Eine Bozner Selbsthilfegruppe mit den beiden betroffenen Frauen Miriam Leopizzi und Ilaria Bona an der Spitze wollen leidgeplagte Frauen auffangen und tatkräftig unterstützen. <BR /><BR /> Genauso schlimm wie die Symptome einer Krankheit ist oftmals der damit verbundene gesellschaftliche Umgang. Etwa, wenn die Klagen von Betroffenen nicht ernst genommen werden, womöglich als Hirngespinste oder Gejammer abgetan werden. Oder wenn die Lebensqualität infolge einer chronischen Krankheit derart beeinträchtigt wird, dass man sich immer stärker zurückzieht und soziale Isolation droht. Im Falle einer Endometriose ist beides häufig zu beobachten. Als ob das nicht genug wäre, kommt häufig dazu, dass dieses schmerzhafte Frauenleiden vielfach erst viel zu spät diagnostiziert wird. Dabei ist circa jede 10. Frau davon betroffen, allein in Südtirol beträgt die Prävalenz von Endometriose zwischen 6500 bis 13.000 Frauen. Eine der Betroffenen ist Miriam Leopizzi.<BR /><BR />Die Krankheit hat der in Algund wohnhaften Frau einen jahrelangen Leidensweg beschert, aber sie hat sich nie aus der Bahn werfen lassen und beschlossen, in die Offensive zu gehen. Zusammen mit Ilaria Bona, ebenfalls Endometriose-Betroffene, hat sie vor einem Jahr den Verein mit dem Namen „Noi con Voi“ aus der Taufe gehoben, um aufzuklären, zu unterstützen und ein Netzwerk von Fachkräften aufzubauen. Bereits heute betreut der ehrenamtliche Verein über 50 betroffene Frauen. „Man tut sich noch immer schwer, über Endometriose zu sprechen, weil es tabubehaftete Themen wie die Regelblutung, für nicht Betroffene kaum nachvollziehbare Schmerzen und womöglich unerfüllte Kinderwünsche sind, aber umso wichtiger ist es dieses Tabu zu brechen“, sagt Miriam Leopizzi. Zusammen mit einigen Schicksalsgenossinnen hat sie sich geschworen: Was wir durchgemacht haben, soll anderen erspart bleiben. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="871445_image" /></div> <BR /><BR />Wohl auch deshalb hat die selbstbewusste und aufgeschlossene Frau heute keine Hemmungen mehr, ihren Leidensweg öffentlich zu thematisieren. Als Erklärung, zum Zwecke der Bewusstseinsbildung, als warnendes Beispiel. „Ich habe viele Jahre mit starken Bauchschmerzen während der Regelblutung gearbeitet, schluckte Schmerzmittel, hatte 3 Fehlgeburten und eine Vielzahl an Facharztvisiten, ehe der Gynäkologe Dr. Giorgio Comploj schließlich die richtige Diagnose stellte“, blickt die heute 44-jährige Miriam Leopizzi bis in ihre Jugendjahre zurück. <h3>Fatale Fehleinschätzung</h3>Regelschmerzen seien völlig normal, sagte man ihr, als sie im Alter von 14 Jahren ihre erste Menstruation bekam, genauso verhielt es sich später beim Verschreiben der Verhütungspille. Zwischen den Jahren 2012 bis 1014 musste sie 2 Fehlgeburten verkraften, im Februar 2015 brachte sie indessen ihre erste Tochter Giulia zur Welt. Etwa ein Jahr später folgte die 3. Fehlgeburt. „Erst eine Laparoskopie bzw. Bauchspiegelung im Meraner Krankenhaus brachte die Endometriose im fortgeschrittenen Stadium ans Tageslicht“, erzählt Miriam Leopizzi. Merkwürdigerweise waren die Eileiter davon nicht betroffen, was die Schwangerschaften erklärt. Viele andere betroffene Frauen dagegen können sich nicht erklären, weshalb sie nicht schwanger werden – Endometriose kann hierbei eine mögliche Ursache sein. <BR /><BR />„Die Schmerzen haben bei mir etwa 10 Tage vor der Regelblutung begonnen und hielten bis 3 Tage danach an, von starken Bauchkrämpfen bis hin zu einer großen Müdigkeit und ein Ziehen in den Beinen war alles dabei“, skizziert Leopizzi die Symptome. Während sie die Schmerzen beschreibt, verharrt sie im Stuhl in einer unnatürlichen zusammengekauerten Position. „Nur auf diese Weise konnte ich einigermaßen sitzen“, erklärt sie. Nachdem bei ihr die Diagnose feststand, ließ sie sich umgehend operieren und die schädlichen Gewebeherde entfernen. Für einige Monate lebte sie fast beschwerdefrei. Im Jahr 2020 wurde sie nochmals schwanger und brachte daraufhin ihre zweite Tochter, Elisa, zur Welt. „Während der Schwangerschaft waren die Schmerzen wie weggeblasen, es war ein Traum“, lässt Miriam Leopizzi einen Satz fallen, der ihr Leiden treffend veranschaulicht. Doch nur einen Monat nach der Geburt kam die Endometriose aggressiver als je zuvor zurück, sogar die Nieren und der Darm waren bereits in Mitleidenschaft gezogen worden. Im April 2022 riet ihr Dr. Martin Steinkasserer, Primar der Gynäkologie, nach eingehender Untersuchung zur operativen Entfernung von Gebärmutter und Eileiter. 