Emmas Mutter Maria (Name von der Redaktion geändert) erzählt über den Weg ihrer Tochter in die Magersucht, die Hilflosigkeit der Eltern und die Erkenntnis, Fachleute zu brauchen. <BR /><BR />„Das hat ganz schleichend angefangen, wir haben das zuerst gar nicht wirklich bemerkt, wir wussten gar nicht, was passiert, wir haben uns einfach nicht mehr ausgekannt“, erinnert sich ihre Mutter Maria. <h3> „Bin aus allen Wolken gefallen, wie wenig die Gitsch wiegt“</h3>Emma isst bei Tisch immer weniger, doch die Familie denkt zunächst an nichts Arges. Ohne Schule, stets zu Hause, da braucht es weniger Kalorien. Doch die Portionen der 13-Jährigen werden immer kleiner, 2 Schlutzer zu Mittag, mehr isst das Kind nicht mehr. Und wird immer dünner und magerer. „Irgendwann war ich mit ihr Kleidung einkaufen und da ist mir so richtig aufgefallen, wie dünn sie war. Da war mir klar, das ist nicht mehr normal und ich wollte, dass sie zu Hause auf die Waage steigt“, berichtet die Mutter. Emma weigert sich, wird wütend, „ich will sein, wie ich will“, schreit sie ihrer Mutter entgegen, die lässt nicht locker, bis Emma doch irgendwann nachgibt und vor ihren Augen auf die Waage steigt. <BR /><BR />„Ich bin aus allen Wolken gefallen, wie wenig die Gitsch wiegt und habe die Kinderärztin angerufen. Doch die meinte nur, die Situation sei halt gerade schwierig für die Kinder und ich solle einfach ein wenig Geduld haben, zudem habe sie die Praxis voll.“ <BR /><BR />Die Eltern bleiben allein mit dem Problem: Das Mädchen muss mehr essen. Doch wie sollen sie das anstellen? Sie reden bei Tisch auf sie ein, reden ihr gut zu, ermuntern sie, mehr zu sich zu nehmen. Nicht nur ohne Erfolg, sondern auch nervenaufreibend für alle. Emma nimmt weiter ab, ist nur noch Haut und Knochen. Und die Mutter ruft wieder bei der Ärztin an, diesmal lässt sie nicht locker, geht mit ihr in die Sprechstunde – und Emma wird sofort ins Krankenhaus gebracht, per Sonde ernährt. Über 2 Monate bleibt Emma im Krankenhaus, bevor sie wieder nach Hause darf. Die Diagnose Magersucht hat sie nicht bekommen. Der Stress sei schuld, hieß es. <h3> Essen auf Minimum reduziert</h3>„Es war ihr auch nicht wirklich bewusst, dass sie mehr essen muss, dass sie krank ist. Wir haben als Familie getan, wie sie uns angegeben haben: 5 Mahlzeiten für Emma und wir haben kontrolliert, dass sie isst“, erzählt die Mutter. Während der Zeit des Präsenzunterrichtes geht es halbwegs. Doch dann kommt der zweite Lockdown, und Emma schlittert wieder voll hinein. Sie reduziert wieder das Essen auf ein Minimum „und sie hat sich dauernd bewegt. Auch das ist uns am Anfang gar nicht aufgefallen, aber es wurde mit der Zeit richtig exzessiv. Sie war im Haus immer in Bewegung, hat in ihrem Zimmer Übungen gemacht, ist 3-, 4-mal in der Woche laufen gegangen, eine Stunde und länger. Und sie hat viel geweint, sie hatte solche Angst zuzunehmen.