Für alle, die an ihrem Hof vorbeigehen, findet sie die Zeit für einen Plausch, sie ist immer gesellig und freundlich. Ihr ganzer Stolz ist die Blumenpracht rund um das typische Ahrntaler Bauernhaus. <BR /><BR /><BR />Mit ihren 83 Jahren arbeitet und werkelt sie im Haus, im Garten und kümmert sich unter anderem um das Kleinvieh. „Auch wenn die Arbeit viel und beschwerlich ist, die Jungen machen weiter“, sagt die Regina voller Stolz und Dankbarkeit. Sie freut sich darüber, dass ihr Lebenswerk und das von ihrem verstorbenen Mann bei ihrer Tochter und der jungen Bauernfamilie in guten Händen sind. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="901250_image" /></div> <BR /><BR />Tiefgläubig, verwurzelt mit ihrem Daheim und über alles informiert, erzählt sie von der schweren Arbeit von früher und stellt zufrieden fest: „Die Kraagse und den Korb zum Tragen braucht es nicht mehr…“ Der Hof und die Felder sind durch Straßen und Wege erschlossen, bei den Feldarbeiten werden Maschinen eingesetzt, und so ist heute im Vergleich zu früher Vieles leichter, auch wenn die Arbeit am Hof nie ausgeht.<BR /><BR />Beim Blick vom Bergbauernhof hinunter ins Tal liegen uns die Ortschaften Luttach und St. Johann im sprichwörtlichen Sinn zu Füßen. Der Ausblick wird frei auf ein Tal, das trotz der rasanten Entwicklungen immer noch ein ländlicher Ort bleibt. Steil fallen die Felder unterhalb der Brunnberghöfe ab, die Hofstellen krallen sich in das steile Gelände, sind Zeugen einer jahrhundertelangen Pflege der Natur- und Kulturlandschaft.<h3> Der Brauch der Maiandachten</h3>Landschaftlich ist das Ahrntal geprägt von den Feldern, den Höfen, einem Waldgürtel, der da und dort hinunter ins Tal reicht, und einer Bergkulisse, die ihresgleichen sucht. Wenn der April zu Ende geht, kündigt sich auch hier oben wiederum die wärmere Jahreszeit an. <BR /><BR />Im Marienmonat Mai finden jeden Tag die Maiandachten statt, ein Brauch, der die alte religiöse Tradition fortleben lässt: „Die Maiondocht loss i net oukemm“, beharrt die Altbäuerin auf diesem täglichen Gebet in der nahen Hofkapelle. Abends um halb 8 werden der Rosenkranz und die Litanei gebetet. Manchmal kommen auch Leute vom Dorf herauf, um die Maiandacht mitzufeiern. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="901253_image" /></div> <BR /><BR /> Vielerorts stehen im Ahrntal die Kapellen, im Ahrntaler Dialekt als „Schtecklan“ bezeichnet, neben den Hofstellen. Es sind dies vorwiegend Marienkapellen, denn die Marienverehrung hat hier eine besondere Bedeutung. Mittlerweile sind die Kapellen wahre Kulturstätten mit wertvollen Malereien, Statuen und religiösen Motiven. Vielfach hängen sie mit den Schicksalen der Höfe zusammen, denn immer gab es auch einen Grund, warum Hofkapellen errichtet wurden: Oftmals erbaten sich die Hofleute damit den Schutz gegen Unwetter und Muren.