6 Monate später folgte im Bozner Krankenhaus die folgenschwere Operation. „Das sind nicht bloß irgendwelche Organe, es fühlt sich an, als ob man seiner Weiblichkeit und seiner Identität beraubt würde“, sagt Miriam. <BR /><BR /><BR />All diese persönlichen Erfahrungen, die Geschichten von anderen betroffenen Frauen und die Gewissheit, dass in der breiten Öffentlichkeit kaum etwas über diese tückische chronische Krankheit bekannt ist, haben Miriam bestärkt, zusammen mit Mitstreiterinnen den Verein „Noi con Voi“ aus der Taufe zu heben. Ilaria Bona, die Vizepräsidentin des Vereins, hatte ebenfalls stark unter den Symptomen gelitten, wenngleich sich diese bei ihr völlig anders dargestellt haben. „Jeder Fall ist eigenständig für sich zu bewerten, wobei das aufmerksame Zuhören des Arztes die Grundlage bildet, um Endometriose rechtzeitig feststellen zu können“, sagt Bona. Es gelte, die Ausführungen der Frauen bzw. die Beschreibungen ihrer Schmerzen ernst zu nehmen. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität geht üblicherweise weit über rein medizinische Aspekte hinaus, oftmals sind damit starke Selbstzweifel, sozialer Rückzug sowie Probleme in der Partnerschaft verbunden. Darauf weist auch Dr. Martin Steinkasserer hin, der die große Anzahl zu spät erfolgter Diagnosen beklagt und weiß: „Je früher die Erkrankung festgestellt wird, desto besser ist es für die Patientin.“ Es gibt dann verschiedene Möglichkeiten und Therapien, die Beschwerden zu lindern und mit der Krankheit leben zu lernen. <BR /><BR />Ein großer Schritt für ein erhöhtes Problembewusstsein ist die laufende Aktion zusammen mit dem Lebensmittelgroßhändler Despar. Noch bis zum 8. März, dem Tag der Frau, können Kunden an den Kassen der teilnehmenden Despar-, Eurospar- und Interspar-Filialen mit einer Spende oder der Aufrundung ihres Einkaufsbetrages den besagten Endometriose-Verein unterstützen. Despar-Regionaldirektor Robert Hillebrand erklärte die Partnerschaft unter anderem damit, dass 90 Prozent der Despar-Mitarbeiter Frauen sind und auch bei den Kunden das weibliche Geschlecht deutlich überwiege. „Mit den Geldmitteln aus dieser Aktion möchten wir Mädchen gezielt informieren, Betroffene unterstützen und nicht zuletzt Fachkräfte bezahlen können“, umreißt Bona die Ziele der Despar-Kampagne. Von Endometriose einmal abgesehen, nimmt sich der Verein grundsätzlich aller Beschwerden und Erkrankungen rund um den Fortpflanzungsapparat an. <h3>Vorreiter in Sachen Menstruationsurlaub</h3>Zuzüglich zum Verein legen die beiden Frauen auch an ihrer Arbeitsstelle ein beachtliches Engagement an den Tag. Miriam Leopizzi ist Geschäftsführerin der Sozialgenossenschaft „Casa Bimbo Tagesmutter“ in Bozen mit annähernd 200 überwiegend weiblichen Mitarbeitern (im Sommer sind es durch die Betreuungsangebote etwa 280 Mitarbeiterinnen), auch Ilaria Bona arbeitet hier. Die erhöhte Sensibilität gegenüber spezifisch weiblichen Krankheitsbildern zeigt sich, dass sie firmenintern festgehalten wurden und bei ärztlich bescheinigten starken Menstruationsschmerzen freigenommen werden kann. Damit gehören sie in Südtirol und wohl auch darüber hinaus zu den Vorreitern. Man wolle die vielen Frauen im Betrieb bestmöglich unterstützen, deren grundlegende Bedürfnisse ernst nehmen und so für ein kollegiales und respektvolles Arbeitsklima sorgen. <BR /><BR />„Das kostet dem Betrieb sicherlich viel Geld, doch auf der anderen Seite zahlen die Mitarbeiterinnen dieses Entgegenkommen mit ihrem Einsatz wieder zurück“, ist Kathia Visentin, die Verantwortliche der Zertifizierung Re-Audit Familie und Beruf überzeugt. Für Sensibilisierungszwecke ließ die Gemeinde Neumarkt gelbe Bänke aufstellen, der Verein „Noi con Voi“ gründete ein Frauenfußballteam, in Schulen, Institutionen und Bildungseinrichtungen wird für Aufklärung gesorgt. Man will alle Gesellschaftsschichten einbeziehen, weshalb man beispielsweise über die Sozialgenossenschaft Kaleidos auch beeinträchtigte Menschen anspricht. <BR /><BR />„Natürlich wird es manchmal viel, aber unser Tag ist ohnehin lang und wir sind von unserer Sache überzeugt“, sagen Miriam Leopizzi und Ilaria Bona. Die Mädchen und Frauen, denen sie einen jahrelangen Leidensweg ersparen, werden es ihnen sicherlich danken.<h3> Endometriose</h3>Endometriose zählt zu den häufigsten und zugleich schmerzhaftesten gynäkologischen Erkrankungen. Dabei siedelt sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter an. Oftmals bleiben derartige „Endometriose-Herde“ ohne jegliche Folgen, doch bei etwa jeder 10. Frau im gebärfähigen Alter macht sich Endometriose als chronische Erkrankung mit teilweise starken Schmerzen bemerkbar. Tief infiltrierende Herde können Funktionsstörungen oder sogar den Verlust von Organen zur Folge haben. Tückisch ist der oft noch vorherrschende Glaube, dass selbst stärkste Schmerzen zur Regelblutung dazugehören würden. Eine schwere Endometriose kann die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit stark einschränken. Allein in Südtirol bekommen jedes Jahr zwischen 260 bis zu 300 Frauen die Diagnose Endometrios gestellt, im Jahr 2022 mussten sich 103 betroffene Frauen einem operativen Eingriff unterziehen.<Rechte_Copyright></Rechte_Copyright>