwortliche Suizidprävention & Suizidpostvention gemacht. Auf der Webseite „Lukas4Life“ ( <a href="https://www.lukas4life.at/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.lukas4life.at)</a> finden Sie weitere Informationen zur Autorin sowie zum Thema Suizid und Hilfe für Angehörige.</i><BR /><h3> Hilfsangebot und Anlaufstellen in Südtirol</h3><u><b>Im akuten Notfall:</b></u> Notrufnummer 112<BR /><u><BR /><b>Bei psychischer Belastung:</b></u><BR /><BR /><b>- Psychologisches Krisentelefon 24/7:</b> Grüne Nummer 800 101 800 (richtet sich sich hauptsächlich an Menschen in existenziellen Krisensituationen) zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar<BR /><BR />- <b>Für jungen Menschen: Young+Direct</b>: Montag bis Freitag (14:30 - 19:30 Uhr) telefonisch erreichbar unter 0471 155 1 551 - zu den gleichen Zeiten auch per WhatsApp Chat : 345 0817 056 - oder per Mail: online@young-direct.it<BR /><BR /><b>- Psychologische Dienste (zu Bürozeiten)</b><BR />Bozen: 0471 435001<BR />Meran: 0473 251960<BR />Bruneck: 0474 586220<BR />Brixen: 0472 813100<BR /><BR /><b>- Caritas Telefonseelsorge</b><BR />Telefon: 0471 052 052 (rund um die Uhr)<BR /> <a href="https://telefonseelsorge.bz.it/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.telefonseelsorge.bz.it</a><BR />Mailberatung: rund um die Uhr<BR />Chatraum: Mo bis Do von 18 bis 21 Uhr<BR /><BR /><b>- Erste Hilfe im Krankenhaus (Bozen, Meran, Brixen und Bruneck) :</b> Psychiatrischer Bereitschaftsdienst rund um die Uhr<BR /><BR />- Weitere Anlaufstellen für betroffene Menschen und Angehörige:<BR /> <a href="https://www.suizid-praevention.it/de/netzwerk-suizidpraevention-1231.html" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.suizid-praevention.it</a> & <a href="https://www.dubistnichtallein.it/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.dubistnichtallein.it</a>