Hier die ganze unfassbare Geschichte zum Mordfall von vor fast 40 Jahren. <BR /><BR />Nachdem der Briefträger die Feuerwehr verständigt hatte, wurde auch das Weiße Kreuz, und Bezirksinspektor Othmar Egger und die Carabinieri von Sterzing benachrichtigt.<BR /><BR /><b>Der vermeintliche Unfall</b><BR /><BR />Auch ein Wegmacher wurde um kurz nach 7 Uhr auf den „Unfall“ aufmerksam. Er fand als erster eine brennende Gestalt am steilen Hang und versuchte, die Flammen zu löschen. Die Feuerwehr erstickte die Flammen am mittlerweile völlig ausgebrannten Fahrzeugwrack, einem Peugeot 305. Eine zweite Person lag in den Haselbüschen. Beide gaben keine Lebenszeichen.<BR /><BR />Es schien sich um einen einfachen Verkehrsunfall zu handeln: Ein Fahrzeug gerät bei der Talfahrt über den Straßenrand und stürzt, in Brand geratend, 200 Meter den Berghang hinab. Die Insassen werden dabei getötet und herausgeschleudert.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="633377_image" /></div> <BR /><b>Im Schlafanzug erschossen</b><BR /><BR />Doch bald nimmt der Unfall mysteriöse Züge an und erwies sich als Verbrechen von schrecklichem Ausmaß: 15 Meter vor der Absturzstelle auf der Straße nach Ritzail in einer Kehre lag eine treibstoffgetränkte Blutlache, und ein Toter wies neben der starken Verbrennung zwei schwere Schlagverletzungen am Kopf auf. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="633380_image" /></div> <BR />In Gegenwart vom damaligen Amtsarzt Dr. Leitner und Richter Dr. Bruccoleri wurden an der zweiten Leiche, die auf dem Gesicht lag, zwei Einschüsse aus einem Kleinkalibergewehr oder einer Pistole in der Brust festgestellt. Sonderbarerweise trug der jüngere der Toten einen Pyjama; die Füße steckten zudem in einem mit Blut völlig durchtränkten, zusammengeknüllten Bettbezug. Die beiden Toten wurden nach Freigabe seitens der Gerichtsbehörde nach Sterzing gebracht. Bis zum Nachmittag stand ihre Identität nicht fest. <BR /><BR />Nicht nur in der Kehre lag viel Benzin, Benzin wurde auch auf den an der Absturzstrecke verstreuten Wrackteilen, an den Autoteppichen sowie am zweiten Toten, der aber in keiner Weise angesengt war, gefunden. Außerdem fand man einen etwa sechs Zentimeter großen Korkstöpsel,<BR />der nach Benzin roch.<BR /><BR /><BR /><b>Wer sind die Toten?</b><BR /><BR />Die Carabinieri und die Gerichtsbehörde arbeiteten fieberhaft daran, die Toten zu identifizieren. Vermutungen und Hypothesen wurden angestellt. Nichts von den vielen Steinchen schien ein klares Bild zu geben. Die erste Spur führte ins Pustertal. Die Abfrage des Kennzeichens ergab, dass das ausgebrannte Fahrzeug einem Mann aus Sexten gehöre. Nach telefonischer Nachfrage sagte dieser, dass er das Auto seinem Schwager Rudolf Seeber Junior aus Sterzing verkauft habe. <BR /><BR /> Und so kam man auf Familie Seeber. Rudolf Seeber Senior, Vater des Rudolf Seeber jun., war seit 1971 Witwer. Seine verstorbene Frau Maria Anna Seeber geb. Hell war aus Welsberg gebürtig. Der pensionierte Grundbuchführer pflegte seine Liebhabereien wie Imkerei, kleine Obstkulturen und eine bescheidene Sammlung historischer Waffen. Er lebte in Sterzing, versorgte seine Söhne Herbert (19), Rudolf (24) und Werner (25), letzterer studierte damals Forstwirtschaft in Florenz, und das Haus. <BR /><BR />Die Ermittler erfuhren, dass Rudolf Seeber Senior, am 16. April zum Elternsprechtag nach Bozen fahren sollte — der jüngste Sohn Seebers, Herbert (19), besucht dort die 4. Klasse der Geometerschule. Er hatte am Montag früh, bevor er nach Bozen zur Schule fuhr, seinen Vater noch gesprochen. Er wurde später aus Bozen geholt und identifizierte die beiden Leichen als jene seines Vaters und ältesten Bruders Werner.