„Wegen des Luftröhrenschnitts konnte ich nicht reden und mich nicht bewegen: die Muskeln waren total weg, ein Gefühl, als wären die Beine einbetoniert“, erzählt der Pensionist. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Gamper, Sie sind im März 2020 schwer an Covid erkrankt. Warum gehen Sie jetzt an die Öffentlichkeit?</b><BR />Norbert Gamper: Weil die Situation wieder ganz schlecht ist, und einfach will, dass sich die Leute der Gefahr bewusst sind und sich nach Möglichkeit impfen lassen.<BR /><BR /><b>Wann genau sind Sie erkrankt?</b><BR />Gamper: Eingeliefert wurde ich am 10. März 2020, habe daran aber keine Erinnerung. <BR /><BR /><b>Hatten Sie Symptome?</b><BR /> Gamper: Ich hatte alle Symptome: Husten Fieber, Atemnot. Ich war 5 Tage daheim, bevor die Hausärztin keinen Ausweg mehr wusste. Aber davon weiß ich nichts mehr. Man hat mir erzählt, dass ich noch aus der Notaufnahme meine Frau angerufen hätte, dass ich jetzt auf die Intensivstation käme. Ich wurde bereits in der Notaufnahme intubiert.<BR /><BR /><b>Wissen Sie, wie Sie sich angesteckt haben?</b><BR />Gamper: Wahrscheinlich bei einer Beerdigung mit Händeschütteln, Weihwasserpinsel in der Hand usw. Jemand, der auch dort war, war dann auch auf der Intensivstation, anscheinend zugleich mit mir.<BR /><BR /><b>Hatten Sie damals Angst vor Corona?</b><BR />Gamper: Nein, ich bin zum Scherz mit einem Kaffeefilter im Gesicht herumgelaufen. Ich habe gelacht über Covid, das kann einen selbst ja nie erwischen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-51613126_quote" /><BR /><BR /><b>Zurück ins Spital. Sie wurden sofort in künstliches Koma versetzt. Erinnerungen daran?</b><BR />Gamper: Da waren diese ganz schlimmen Albträume mit Mord und Totschlag, mit Leuten, die mich mit einer 8-fachen Medikamentendosis vergiften wollten. Man verbindet dabei Erlebtes mit Fantasie. Dr. Clara sagte mir danach, ich sei ein Kämpfer gewesen. Und ich dachte mir, wie sollte ich ein Kämpfer sein, wenn ich da auf dem Buckel im Bett liege. Aber in den Albträumen habe immer eine Ausweg gefunden. In den schlimmsten Albträumen habe ich meine Kollegen angerufen, sie müssten mich retten kommen. <BR /><BR /><b>Die ersten lichten Momente nach dem künstlichen Koma?</b><BR />Gamper: Dass Krankenpflegerin Tamara mir das Essen eingegeben hat oder dass mich ein Arzt mit seinem Privathandy hat ein Videotelefonat hat führen lassen. Das waren Highlights. Und ein weiteres war ein schöner Gruß von einem Kollegen, den er über einen Krankenpfleger hat ausrichten lassen. Ich war zurück im Leben. Und dann hab ich noch eine Erinnerung. Ich konnte den Monitor eines anderen Intensivpatienten sehen, sah den Ausschlag der Herztöne, hörte das regelmäßige Piepen und dann den durchgehenden Ton und eine flache Linie.<BR /><BR /><b>Angst zu sterben?</b><BR />Gamper: Nur in den Träumen. Einer der schlimmsten Träume war, dass ich in der Leichenkapelle aufgewacht bin, ein kahler Raum mit eingelassenem Kreuz in der Mauer und eine runde Uhr, die rückwärts gegangen ist. Und in einem anderen Traum war da ein schmiedeeisernes Kreuz vor dunklem Hintergrund. Auf einem Balken saß ich und auf dem anderen ein Engel, der das Kinn aufstützt, wie man sie am Friedhof sieht. So jetzt sterbe ich, jetzt sind alle Probleme vorbei, jetzt fängt eine schönere Zeit an, jetzt muss ich mich um nichts mehr sorgen, dachte ich mir. Dann hat es mir einen Riss gegeben, ich bin ja ein kommunikativer Mensch und sagte zu mir: Ja wie gestorben? Reden kann ich nicht, schreiben auch nicht, wie kann ich den anderen mitteilen, wie diese Zeit im Krankenhaus war? Das geht gar nicht und deswegen wollte ich zurück ins Leben.<BR /><BR /><b>Wann waren Sie wieder ansprechbar?