Im Interview spricht der 36-jährige Produktsicherungsingenieur für Weltraumsysteme über die Marsmission, seinen anspruchsvollen Job in Bremen und seine Zeiten als Skiprofi.<BR /><BR /><b>Herr Patscheider, Sie haben im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) den Marsmondrover IDEFIX mitentwickelt und waren kürzlich in Japan für die Übergabe an die japanische Raumfahrtagentur JAXA. Warum Japan?</b><BR />Hagen Patscheider: Genau, der Rover ist Teil der Mission Martian Moons Exploration (MMX), die unter der Leitung der japanischen Raumfahrtagentur JAXA die beiden Marsmonde Phobos und Deimos erkunden wird. Unsere japanischen Partner leiten die Marsmission und entwickeln die entsprechende Marssonde, bei unserem Rover handelt es sich um eine akademische Beistellung. Und ich war vor einigen Wochen mit unserem Team bei der Übergabe in Kamakura etwa südlich von Tokio mit dabei. Nach der Übergabe wurde der Rover an die Sonde angeschlossen und es war meine Aufgabe zu checken, ob mit der mechanischen und elektrischen Verbindung zwischen Rover und Sonde alles klappt. <BR /><BR /><b>Sie haben schon längere Zeit an der Entwicklung des Marsmondrovers mitgearbeitet. War es ein besonderer Augenblick, dieses „Baby“ nun den Japanern zu überlassen?</b><BR />Patscheider: Allerdings, tatsächlich hat es sich ein wenig so angefühlt, als ob man sein eigenes „Baby“ fremden Leuten anvertraut. Wir haben ihnen ein recht kompliziertes Instrument übergeben, da musste man sich vorsichtig Schritt für Schritt vorantasten. Wir haben aber gleich gemerkt, dass die japanischen Kollegen genau wissen, was zu tun ist. Aber ja, es war ein schönes und auch etwas mulmiges Gefühl, sobald sie den Rover auf die Sonde raufgeschraubt haben, denn schließlich habe ich über 4 Jahre lang intensiv daran getüftelt. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1020360_image" /></div> <BR /><BR /><b>Was genau war denn Ihr Part bei der Entwicklung des Rovers?</b><BR />Patscheider: Als Produktsicherungsingenieur war ich für die Qualitätssicherung verantwortlich. Das heißt, ich war für das Management aller Fehler während der Entwicklung zuständig, zumindest was den deutschen Teil der Mission anbelangt. Denn wir sind ja in einer 50:50-Partnerschaft mit der französischen Raumfahrtagentur (CNES). Jedenfalls bedeutet das, bei jedem Fehler sofort die Ursache ausfindig zu machen und diesen dann zusammen mit anderen Ingenieuren zu beheben. Die gesamte Entwicklung musste innerhalb eines straffen Zeitplans fertig sein, den Druck des Abgabedatums hat man beständig im Nacken. Und wenn man weiß, dass in Hochphasen über 100 Leute an der Entwicklung beteiligt waren, dann kann man den damit verbundenen Druck vielleicht noch besser nachvollziehen.<BR /><BR /><b>Wie wird denn diese Marsmission nun ablaufen?</b><BR />Patscheider: Zunächst einmal ist zu sagen, dass der eigentliche Start von 2024 auf 2026 verschoben wurde. Es gab Probleme mit der Trägerrakete, weshalb man nun wieder auf ein gutes Zeitfenster warten muss, um mit möglichst wenig Treibstoff zum Mars zu gelangen. Dieses Zeitfenster öffnet sich nun mal nur alle 2 Jahre. Insgesamt dauert der Flug der MMX-Sonde zum rund 55 Millionen Kilometer entfernten Mars über ein Jahr, sodass sie 2027 in die Umlaufbahn einschwenken wird, ehe die Instrumente des Explorationsmoduls die Oberflächen der beiden Marsmonde Phobos und Deimos kartieren können. Und dann ist die Zeit für den Rover-Moment gekommen.<BR /><BR /><b>Für den großen Moment?</b><BR />Patscheider: Aus einer Höhe von 40 bis 100 Metern wird der Rover IDEFIX auf den Marsmond Phobos abgeworfen. Sobald er gelandet ist, muss er sich selbstständig aufrichten. Das wird sehr spannend, denn einige Stunden nach der Landung erwarten wir das erste Funksignal mit der Botschaft: „Ich bin am Leben und kann jetzt loslegen.“ <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1020363_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Was soll denn IDEFIX dann auf dem Marsmond genau machen?