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="633557_image" /></div> <div class="img-embed"><embed id="633560_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wo ist der andere Sohn?</b><BR /><BR />Der zweite Sohn Rudolf Seebers, dem das „verunfallte“ Auto gehörte und ebenfalls Rudolf heißt, ist damals 24 Jahre alt und Konditor, zu der Zeit allerdings arbeitslos. Er wohnte nicht in Sterzing bei seinem Vater, sondern hatte sich im Schloss Hahnberg in Brixen/Kranebitt, das seinem Vater und dessen beiden Schwestern gehörte, einquartiert. Von ihm fehlte an dem Tag jede Spur.<BR /><BR /><BR /><b>Blutlachen auch in Sterzing</b><BR /><BR />Die Ermittler begaben sich ins Haus der Seebers neben der St.-Margarethen-Kirche in Sterzing. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="633563_image" /></div> <BR />Gleich hinter der Tür und auf der Stiege zum ersten Stock, wo sich die Wohn- und Schlafräume der Seebers befinden, war eine ganze Reihe von Blutspuren, die vom Täter nur teilweise beseitigt worden waren. Die Blutspuren führten auch in das Schlafzimmer. Daraus ließ sich schließen, dass die schreckliche Tat in den Schlafzimmern erfolgt ist. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="633500_image" /></div> <BR />Die Leichen wurden dann vermutlich in der Nacht auf Dienstag zum Wagen gebracht, der in einer behelfsmäßigen Garage abgestellt war. An der Stelle, wo sich das Heck befand, traf man auf weitere Blutspuren<BR /><BR />Die Carabinieri von Brixen und Sterzing nahmen auch das Schloß Hahnberg in Brixen unter die Lupe. Von Rudolf Seeber Junior, dem der Peugeot 305 gehörte, keine Spur. <BR /><BR /><b>Wichtige Hinweise</b><BR /><BR />Am Mittwoch, 17. April, gab ein 21-Jähriger aus Ritzail einen wichtigen Hinweis. Er befand sich am Dienstagabend um 21.30 Uhr auf der Heimfahrt, als plötzlich ein junger Mann etwa einen halben Kilometer vor der Stelle, wo die beiden Seeber mit dem Wagen über den Hang gestürzt worden waren, hinter dem Gebüsch hervor und über die Straße sprang.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="633503_image" /></div> <BR />Der Zeuge glaubte erkannt zu haben, dass der junge Mann eine Art Waffe in einer Hand trug. Er verschwand hinter einem großen Stein auf der rechten Straßenseite. Der Zeuge bremste sofort, fuhr rückwärts zur nächsten Telefonzelle und alarmierte die Carabinieri von Freienfeld.<BR /><BR />Doch weder am selben Abend noch am nächsten Tag konnte von dem<BR />jungen Mann eine Spur entdeckt werden, obwohl rund 60 Carabinieri einer Spezialeinheit aus Leifers samt Suchhunden das fragliche Gebiet durchkämmten.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="633506_image" /></div> <BR />Am Mittwoch gegen 7 Uhr früh erklärte ein Welsberger, der Rudolf Seeber jun. kennt, dass er diesen im Bahnhof von Franzensfeste kurze Zeit gesprochen habe. Die schrecklichen Ereignisse kamen dabei nicht zur Sprache. Der zweitälteste Sohn Seebers war angeblich völlig ruhig und gelassen, als ihn der Bekannte verließ.<BR /><BR /><b>Die Wende</b><BR /><BR />Und dann, am Donnerstag, 18. April, die unglaubliche Wende. In der Früh erhielten die Carabinieri von Sterzing einen Anruf. Rudolf Seeber<BR />jun. — so sagte der Unbekannte, bei dem es sich um niemand anderen als ihn selbst handelte — habe aus der Zeitung von den Vorfällen in seiner Heimat gehört.