<BR /><BR /> Vielfach wurde ein Gelübde abgelegt mit dem Versprechen, eine Kapelle zu bauen, wenn es ein freudiges Ereignis gab. In diesen Fällen entstanden Kapellen als Dankessymbole. Oft gab auch die große Entfernung zur nächstgelegenen Pfarrkirche den Ausschlag, solche christlichen Stätten neben den Höfen zu errichten. Die Bauersleute schufen sich damit in unmittelbarer Nähe einen Ort des Gebetes und der Andacht. <h3> „Zünde eine Kerze an“</h3><BR />Eine dieser schönen Kapellen steht am Brunnberg oberhalb von St. Johann. Neben den vielen religiösen Motiven finden wir dort immer auch die Erinnerungsbilder der verstorbenen Hofangehörigen. Mindestens einmal am Tag geht die Altbäuerin Regina in die Kapelle, das ist der Tiefgläubigen ein großes Bedürfnis, wie sie uns erklärt: „Wenn eine Bekannte oder jemand unten im Dorf stirbt, gehe ich in die Kapelle und zünde dort eine Kerze an. Dieses Licht und die Kraft des Glaubens begleiten die Verstorbenen dann.“ <BR /><BR />Die „Pitschileleit“, die Bauersleute vom „Pitschilehof“, erzählen mir, dass die Kapelle ursprünglich weiter oben am Berg stand. Die Andachtsstätte, die allen Bewohnern des Brunnberges gemeinsam gehört, befand sich seinerzeit neben dem Pintahof, der um 1870 ein Raub der Flammen wurde, in denen auch zwei Hofleute umkamen.<BR /> Erst im Jahr 1939 wurde die Kapelle am heutigen Standort neu errichtet. Der schöne Altar, der heiligen Maria Königin der Engel geweiht, verleiht dem Raum zusammen mit den Figuren der Heiligen Dreifaltigkeit eine festliche Stimmung. Der heilige Florian, der als Patron gegen die Brandkatastrophen immer wieder angerufen wird, erfährt bei den Hofleuten eine besondere Verehrung. <BR /><BR />So schaut der Schutzpatron auch im Kirchlein am Brunnberg von einer Votivtafel herunter und wacht über die Berghöfe. Und die Altbäuerin erinnert sich an ein Zitat ihrer Mutter, die sagte: „Wir haben keine Ahnung, wie viel die Himmelmutter uns hilft.“ Für unsere Vorfahren waren der Glaube und die Religion wohl der wichtigste Halt, besonders in schwierigen Zeiten.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="901256_image" /></div> <BR /><BR />Alljährlich im Mai feiert der Ortspfarrer im „Marienschteckl“ eine heilige Messe. Dazu brauchte es eine eigene Genehmigung, die vom damaligen Bischof von Brixen im Jahre 1960 ausgestellt wurde. Die Bäuerin vom „Pitschila“ sorgt dafür, dass die Kapelle stets sauber gehalten ist, dass die Besucher Einlass finden, und sie stellt die Feldblumen zum Altar. „Früher“, erzählt mir Regina, die Bäuerin, „fand auch in der Fastenzeit immer eine Andacht am Abend statt, heute wird im Monat Mai jeden Tag die Maiandacht gehalten.“<BR /><BR />Dazu kommen die Leute von den Höfen am Berg und beten gemeinsam. Tatsächlich ist es ein beeindruckender Moment, wenn eine der Bäuerinnen den Rosenkranz in der kleinen Kapelle anstimmt und beim „Engel des Herrn“ die Glocke vom Turm das Gebet begleitet.<h3> Eine friedliche Stille</h3>Feierlich durchschneidet das Läuten die Abendstille am Berghang. Abschließend erklärt mir die Bäuerin, dass ihr die Kapelle, der Ort der Stille und des Gebetes, immer wieder eine Stütze ist: „Öfters und auch spontan gehe ich ins Kirchlein“, sagt sie mir. „Dort spreche ich mein Gebet oder bringe der Mutter Maria meine Anliegen vor. Es gibt immer etwas im Leben, für das man beten soll, und manchmal habe ich auch allen Grund, dankbar zu sein.“<BR /><BR />Beim Verlassen der Kapelle zeichnen sich die Besucher nach dem Rosenkranz das Kreuzzeichen auf die Stirn, wechseln noch einige Worte unter sich und kehren zurück auf ihre Höfe. Langsam legen sich die Ruhe und die Dunkelheit auch über den Brunnberg. Es ist eine friedliche und angenehme Stille.<BR />