Mittlerweile ist es reine Glückssache, wenn man Armin Kusstatscher hierzulande noch antrifft. Denn über den Daumen gepeilt ist er lediglich 4 Wochen im Jahr daheim, den Rest verbringt er auf hoher See.<BR /><BR /> „Tatsächlich ist es so, dass ich nach 2 Tagen in Südtirol wieder die Sehnsucht nach dem Ozean verspüre, dann brauche ich wieder die Weite des Horizonts, die Wellen, den Wind und dieses Gefühl von Freiheit.“ Erst auf dem Ozean gehe sein Puls wieder runter. Längst ist aus Armin, dem einstigen Goldschmied aus Bozen, ein wahrhaftiger Seemann geworden. <BR /><BR />Aber es ist beileibe nicht nur ein Vergnügen, dem er nachgeht, sondern vor allem ein knallhartes und verantwortungsvolles Business, denn schließlich muss er für die sichere Überfahrt der anvertrauten Segelboote von der Werft bis zum Zielhafen sorgen. Zu diesem Zweck hat er im Laufe von 10 Jahren ein ansehnliches Team aufgebaut und kann mittlerweile auf ein gutes Dutzend seekundiger Männer und ein bewährtes Netzwerk zurückgreifen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="784766_image" /></div> <BR /> Er arbeitet mit mehreren Werften zusammen, die vorwiegend im Golf von Biskaya an der französischen Atlantikküste angesiedelt sind und steuert zumeist millionenschwere Katamarane mit einer kleinen Crew zum vereinbarten Zielhafen. Meistens muss er dabei vom Norden um die iberische Halbinsel segeln, 2 Stopps (Motorservice und Tankstopp) einplanen und dann einen Mittelmeerhafen ansteuern, hin und wieder kann die Überfahrt aber auch über die Weltmeere gehen. <h3> Härtetest bei 9 Meter hohen Wellen</h3>In der Regel dauert eine klassische Überfahrt von der Biskaya bis nach Kroatien 3 bis 4 Wochen, aber auf hoher See kann der schönste Plan recht schnell durchkreuzt werden – etwa von aufkommenden Stürmen, von technischen Zwischenfällen oder auch von Meinungsverschiedenheiten an Bord. Armin stellt klar: „Es kann schon vorkommen, dass ich dem Eigner des Bootes klarmachen muss, dass an Bord eben einer das Kommando innehaben muss und dies letztlich in seinem Interesse ist. Da muss man einfach Tacheles reden, auch wenn ich nur der kleine Südtiroler bin, der sein teures Boot steuert.“ <BR /><BR />Dann erzählt er, was dieser außergewöhnliche Job alles so mit sich bringt, geht dabei auf technische, logistische und menschliche Aspekte ein. Man muss sich mit der Funktionsweise der Jachten genau auskennen und bei allen möglichen Zwischenfällen die richtige Lösung parat haben. „Ein wichtiger Punkt ist der erste Testlauf, dazu zählt eben auch die Bewährungsprobe mit 8 bis 9 Meter hohen Wellen“, gibt er Einblick in sein Metier. <BR /><BR />Immer wieder müssen Dinge repariert werden, klarerweise gilt es das Segel-Handwerk bis ins kleinste Detail zu beherrschen, da es verschiedenste Boots- und Segeltypen gibt. Das Meer mit seinen Untiefen und plötzlichen Wetterumschwüngen muss man zu deuten wissen, in jeder noch so haarigen Situation gilt es Ruhe zu bewahren. <h3> Nur den Gesetzen der Weltmeere verpflichtet</h3>Doch der erfahrene Seemann beschwichtigt: „Das klingt alles nach viel Stress, aber letztlich handelt es sich um einen wunderschönen Beruf. Ab und zu kann es halt etwas extremer werden.“ Dann beschreibt Armin die Idylle auf hoher See, die tiefroten Sonnenuntergänge, die Beobachtungen von Delfinen oder den üblichen Ablauf, wenn man in einen Hafen einläuft und mit den Hafenarbeitern Fisch gegen Bier tauscht. Es ist wohl dieses stetige Wechselspiel mit den Elementen Wasser und Wind und das Bewusstsein, lediglich den Gesetzen der Weltmeere verpflichtet zu sein, was das unverwüstliche Naturell eines echten Skippers ausmacht. <BR /><BR /><embed id="dtext86-55002712_quote" /><BR /><BR />„Ein entscheidender Aspekt ist die Crew selbst, denn je besser sie aufeinander abgestimmt ist, desto stärker schweißt das zusammen“, weiß Armin. Über mehrere Wochen ist man auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen: Man muss sich aufeinander verlassen können, hält Nachtwache, kocht zusammen, muss miteinander umgehen lernen. Durch diese enge Vertrautheit entwickeln sich unweigerlich tiefe Freundschaften. Allerdings dürfe man auch nicht zimperlich sein, wenn mal die Meinungen auseinander gehen. <h3> Armins Knowhow ist gefragt</h3>„Nein, ich habe nie bereut, dass ich meinen einstigen Beruf als Goldschmied aufgegeben und diesen Weg eingeschlagen habe“, überlegt Armin. 2013 wagte er den Schritt, voll und ganz in dieses Metier einzusteigen. Seitdem hat er viel erlebt, ist auch schon mal in einen Hurrikan geraten und hat so manches Andenken in Form von Blessuren davongetragen. <BR /><BR />Vor allem aber hat er konsequent seine Vorstellungen von diesem Job weiterentwickelt. Mittlerweile signiert er als Chef des vielseitigen Dienstleisters mit dem Namen „Pro Deliveries“. Zusätzlich zur reinen Überfahrt kümmert er sich um Kundenwünsche und Verkaufsgespräche, ist technischer Berater und neuerdings gar für das Entwicklungsteam einer Werft tätig. Vorrangig geht es dabei um den Bau und die Funktionsweise von Katamaranen. Armin versorgt die Entwickler mit Tipps aus der Praxis. <BR /><BR />Mehrere Hundert Überfahrten hat er bisher verantwortet, bereits deren 26 waren es allein in diesem halben Jahr. Hin und wieder nimmt er dabei auch Interessierte und Bekannte aus Südtirol mit – allerdings müssen sie „Atlantik-tauglich“ sein. „Es läuft gut, vor allem seit dem Aufkommen von Corona hat ein regelrechter Boom eingesetzt“, sagt der 61-Jährige. Diesen Boom erklärt er sich mit der Ruhe und totalen Freiheit auf hoher See: Segeln auf Katamaranen sei in der Regel purer Genuss und maximale Entspannung. Dass dieses schöne Versprechen auch eingelöst wird, dafür sorgt der ausgefuchste Skipper aus Bozen.<BR />