<h3> Der Südtiroler Adel – Herkunft und Entstehung</h3> Die Geschichte des Südtiroler Adels ist eng mit der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung unseres Landes verbunden. Bereits im Mittelalter und der frühen Neuzeit spielten die Tiroler Adelsfamilien eine zentrale Rolle in der Verwaltung, der kulturellen Entwicklung, im kirchlichen Leben und der Verteidigung des Landes.<BR /><BR /> Der Tiroler Adel nimmt spätestens mit der Verleihung des großen Freiheitsbriefes 1342 durch Ludwig von Brandenburg, Gemahl der letzten Gräfin Margarete Maultasch von Tirol, eine bedeutende Rolle ein. 1361 gründeten adelige Familien bereits die Tiroler Adelsmatrikel als Standesvertretung für den – in diesem Jahrhundert bereits errichteten - landständischen Landtag, der bis 1848 tagte.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1109082_image" /></div> <BR /> Der Tiroler Adel war in der Folge einer der vier Landstände im Landtag, neben der Geistlichkeit, den Bürgern und den Bauern. Deshalb sagte der legendäre Tiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer des öfteren: „Tirol ist wohl die älteste Festlanddemokratie Europas, nur England ist älter.“<BR /><BR />Zu den ältesten heute noch blühenden Adelsgeschlechtern ganz Tirols zählen unter anderem die Brandis, Castelbarco, Arco, Firmian, Khuen, Spaur, Vintler, Wolkenstein, Lodron oder Thun. Diese alten Adelsfamilien blühen heute noch und sie können ihren Stammbaum bis ins 12. / 13. Jahrhundert zurückverfolgen. In der Folge wurden bis ins beginnende 20. Jahrhundert noch dutzende Familien durch den römisch- deutschen Kaiser und ab 1804 durch den Kaiser von Österreich in den Adelsstand erhoben. <BR /><BR />Mit dem Ende des Königreichs Italiens verlor der Adel dann offiziell seine Standesposition, nicht jedoch seinen Besitz. <h3> Adelsfamilien Heute</h3> Auch heute gibt es die Adelsbezeichnungen noch, sie sind durch die Verfassung von 1948 Bestandteil so mancher Südtiroler Familiennamen. <BR /><BR /><b>Wie viele Adelsfamilien gibt es heute noch in Südtirol?</b><BR />Alexander von Egen: In den historischen Landesteilen Tirols gibt es heute noch etwa 140 Adelsfamilien, die in der Adelsmatrikel eingetragen sind, davon etwa 80 in Südtirol. Die volljährigen Männer tragen den schönen historischen Titel Herr- und Landmann in Tirol, zudem tragen sie den Tiroler Adler mit dem Ehrenkränzel als Matrikelzeichen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1109346_image" /></div> <BR /><b>Was hat es mit der Bezeichnung „Oblesse Oblige“, also „Adel verpflichtet“ auf sich?</b><BR />Dieser Begriff bezieht sich auf ein Gesamtpaket des Wertebewusstseins, das über Jahrhunderte geprägt wurde. Es umfasst Traditionsbewusstsein, Familien- und Nächstenliebe, Verbindung zum Glauben, Demut und einfacher Hilfsbereitschaft. Sie sieht zudem vor, Wissen und die eigenen Fähigkeiten in private und öffentliche Ämter einzubringen und auch weiterzugeben.<BR /><BR /><BR /><b>Was macht der Adel heute? Hat er noch Funktionen?</b><BR />Von Egen: Der Adel hat heute in Südtirol keine offiziellen Funktionen mehr, wie sie früher in der Monarchie existierten. Dennoch spielt er eine gewisse gesellschaftliche Rolle und wird vielfach auch respektiert.Viele Adelige sind in verschiedenen Berufen tätig, darunter als Unternehmer, Beamte, Professoren oder in der Verwaltung. <BR /><BR />Sie engagieren sich auch in wohltätigen Aktivitäten, oft ohne viel Aufsehen darum zu machen, so zum Beispiel auch beim Souveränen Malteser- Ritter-Orden. Die Adelsfamilien treffen sich gelegentlich bei gesellschaftlichen Anlässen wie Hochzeiten, Beerdigungen und verschiedenen Festen, was den Kontakt untereinander pflegt. <BR /><BR />Die Adelsfamilien kümmern sich heute zudem noch um die Erhaltung des historischen Besitzes wie Burgen, Schlösser, Edelsitze oder andere Immobilien für die nächste Generation, was oft nicht einfach ist, da mit großen Erhaltungsspesen verbunden.<BR /><BR /><BR /><b>Wie wachsen die Kinder heute in Adelsfamilien auf?</b><BR />Von Egen: Die Kinder in Adelsfamilien wachsen auch heute noch vielfach in einem Umfeld auf, das sich stark an traditionelle Werte, also auch dem „Noblesse Oblige“ orientiert. Viele Adelige bemühen sich, ihre Kinder entsprechend zu erziehen, wobei Aspekte wie Anstand, Höflichkeit, Einfachheit, Demut und Sparsamkeit betont werden. Es wird Wert darauf gelegt, eine gewisse religiöse Erziehung zu fördern und die Traditionen der Familie aufrechtzuerhalten.<BR /><BR />Zusätzlich wird ein gesundes Bewusstsein für die eigene Herkunft und Geschichte vermittelt, was den Kindern hilft, ihre Gegenwart zu verstehen und eine Vorstellung von ihrer Zukunft zu entwickeln. Die Erziehung zielt darauf ab, die Kinder in einem Rahmen von Werten und Traditionen zu fördern, die bei uns auch in anderen Bevölkerungsschichten zu finden sind. Jedoch sind diese Traditionen möglicherweise in einer besonderen Weise durch die Geschichte des Adels geprägt sind. <BR /><BR /><BR /><b>Warum spricht man heute noch von Baronen und Grafen wenn die Titel offiziell 1948 abgeschafften worden?</b><BR />Von Egen: Obwohl die Adelstitel in Italien 1948 abgeschafft wurden, werden die Titel als Anrede wie Baron oder Graf, Herr von weiterhin verwendet, da sie Teil des Familiennamens sind. In Italien bleiben diese Bezeichnungen im Meldeamt verzeichnet, wenn die betreffenden Personen in den historischen Adelsregistern eingetragen sind.<BR /><BR />Die Verwendung dieser Titel hat also mehr mit Tradition und Identität zu tun als mit einem tatsächlichen Status oder Privilegien im gesellschaftlichen Leben.