Wenn bestimmte Botenstoffe im Gehirn aus der Balance geraten, kann dies zu ungewöhnlichem Verhalten führen, sagt der bekannte Bozner Psychiater. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Dr. Conca, gleich direkt gefragt: Was ist dran an dem so genannten „Killer“-Gen?</b><BR />Primar Andreas Conca: Wenn damit gemeint ist, dass ein Gen allein dafür verantwortlich ist, dass ein Mensch einen anderen tötet, dann nichts. Es gibt aber sehr wohl einige wenige Gene, die dazu beitragen können, dass Menschen mit ihren Emotionen, mit ihrem Stress, mit Aggressivität besser oder weniger gut umgehen können. Gene können also die Resilienz einer Person keinesfalls bestimmen, wohl aber mitbeeinflussen. <BR /><BR /><b>Wie kann man sich das vorstellen?</b><BR />Primar Conca: Nehmen wir als Beispiel ein Fußballspiel: Es besteht aus den Regeln, aber auch aus den Spielern, den Zuschauern, dem Stadion, dem Fußballfeld, dem Ball usw. Die Regeln – hier stellvertretend für die Gene - , und alle anderen Komponenten bzw. die Umgebung machen erst das Match in seiner Gesamtheit aus und entscheiden, ob das Spiel 1 zu 0 oder 0 zu 3 ausgeht. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-49002701_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Das heißt aus der psychiatrischen Sichtweise?</b><BR />Primar Conca: Wenn es um das Verhalten, das Denken, die Gefühle, den Biorhythmus geht, spielen die Gene durchaus eine Rolle, aber die Ausdrucksweise, die Stärke, die Vielfalt von Emotionen hängen vom Charakter ab, und der ist mehr als nur Gene. Da spielen die Bindung zur Mutter, die Familiengeschichte, das soziale Umfeld und Beziehungen, die Bildung, die ökonomische Sicherheit eine viel wichtigere Rolle. Ich kann mit einer Hakennase geboren werden, aber was ich dann aus meinem Äußeren mache, hängt schon von anderen Faktoren ab, insbesondere von mir selbst.<BR /><BR /><b>Es gibt aber etwas, das umgangssprachlich „Killer“-Gen genannt wird....</b><BR />Primar Conca: Ja, gemeint ist damit das MAOA-Gen (Monoaminoxiadse-A). Wir haben im Gehirn Botenstoffe, diese müssen gebildet und wieder abgebaut werden. Enzyme stellen dabei ein Gleichgewicht her, eines ist das MAOA-Enzym. Es ist für Abbau, Abtransport und Recycling zuständig. Je nachdem, wie langsam oder schnell es arbeitet, werden Botenstoffe eben langsamer oder schneller abgebaut. Bei Überschüssen oder zu schnellem Abbau kann sich das durchaus auswirken, die betroffene Person kann Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Eine Person mit einer MAOA-Transportschwäche kann beispielsweise – mit anderen Umständen zusammen – eher dazu neigen, depressiv oder aggressiv zu werden. <BR /><BR /><embed id="dtext86-49002705_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Inwieweit hätte die Untersuchung der Speichelprobe von Benno Neumair u.a. auf das MAOA-Gen relevant sein können?</b><BR />Primar Conca: Zu diesem Fall kann ich nichts sagen, ich weiß aber von einem Fall in Italien, bei dem einer Angeklagten aufgrund einer genetischen Variante mildernde Umstände zugestanden worden sind. Was aber unbedingt klar sein muss: Wenn jemand das Gen hat, wird er weder von seinem Gewissen noch von seiner Verantwortung für seine Taten befreit. <BR /><BR /><b>Es bleibt also spannend, was die Forschung auf diesem Gebiet noch ergeben wird. Wie ist derzeit der Stand?</b><BR />Primar Conca: Die Wissenschaft ist in einem heißen internen Diskurs und muss sicher noch ganz viel in die Forschung investieren. Und dafür gibt es gute Gründe, wenn es um echte Prävention geht und um Respekt vor der Würde des Menschen. Es darf beispielsweise nicht dazu führen, dass Menschen aufgrund genetischer Dispositionen ungleich behandelt werden. Auf keinen Fall dürfen utilitaristische Ziele dahinterstehen.<BR />