</b><BR />Patscheider: Er sucht und analysiert gezielt wissenschaftlich interessante Bereiche ab. So bekommen wir über Bodenspektrometer Einblicke in die Beschaffenheit des Bodens, es lassen sich Temperaturmessungen vornehmen und Bilder von der noch völlig unbekannten Oberfläche machen. Absolutes technisches Neuland ist außerdem die Fortbewegung des Rovers, denn Phobos ist so klein, dass er nicht mal über 1 Tausendstel der Erdanziehungskraft verfügt. Unterm Strich erhofft man sich von der Marsmission Rückschlüsse über die Entstehung des gesamten Mars-Systems mit seinen Monden. Man will die Frage klären, ob es Parallelen mit der Entstehungsgeschichte der Erde gegeben hat. <BR /><BR /><b>Wie kommt man denn bloß zu einem derartigen Job am Zentrum für Luft- und Raumfahrt, noch dazu als Spätberufener?</b><BR />Patscheider: Ich habe mich nach Abschluss des Studiums dort beworben und hatte Glück, genommen zu werden. Eigentlich habe ich nach dem abrupten Ende meiner Skikarriere in Magdeburg Sport und Technik studiert, denn ich dachte, damit irgendwann mal Sportgeräte wie Skibindungen oder Fahrräder zu entwickeln. Meine beiden letzten Studienjahre führten mich aber nach Bremen, wo ich den Master in Maschinenbau machte. Und in Bremen hörte ich erstmals vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt, meine Neugier war geweckt und so habe ich eine Initiativbewerbung losgeschickt. Anscheinend hat die Bewerbung überzeugt, und ich wurde zum Gespräch eingeladen. Das war vor 4 Jahren, mein erstes Projekt war gleich der Marsmondrover IDEFIX. <BR /><BR /><b>Wie schwierig war es denn, mit 26 Jahren völlig von vorne anzufangen und vom Vinschgau nach Deutschland zu wechseln?</b><BR />Patscheider: Alles in allem war es schon ein großer Sprung. Zunächst einmal musste ich mich beim Studieren extrem reinhängen. Die Grundlagen des Ingenieurwesens waren mir ja total fremd, ich hatte schließlich eine Matura mit Fachrichtung Wirtschaft in der Tasche, wobei seitdem auch schon mehrere Jahre vergangen waren. Somit musste ich von der ersten Woche an bei den Vorlesungen voll fokussiert sein, um nur ja nichts zu verpassen. Entscheidend waren der große Wille und das Interesse. Ich hatte schließlich schon immer studieren wollen. Natürlich musste ich mich auch in der neuen Umgebung mit vielen neuen Gesichtern zurechtfinden. Ich bin ja im kleinen Weiler Kapron in Langtaufers aufgewachsen, weshalb mir eigentlich jede Stadt immer zu groß war. Letztlich ist so ein Bruch im Leben natürlich mit Schwierigkeiten verbunden, andererseits hat er mir unglaubliche neue Perspektiven eröffnet.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1020366_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ihre Skikarriere verlief zunächst sehr vielversprechend. Wie blicken Sie heute darauf zurück?</b><BR />Patscheider: Ja, seit Kindesbeinen drehte sich bei mir eigentlich alles ums Skifahren. Nachdem ich in der Mittelschule und Oberschule im Landeskader stand, gelang mir schließlich auch der Sprung in den Weltcup. Auch dort schaffte ich gute Zeiten und so war mein Ziel, mich dort zu etablieren. Aber nach knapp 3 Saisonen hatte ich einen Bandscheibenvorfall, dann die OP und ich fiel für längere Zeit aus. Natürlich habe ich alles darangesetzt, mich wieder zurückzukämpfen, aber es wollte nicht mehr sein.<BR /><BR /><b>War es hart, die Realität zu akzeptieren?</b><BR />Patscheider: Ja, das war es, und gerade das ist auch der Punkt. Die Sachen so zu akzeptieren, wie sie sind. Rückblickend denke ich, dass ich auf diese Weise den Absprung vom Profisport leichter hinbekommen konnte als zu einem späteren Zeitpunkt. Mit 26 Jahren war ich ja noch recht jung. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1020369_image" /></div> <BR /><BR /><b>Verfolgen Sie noch die Skirennen? Wem drücken Sie dann die Daumen?</b><BR />Patscheider: Die Speedrennen verfolge ich noch sehr gerne, dabei drücke ich jenen Fahrern die Daumen, die ich kenne. So etwa Dominik Paris, wir waren ja zusammen im Landeskader und haben im Jugendalter viel Zeit miteinander verbracht. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1020372_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ergibt sich heute noch die Möglichkeit, ein paar Schwünge in die Hänge zu carven?</b><BR />Patscheider: Mittlerweile bin ich auf das Tourengehen umgesattelt. Für einen ehemaligen Profi ist es schlimm, wenn einem das Training fehlt und man irgendwann merkt, dass man nicht mehr an die Leistungen von früher herankommt. Aber das Tourengehen in meiner Heimat im Langtauferertal bereitet mir viel Freude. Über das Jahr bin ich schon noch 3- bis 4-mal zu Besuch zu Hause, recht viel mehr geht sich wegen der großen Distanz leider nicht aus.<BR />