“<BR /><BR />Die Mutter ist verzweifelt, Emma isst immer weniger, auswärts essen geht gar nicht mehr, da „weiß sie nicht, was drin ist“, Emma wiegt auch immer weniger. Als die Mutter dann eines Tages Emmas aufgeschwollene Füße bemerkt, hat sie wieder dieses Gefühl: Das ist nicht normal. Und kontaktiert die Ärztin. „Die hat uns gar nicht ernst genommen, sondern uns ein Corona-Team vorbeigeschickt“, erinnert sich die Mutter. <BR /><BR />Die nehmen Emma auch Blut ab und werten es in Bozen aus. Dann der Anruf: Mit den Blutwerten der Tochter stimmt was nicht, sie muss sofort nach Bozen ins Krankenhaus zum Check. Und Emma kommt gar nicht mehr nach Hause, sondern gleich ins Krankenhaus nach Brixen, in die Pädiatrie von Dr. Markus Markart. Und dort gibt es dann diesmal auch die Diagnose: Magersucht. <h3> „Es war eine schlimme Zeit“</h3>„Ich wollte das zuerst gar nicht, ich habe nur gedacht, jetzt nehmen sie mir wieder mein Kind weg. Ich wollte, dass sie bei uns bleibt. Aber die Ärzte haben drauf bestanden, dass sie weg muss von Zuhause, raus aus der Familie.“ Ein halbes Jahr bleibt Emma im Krankenhaus, dann wird sie entlassen. Sie bekommt Termine bei einer Ernährungstherapeutin, ein ganzes Jahr geht sie dort hin. Mit wenig Erfolg. <BR /><BR />„Es war eine schlimme Zeit. Sie hat ihren Sport nicht gelassen, ist die ganze Zeit gerannt, sie hat regelrecht Zwänge und Zustände bekommen, das war phasenweise brutal, sie hatte Selbstmordgedanken, ,ich sehe keinen Sinn in meinem Leben‘ hat sie gesagt, immer wieder, ,ich sehe keinen Sinn in meinem Leben‘. Sie hat geweint – und dann ist sie wieder in den Wald gerannt. Manchmal dachte ich, sie kommt nicht wieder.“<BR /><BR />Die Eltern versuchen alles, reden auf sie ein, versuchen, sie nach Krisen aufzufangen, ihr gut zuzureden, ,du schaffst das‘, doch das zerrt an den Nerven. Es kommt immer häufiger zu Streitereien. „Wir waren auch enttäuscht, denn sie hat versucht, ihr Gewicht zu manipulieren, etwa indem sie vor dem Wiegen ganz viel Wasser getrunken hat. Auf der Waage war mehr, aber auf den Knochen nicht. Sie wollte nicht zunehmen. Man versteht das nicht. ,Du musst doch auf dich schauen, du musst doch schauen, dass es dir gut geht‘ – das denkt man, das sagt man. Aber man kommt nicht durch.“<h3> Betreuung ist tagesfüllend</h3>Anfang diesen Sommers, Emma ist jetzt 15, sind die Eltern am Ende ihrer Kräfte. Die Betreuung ihrer Tochter ist tagesfüllend, 5 Mahlzeiten, deren Einnahme kontrolliert werden muss, denn „wenn sie alleine isst, isst sie nur die Hälfte, ein Drittel, ein Viertel“. Die beständigen Versuche ihrer Tochter, die Waage zu manipulieren, der viele Sport, von dem sie nicht lässt. <BR /><BR />„Wir waren bereit, sie in eine Therapie zu schicken, auch weg von zu Hause. Aber die Ärzte meinten, sie solle nach Bozen ambulant in die Villa Eèa. Eine Therapie in einem geschützten Raum sei nichts für sie, weil dann die Gefahr groß sei, dass sie – kaum wieder daheim – in die alten Muster verfällt“, sagt ihre Mutter. <BR /><BR />Seither geht Emma unter der Woche in die Villa Eèa, Jause, Mittagessen und Nachmittagsjause bekommt sie dort und das Angebot der Therapeuten. Seitdem geht es aufwärts, ihr Gewicht ist stabil, noch nicht ganz da, wo es sein sollte, aber Emma ist auf einem guten Weg. <BR /><BR />Mit dem Sport hat sie aufgehört. Und manchmal macht sie sogar Zukunftspläne. „Für uns als Familie bedeutet das auch eine gewisse Freiheit, wenn sie in Bozen ist, dann können wir für diese Zeit die Verantwortung abgeben. Das musste ich auch erst lernen, aber jetzt kann ich zugeben, ich kann nicht alles auf mich nehmen, ich kann das nicht alleine schaffen, da müssen Fachleute helfen“.<BR /><BR />*Name von der Redaktion geändert.