<BR /><BR />Er wolle mit dem Zug um 8.21 Uhr in Sterzing eintreffen, und man möge<BR />ihm bitte erläutern, was passiert sei. Die Carabinieri glaubten zunächst, man wolle ihnen einen Bären aufbinden, doch fanden sie sich zu der angegebenen Zeit am Bahnhof ein, wo sie den seit zwei Tagen Gesuchten tatsächlich antrafen. Er lächelte.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="633566_image" /></div> <BR /><BR />Rudolf Seeber jun. wurde in die Carabinierikaserne begleitet. Bis um 14 Uhr behielt man ihn dort. Dem Vernehmen nach war von der Staatsanwaltschaft in Bozen ein striktes Verbot erlassen worden, dem Verdächtigen Fragen zu stellen. Dieser versuchte von sich aus, den Ordnungshütern seine Abwesenheit zu erklären und ihnen ein Alibi aufzutischen, das — wie später zu erfahren war — ziemlich konstruiert und daher unglaubwürdig schien. <BR /><BR />Aus den Mienen seiner Gesprächspartner dürfte der junge Mann abgelesen haben, dass sie ihm keinen großen Glauben schenkten. Er behauptete jedoch steif und fest, in keiner Weise in das Geschehen verwickelt zu sein und sich mehrere Tage in Österreich aufgehalten zu haben. (Dem steht die Zeugenaussage des Bekannten gegenüber, der zu hundert Prozent sicher war, den jungen Seeber am Mittwochmorgen um 7 Uhr im Bahnhof Franzensfeste erkannt und mit ihm gesprochen zu haben.)<BR /><BR /><b>Das Geständnis</b><BR /><BR />Um 14.10 Uhr wurde Rudolf Seeber jun. von Hauptmann Bruno Desiato zum bereitstehenden beigen Fiat Uno geführt. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="633569_image" /></div> <BR />Staatsanwalt Vincenzo Luzi verhörte den jungen Mann ab 15.30 Uhr. Das Alibi brach an diesem Nachmittag unter den gezielten Fragen des ermittelnden Beamten zusammen, und Rudolf Seeber jun. ließ die Maske fallen. Die Unbekümmertheit und Heiterkeit, mit denen er die Behördenvertreter zu täuschen versucht hatte, machte zunehmender Unsicherheit Platz, er verlor den Boden unter den Füßen und legte schließlich, als seine Ausflüchte nichts halfen, ein umfassendes Geständnis ab.<BR /><BR /><b>Hass auf Bruder</b><BR /><BR />Demnach war das Motiv der Tat im Hass Rudolf Seebers gegen seinen um ein Jahr älteren Bruder Werner zu suchen. Angeblich soll er unter diesem und unter der Bevorzugung Werners durch den Vater sehr gelitten haben. Ein Übermaß an Hass soll sich in ihm aufgestaut haben, das sich dann explosionsartig in diesem schrecklichen Verbrechen entladen hat.<BR /><BR /><b>Was hat sich im einzelnen zugetragen?</b><BR /><BR />Rudolf Seeber jun. soll den Mord geplant haben. Sonntagnacht soll er sein Fiobert-Kleinkalibergewehr (6 mm) von Brixen, wo er im väterlichen Schloß Hahnberg wohnte, nach Sterzing gebracht und in der Nähe der Wohnung in der Frundsbergstraße versteckt haben. Montagfrüh begab er sich auf das Zimmer seines Bruders. Von Angesicht zu Angesicht legte er das Gewehr auf ihn an und schoss ihn in die Brust. <BR /><BR />Der Bruder war jedoch nicht gleich tot. Mit dem Kolben der Waffe schlug er auf seinen Kopf und feuerte dann einen zweiten Schuss ab. Er wollte das Zimmer wieder verlassen, doch kam der durch die Schüsse alarmierte Vater Rudolf dazu. Ihm hieb der gleichnamige Sohn mit einer Axt, die in der Nähe lag, gleichfalls auf den Kopf. Der Vater torkelte, doch der Sohn, völlig entfesselt in seinem Zorn und Hass, ging ihm nach und fügte ihm mit der Axt weitere schwere Verletzungen zu. Zweimal schoss er ihn mit dem Kleinkalibergewehr noch in die Brust, als er schon am Boden lag. Den gesamten Montag verbrachte Rudolf Seeber jun. im Haus — zusammen