Es war der erste Schrei ihrer Tochter, der Moment, auf den Ivana Nikoline Brønlund neun Monate gewartet hatte. Am 11. August brachte die 18-Jährige in einem Krankenhaus bei Kopenhagen ihre Tochter Aviaja-Luuna zur Welt. Doch kaum eine Stunde später erlebte Brønlund den härtesten Einschnitt ihres Lebens: Mitarbeiter der Kommune Høje-Taastrup nahmen ihr das Kind ab – gegen ihren Willen. Die Geschichte macht international Schlagzeilen.<BR /><BR />Begründet wurde der drastische Schritt mit sogenannten „Elternkompetenztests“ (FKU), die ihre Eignung als Mutter infrage stellten. Doch diese psychometrischen Verfahren sind seit Mai 2025 für Menschen mit grönländischem Hintergrund verboten.<BR /><BR /> Menschenrechtsorganisationen hatten jahrelang kritisiert, die Tests seien rassistisch und kulturell ungeeignet. Brønlund, geboren in Nuuk als Tochter grönländischer Eltern, hätte also gar nicht getestet werden dürfen.<h3> „Nicht grönländisch genug“</h3>Umso brisanter: Laut Brønlund erklärten die Behörden, sie sei „nicht grönländisch genug“, damit das Gesetz für sie gelte. Stattdessen verwiesen sie auf ihre traumatische Kindheit – ihr Adoptivvater sitzt wegen sexuellen Missbrauchs im Gefängnis. Für Aktivistinnen ist dies ein Skandal. „Es fühlt sich an, als würde Ivana für etwas bestraft, wofür sie nichts kann“, sagt Dida Pipaluk Jensen, die in Reykjavík Proteste gegen den Umgang mit Inuit-Eltern organisiert, dem britischen „Guardian“.<BR /><BR />Brønlund durfte ihre Tochter bislang nur ein einziges Mal sehen – für eine Stunde, unter Aufsicht, ohne sie zu trösten oder zu wickeln. Weitere Besuche sind lediglich alle zwei Wochen für zwei Stunden gestattet. „Mein Herz ist gebrochen“, sagte die junge Mutter. „Ich wusste schon während der Schwangerschaft, dass sie mir mein Baby wegnehmen würden.“<h3> Welle der Empörung</h3>In Nuuk demonstrierten bereits Hunderte Menschen, weitere Kundgebungen sind in Kopenhagen, Reykjavík und Belfast geplant. Auch die dänische Sozialministerin Sophie Hæstorp Andersen zeigt sich alarmiert: „Standardisierte Tests dürfen bei Familien mit grönländischem Hintergrund nicht angewandt werden. Das Gesetz ist eindeutig.“ Sie hat die Kommune zu einer Stellungnahme aufgefordert, so der „Guardian“.<BR /><BR />Die Verantwortlichen in Høje-Taastrup räumten inzwischen Fehler ein. Man habe die Fachstelle VISO, die für Inuit-Familien zuständig ist, zwar im Jänner kontaktiert, jedoch nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht erneut einbezogen. „Wir müssen anerkennen, dass wir den rechtlichen Rahmen nicht korrekt umgesetzt haben“, sagte die zuständige Direktorin Anya Krogh Manghezi.<h3> Wiederkehrendes Muster</h3>Der Fall erinnert an den von Keira Alexandra Kronvold, einer weiteren Grönländerin, deren Baby zwei Stunden nach der Geburt von dänischen Behörden entzogen wurde. Auch sie ist bis heute von ihrer Tochter getrennt.<BR /><BR />Organisationen wie Foreningen MAPI, die Inuit-Familien in Dänemark unterstützen, fordern nun umgehende politische Konsequenzen. „Hier erleben wir ein Versagen gegenüber Mutter und Kind“, schreibt Gründerin Laila Bertelsen an die Ministerin.<BR /><BR />Hæstorp Andersen will im September nach Grönland reisen – dort dürfte Ivana Brønlunds Schicksal die Debatte bestimmen. Für die junge Mutter zählt unterdessen nur eins: „Ich will mein Kind zurück.“