Ein Bericht von P. Moritz Windegger aus Rom, der für uns vom Konklave berichtet und den Tag der Wahl von Papst Leo XIV. gestern hautnah miterlebt hat.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1162965_image" /></div> <BR /> Kardinaldekan Giovanni Battista Re (91) hat nach dem Einzug der Wähler ins Konklave die Stadt Rom verlassen, um im 250 Kilometer entfernten Pompeji nahe Neapel das Fest der Muttergottes vom Rosenkranz zu feiern. <BR /><BR />Der Heilige Geist wehe spürbar stark, sodass das Konklave in Fahrt kommt, sagt er dort Journalisten gegenüber und meint, dass es am Abend bei seiner Rückkehr nach Rom schon weißen Rauch aus der Sixtina geben könnte. Die meisten Journalisten am Petersplatz schütteln bei der Meldung zweifelnd den Kopf. <h3>Besser als jede US-Wahl</h3>Doch als zu Mittag schwarzer Rauch aus dem Kamin quillt, taucht urplötzlich bei den Vatikanisten der großen Zeitungen der Name Robert Prevost auf. Da auszuschließen ist, dass aus der Sixtinischen Kapelle irgendetwas nach außen dringt, muss sich schon während der Beratungen im Vorkonklave ein einigermaßen deutliches Profil abgezeichnet haben. Dass es nur vier Wahlgänge brauchen würde, hatten die am Platz die wenigsten Menschen gedacht. Zu Mittag waren gerade einmal 11.000 Besucher zum Petersdom gekommen, Journalisten inklusive. Das ist ein Zeichen, dass von der viel beschriebenen Spaltung des Kardinalkollegiums in inhaltliche oder auch geografische Lager wenig Wirklichkeit war. <BR /><BR />Die Kirche hat der Politik eine Lektion erteilt, wie man in anwachsendem Sinn für Gemeinschaft zu einer soliden und raschen Entscheidung kommen kann. Zum Vergleich: Jeder US-Präsident muss bis zu seinem Amtsantritt im Weißen Haus ein Vielfaches an Intrigen, Rückschlägen oder Absprachen in Vor- und Hauptwahlen durchstehen als Robert Kardinal Prevost, der nun als Papst Leo XIV. der 268. Bischof von Rom und damit das Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken ist. <BR /><BR />Das Aufsehenerregendste ist gewiss der Papstname: Der letzte Leo, nämlich der Dreizehnte seines Namens, regierte von 1878 bis 1903 und gilt als Begründer der katholischen Soziallehre. Gegen den aufkeimenden Sozialismus holte er die Anliegen der ausgebeuteten Arbeiter mitten in das Glaubensleben der Kirche.<h3>Der erste Papst Leo</h3>Der erste Papst mit diesem Namen, Leo I., auch der Große genannt, lebte im 5. Jahrhundert und gehört zu den Kirchenlehrern der katholischen Kirche. Leo I. setzt den Anspruch durch, dass es die römischen Päpste sind, denen ein Vorrang vor den anderen Kirchenführern zukommt. <BR /><BR />Wie auch immer: Robert Prevost/Leo XIV. ist ein eigenständiger Mensch und er geht einen eigenständigen Weg. Das ist gleich in den ersten Augenblicken am Petersplatz zu spüren. Er dankt seinem verstorbenen Mentor und Vorgänger Franziskus, dessen Wappen war aber im Gegensatz zu früheren Antritten eines neuen Papstes nicht mehr zu sehen. Auf Spanisch grüßt er die Gläubigen der peruanischen Diözese Chiclayo, wo er von 2015 bis 2019 Bischof gewesen war. Seither war Prevost auch Staatsbürger von Peru. <BR /><BR />Geboren ist der neue Papst am 14. September 1955 in Chicago. Er entstammt einer katholischen Familie mit spanischen, italienischen und französischen Wurzeln. Seit gestern ist er der erste US-Amerikaner auf dem Stuhl des heiligen Petrus.