</b><BR />Gamper: Nach 14 Tage Koma hat man langsam das Aufwachen eingeleitet und 4 Tage später die Sedierung abgesetzt. Da war ich erst das erste Mal ansprechbar und nach 4 Wochen habe ich erstmals wieder spontan geatmet. Wegen des Luftröhrenschnitts konnte ich nicht reden und mich nicht bewegen. Die Muskeln waren total weg, ein Gefühl, als wären die Beine einbetoniert. Ich konnte mich im Bett nicht allein umdrehen. Nach einem Monat wurde mir die Magensonde entfernt und ich stand das erste Mal auf eigenen Beinen, allerdings links und rechts gestützt. Nur aufgestanden, keinen Schritt gegangen. <BR /><BR /><b>Sie konnten nicht mehr reden. Wie haben Sie sich verständigt?</b><BR />Gamper: Weil es mit Gestikulieren nicht ging, fragte ich nach einem Zettel. Man brachte mir eine Tafel und Stift, aber mein Arm rutschte schlaff ab, also war mit Schreiben leider auch nichts.<BR /><BR /><embed id="dtext86-51613129_quote" /><BR /><BR /><b>Hatten Sie Schmerzen?</b><BR />Gamper: Nein, Schmerz empfunden habe ich nie, aber die Nächte waren lang. Ich muss unbedingt betonen, dass die Behandlung im Meraner Krankenhaus super war. Ich wurde wie nur möglich gepflegt und umsorgt – mit allem bis zum Pölsterchen.<BR /><BR /><b>Nach 4 Wochen Intensiv- und einer Woche Covid-Normstation ging’s 3 Wochen in die Annaklinik. Warum?</b><BR /> Gamper: Bis ich negativ war, allerdings ohne Physiotherapie. Gymnastik im Bett habe ich selbst gemacht. Jetzt schaue ich mit „wassrigen“ Augen nach Deutschland, was jetzt dort an Reha geboten wird. Die Sauerstoffflasche habe ich auch Zuhause noch gebraucht. Nach diesen Wochen bin ich auch daheim noch nicht allein ins Bett gekommen. Zur ersten Untersuchung im Spital bin ich mit dem Rollator. Autofahren war viel besser als Gehen.<BR /><BR /><b>Sie kämpften wochenlang im Spital um Ihr Leben, was entgegnen Sie Leuten, die sagen, das ist alles nur Fake, diese Krankheit gibt es gar nicht...</b><BR />Gamper: Das ist völlig unverständlich. Es ist alles in den 215 Seiten des klinischen Berichts drinnen – mit über 50 Blutbildern. Ich habe Medikamente bekommen, das hörte ja nicht mehr auf. Wenn jemand lieber den Querulanten und Querdenkern glaubt, der muss auch mit den Folgen rechnen. In Österreich und Deutschland stehen Ärzte bald vor der Triage sprich der Frage: Wer kriegt das Intensivbett, muss der ältere Mensch sterben, weil sich für den Jüngeren das Intensivbett auszahlt?<BR /><BR /><embed id="dtext86-51613712_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Als Sie erkrankt sind, war weit und breit kein Impfstoff in Sicht. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie Impfgegner hören?</b><BR />Gamper: Ich will da niemanden verurteilen, aber die militanten Impfgegner müssen sich im Klaren sein, dass wenn die Betten sind voll, sich die Frage stellt, wen lassen wir sterben. Das könnte dann auch ein Bekannter oder ein Freund von ihnen sein, der auf die Intensivstation kommt, aber das Bett für einen Jüngeren oder für einen Verunfallten gebraucht wird. Und jeder, der sich nicht impfen lässt, muss sich im Klaren sein, dass er selbst schwer erkranken kann.<BR /><BR /><b>Ist von Ihrer Covid-Erkrankung etwas zurückgeblieben?</b><BR />Gamper: Wenn es irgendwo zwickt, meldet sich die kleine Gehirnzelle mit der Sorge: Ist nicht doch etwas von der Corona-Erkrankung zurückgeblieben? Aber ich habe nur am Lungenflügel eine kleine Schädigung, die mich aber laut Ärzte nicht weiter beeinträchtigt. <BR /><BR /><b>Besorgt, wenn Sie die steigenden Infektionszahlen sehen?</b><BR />Gamper: Ich sorge mich nicht um mich, denn ich lasse mich das dritte Mal impfen. Ich sorge mich um die Enkel und um die Zukunft, die den Jüngeren verbaut wird, weil die Leute die Situation nicht so ernst nehmen. Für manche Leute ist heute das Feiern wichtiger als die Gesundheit. Dabei könnte es durchaus sein, dass sie monatelang nicht mehr feiern oder gar nicht mehr zum Feiern kommen.<BR /><BR />