mit den toten Verwandten. <BR /><BR /><b>Vortäuschung des Unfal<b>ls</b></b><b>: Einiges geht schief</b><BR /><BR />Kaltblütig traf der Täter die Vorbereitungen, um das Verbrechen zu vertuschen. Er wollte erreichen, daß es nach einem Verkehrsunfall aussähe und er ungeschoren davonkäme. Am Dienstag in aller Früh — es war noch dunkel — schleifte er die Leiche seines Vaters zur behelfsmäßigen Garage neben dem Haus, legte sie in den Kofferraum des familieneigenen Peugeot 305 und fuhr bis vor Ritzail, wo er sie unweit der Straße niederlegte. Er kehrte nach Sterzing zurück und wollte die Leiche seines Bruders Werner auf die gleiche Weise ins Maulser Tal befördern. Dies war nicht mehr möglich, denn die Leichenstarre war schon zu weit fortgeschritten. Er brachte ihn im Kofferraum nicht mehr unter. Mit einer Unverfrorenheit, die erschaudern ließ, setzte er den toten Bruder neben sich auf den Vordersitz. Niemand begegnete ihm, und so traf er wieder im Maulser Tal ein. Um alle Spuren zu verwischen, übergoss Rudolf seines Vaters und Bruders Leichen mit Benzin, ebenso den Wagen. Bevor die Flüssigkeit richtig brannte, setzte sich das Auto jedoch in Bewegung und stürzte den steilen Hang hinab.<BR /><BR />Der Doppelmörder setzte dem Fahrzeug nach, aus dem nach 40 Metern der leblose Körper des Vaters herausgeschleudert wurde. Mit dem mitgenommenen Benzinkanister übergoss er diesen erneut und zündete ihn an. Dasselbe hatte er mit seinem Bruder vor, der weitere 90 Meter tiefer im Gelände lag. Doch näherte sich zu dieser Zeit — es dürfte gegen 7 Uhr gewesen sein — ein Bewohner des Tales dem Schauplatz des dramatischen Geschehens. Der Mörder suchte sofort das Weite. Es gelang ihm, sich zu einer Bahnstation durchzuschlagen, obwohl vermutlich wenige Stunden später nach ihm gefahndet wurde, und mit dem Zug nach Venedig zu fahren.<BR /><BR /><b>Wer war Rudolf Seeber jun.?</b><BR /><BR />Über seine Vergangenheit war damals in Erfahrung zu bringen, dass er nach der Mittelschule die zweijährige Handelsschule und anschließend eine Konditorlehre absolviert hat. In jener Zeit, die etwa sieben Jahre zurückliegt, kannte man ihn als sehr friedfertig. In keiner Weise soll er je gewalttätig gewesen sein. Er soll stark unter dem Tod seiner Mutter gelitten haben, sie starb als er erst 10 Jahre alt war. <BR /><BR />Nur Gutes wurde auch über seinen Bruder Werner berichtet. Er studierte drei Jahre Jus in Innsbruck, leistete dann seinen Wehrdienst ab und setzte das Studium in Florenz fort, wobei er allerdings die Fakultät wechselte und sich auf Forstwirtschaft verlegte. <BR /><BR />Von seinen Freunden wird er als bescheiden und sehr friedlich geschildert. Über Familienangelegenheiten wurde in diesem Freundeskreis angeblich nie gesprochen. Offenbar fühlte sich Rudolf jedoch zurückgesetzt, denn sowohl Werner als auch der jüngste Bruder Herbert (19) durften studieren.<BR /><BR />Dies dürfte aber nicht der einzige Grund gewesen sein, der in dem jungen Zuckerbäcker jene Gemütshaltung gefördert hat, die sich allmählich in Missachtung jeden Gesetzes zu blankem Hass entwickelt hat und in das grausame Verbrechen in Sterzing gemündet ist. Wohl niemand hätte dem jungen Mann eine solche Tat zugetraut.<BR /><BR /><b>Verurteilung und Tod</b><BR /><BR />Rudolf Seeber jun. wurde im Mai 1985 zu 22 Jahren und 4 Monaten Haft verurteilt. Im November 1986 wurde die Strafe vom Berufungsgericht auf 17 Jahre und 5 Monate herabgesetzt. In einem seiner Hafturlaube im Jahr 1992 kam er im Alter von 32 Jahren bei einem Autounfall ums Leben.