<BR /><BR />Nach einem kurzen Schreckmoment, dass wieder kein Italiener zum Papst gewählt wurde, beginnen die mehrheitlich italienischen Gläubigen am Petersplatz mit dem skandierenden Jubel: „Le-on-e. Le-on-e“ tönt es durch die Via della Conciliazione, in der sich nach dem überraschend schnellen Weißen Rauch um 18.07 Uhr Hunderttausende Richtung Benediktionsloggia drängen. <BR /><BR />Der neue Pontifex genießt die Sprechchöre. Dann spricht er mit fester Stimme und in solidem Italienisch seine Botschaft: Der Friede des Auferstandenen möge die Herzen aller Menschen erfassen. Friede ist das Schlagwort, an dem Papst Leo XIV. sein Pontifikat messen will. <h3>Kirche als Gewissen der Politik</h3>Wieder brauche ich ein Taxi, denn am Vatikan noch zu arbeiten, ist jetzt stimmungsbedingt schwierig und an öffentliche Verkehrsmittel ist gar nicht zu denken. Der Verkehr bricht genauso zusammen wie das Mobilfunknetz. Mein Taxifahrer ist zufrieden: Dass es kein Italiener ist, findet er nicht so schlimm. Denn jetzt brauche es an der Kirchenspitze einen Mann wie Prevost, der Politikern wie Donald Trump die Stirn bietet und ins Gewissen redet. Im Stillen denke ich, der redet ja nicht wie ein Taxifahrer, sondern wie der Kardinaldekan.<BR /><BR />Auch Giovanni Battista Re hatte bei der Messe vor dem Konklave davon gesprochen, dass der neue Pontifex in den Menschen das Gewissen wecken müsse. Ein Papst sei auch ein Politiker, führt mein Fahrer weiter aus. Und dieser Papst könne vielleicht verhindern, dass uns die Welt um die Ohren fliegt. <BR /><BR />Auch die Südtiroler in Rom notieren die politische Dimension dieses Amtsantrittes: Kammerabgeordnete Renate Gebhard vertraut darauf, dass es dem neuen Papst gelingt, „für die Menschenrechte, für die Würde eines jeden einzelnen Menschen und für den Frieden“ einzustehen. „Mir hat sehr gut gefallen, dass er sofort dazu aufgerufen hat, Brücken zu bauen“, sagt Gebhard. <BR /><BR />Es braucht einen Brückenbauer. Auch das haben wir im Vor-Konklave öfter gehört. Nur hat dabei kaum jemand an den Augustiner Robert Francis Prevost gedacht. Sein Orden wurde 1244 gegründet und mit der Regel des heiligen Augustinus versehen. Bis 1968 hießen die Ordensmitglieder Augustiner-Eremiten, ihr bekanntester Mitbruder war bisher Martin Luther, der Begründer der Reformation in Deutschland. Der heilige Augustinus war davon überzeugt, dass kirchliches Amt immer ein Dienst an der Gemeinschaft ist.<BR /><BR />Und in diesem Sinn verweist der neue Papst gleich auf den Kirchenlehrer, indem er ihn zitiert: „Mit Euch bin ich Christ, für Euch bin ich Bischof“. Augustiner folgen gemäß den Vorstellungen des heiligen Augustinus nämlich dem Ideal der christlichen Urgemeinde, wie sie in den biblischen Texten überliefert sind. <BR /><BR /> <video-jw video-id="AfNKc7YW"></video-jw> <BR /><BR />Die Bewahrung von Einheit, gegenseitige Solidarität und das gemeinsame Entscheiden sind zentrale Inhalte augustinischer Spiritualität. Papst Franziskus hätte das Synodalität genannt. Robert Francis Prevost hat als Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe den Kurs seines Vorgängers aus nächster Nähe mitgestaltet. Als Papst Leo XIV. wird er ihn nun weiter. Ganz gewiss mit eigenen Akzenten.