<b>Steht Europa und damit auch Südtirol eine starke Grippewelle bevor?</b><BR />Prof. Christian Wiedermann: Die Entwicklung in Europa deutet darauf hin, dass es tatsächlich eine viel stärkere Grippewelle geben wird, als wir sie vor der Pandemie – 2019 – gehabt haben.<BR /><BR /><b>Wird diese Grippewelle dann auch womöglich länger anhalten?</b><BR />Wiedermann: Überraschend für heuer ist, dass wir trotz des warmen Oktobers eine viel stärkere Einmeldung von Grippeerkrankungen in das Meldesystem haben als in den Jahren davor. Italien ist vom Klima her, was die Grippe betrifft, begünstigt und steht ganz am Anfang des Anstiegs. Ende Oktober ist es zwar zu einer sprunghaften Vermehrung gekommen, die Gesamtzahlen waren aber in der ersten Novemberwoche noch niedrig. Alle rechnen jedoch damit, dass die Zahlen mit den kälter werdenden Temperaturen auch in Italien steigen werden. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Grippewelle länger dauern wird. 2021 gab es wenige Grippefälle wegen der Schutzmaßnahmen, da war der Gipfel der Grippewelle erst gegen April/Mai. Wir werden davon ausgehen müssen, dass es diesmal nicht eine 2 bis 3 Monate, sondern eine länger dauernde Grippewelle sein wird.<BR /><BR /><b>Handelt es sich bei den neuen Grippeviren um solche, die man bereits von früheren Wellen kennt, also um keine überraschend neuen?</b><BR />Wiedermann: Ja. Das Grippevirus setzt sich jedes Jahr ein bisschen anders zusammen. Wir wissen, dass die Viren, die heuer da sind, auch schon früher da waren. Ein bestimmter Virustyp dominiert und es zirkulieren noch ein paar andere Virustypen. Aufgrund der Überwachung der Viren, die krankheitsverursachend sind, wissen wir, dass es sich um keine besondere Mutation oder neue Grippevirusart handelt. Diese Grippeviren, die jetzt tatsächlich gekommen sind, sind auch mit den für die jeweilige Welle optimierten Impfstoffen abgedeckt.<BR /><BR /><b>Kann man vorhersagen, mit wie vielen Fällen einer viralen Doppelinfektion Grippe-Corona heuer in Südtirol zu rechnen sein wird?</b><BR />Wiedermann: Nein, das wäre rein spekulativ. Aber wenn es bei der geringen Häufigkeit von Grippe-Fällen im vergangenen Jahr in England immerhin 8 Prozent an Doppelinfektionen gegeben hat, so ist zu befürchten, dass es heuer mehr sein werden – auch in Südtirol. <BR /><BR /><b>Wie ist der Erkrankungsverlauf bei einer Doppelinfektion Grippe-Corona?</b><BR />Wiedermann: Der Erkrankungsverlauf ist eindeutig schlimmer. Das Risiko ist auch höher, auf die Intensivstation zu müssen. <BR /><BR /><b>Was empfehlen Sie?</b><BR />Wiedermann: Sich gegen Corona <i>und </i>Grippe impfen lassen. Der Sanitätsbetrieb hat die Impfung so angeboten, dass sie in einer Sitzung verabreicht werden kann. Wer nicht Corona-geboostert ist, soll sich Corona-boostern lassen und wer nicht gegen Grippe geimpft ist, soll sich gegen Grippe impfen lassen – <i>alle</i>, besonders aber die Risiko-Gruppen. Auch Kinder und Kleinkinder können von einer Grippe schwer betroffen sein – mit Mittelohrentzündungen, Nebenhöhleneiterung usw. – und sollten deshalb geimpft werden – ebenso Schwangere, über 60-Jährige und auch Babys nach dem 6. Lebensmonat. Wichtig ist, dass wir am Ende dieser Grippesaison nicht zu viele potenziell vermeidbare Infektionen haben werden. Eine Grippewelle hat ja auch enorme wirtschaftliche Folgen und verursacht hohe Kosten – auch für das Gesundheitswesen. Wir sollten uns deshalb impfen lassen – nicht nur für den privaten Schutz.<BR />