Gibt es nach Corona wieder gleich viel oder sogar mehr Hektik auf den Straßen? Die Antworten von Experten sind interessant.<BR /><BR /><BR /><BR />„Rüpelhaftes Fahren wird in Südtirol seit jeher toleriert“, erklärt der Verkehrspsychologe Max Dorfer. Die Hektik auf den Straßen und das teilweise rücksichtslose Verhalten sei also keine Folgeerscheinung des Lockdowns. „Das Verhalten der Verkehrsteilnehmer dürfte – leider – im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit dasselbe geblieben sein. Unsere Wahrnehmung hat sich vielleicht kurzfristig geändert. Wir waren es gewohnt, dass nachts kaum Autos unterwegs waren: Es war wunderbar ruhig. Auch tagsüber war weniger los. Deswegen nehmen jetzt einige von uns das ‚rüpelhafte‘ und rücksichtslose Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer besonders wahr“, weiß der Verkehrspsychologe.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-49106013_quote" /><BR /><BR /><BR /> Vergleicht man Südtirol mit Ländern wie der Schweiz, Schweden oder Norwegen, wird schnell klar, dass die Südtiroler in Sachen Rücksichtsnahme noch einiges aufzuholen haben. „Die Max-Valier-Schule hat in einer Studie untersucht, wie viele Fahrzeuge wirklich an den Zebrastreifen stehen bleiben. In der Bozner Altstadt waren es rund 30 bis 40 Prozent der Fahrzeuge, die nicht angehalten haben, in der Bozner Industriezone sogar 40 bis 50 Prozent.“ Zahlen, die zeigen, dass die fehlende Rücksicht und hektisches Fahren schon immer ein Problem gewesen seien – wenn es auch in der Vor-Corona-Zeit aus „Gewohnheitsgründen“ kein großes Thema war. <BR /><BR /><b>Mehr Großmut und Gelassenheit</b><BR /><BR />Der Fahrschullehrer und Sprecher der Südtiroler Fahrschulen Ulrich Focherini bestätigt ebenfalls, dass sich das Verhalten im Verkehr nicht verändert habe. Allerdings hat er eine Veränderung in der Wahrnehmung der Menschen seit den Lockerungen bemerkt. <BR /><BR /><embed id="dtext86-49106017_quote" /><BR /><BR /><BR />„Es hat sich nichts im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Krise verändert. Aber das persönliche Schmerzempfinden der Autofahrer ist sehr viel stärker geworden“, erklärt er. „Wenn einem früher mal die Vorfahrt genommen wurde, war das nicht so schlimm. Durch Corona und Co. sind die Menschen sensibler geworden, und die ‚Großzügigkeit‘ auf der Straße ist zurückgegangen.“ Für den Fahrschullehrer ist eines von äußerster Wichtigkeit: Auf den Straßen müsse wieder mehr Großmut und Gelassenheit zurückkehren! Nicht nur in Gegenwart eines Fahrschulautos, sondern gegenüber allen. „Wir müssen wieder lernen, die Fehler eines anderen zu akzeptieren“, so Focherini.<BR /><BR /><b>Zurück in der unangenehmen Normalität</b><BR /><BR />Christian Carli, Kommandant der Ortspolizei Eppan und Präsident der Vereinigung der Südtiroler Ortspolizei, sieht die aktuelle Hektik auf den Straßen als „normal“: „Es ist nicht so, dass aggressiver gefahren wird. Aber mehr Verkehr bedeutet eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Unfälle passieren.“ <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-49106122_quote" /><BR /><BR /><BR />Die Unfallzahlen seien aber im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit nicht auffällig gestiegen, so Carli. Die Wahrnehmung gegenüber Verkehrs- und Lärmbelästigung hat sich laut ihm aber in der Tat verändert. „Während des Lockdowns war nur wenig Verkehr, jetzt hingegen ist dieser wieder fast zur Gänze zurück und es erscheint uns, als handle es sich dabei um ungewöhnlich viel Verkehr und Lärmbelästigung.“ <BR /><BR />Was sich laut Carli allerdings ebenfalls durchaus verändert hat, sei die Anzahl der Radfahrer auf den Straßen und Radwegen des Landes. „Ich nehme an, dass viele, die vorher nicht sehr oft mit dem Rad gefahren sind, das Radfahren in der Corona-Zeit für sich entdeckt haben.“ Eine Entwicklung, die laut Carli durchaus als positiv zu bewerten ist.