<b>von Heinz Wieser</b><BR /><BR />Er konnte mit Einsatzfreudigkeit, Selbstbewusstsein und Klugheit für die Tiroler Landwirtschaft in einer sehr schwierigen Zeit viel erreichen. <h3> Vom Bürgermeister in Sillian in den Tiroler Landtag bis ins Parlament </h3>Der in Sillian am 13. Juni 1855 geborene Sohn des Wirtes und Kramers, Josef Schraffl, war von 1917 bis 1921 Landeshauptmann von Tirol und starb am 11. Jänner 1922. Da er das väterliche Unternehmen übernehmen musste, empfand er es a1s großen Verzicht, keine höhere Schu1e besuchen zu können. <BR /><BR />Bereits 1884 zum Bürgermeister seines Heimatortes Sillian gewählt, entsandten ihn 1898 die Landgemeinden der Bezirke Lienz, Sillian und Windisch-Matrei in den Tiroler Landtag. Zwei Jahre später zog Schraffl in das Abgeordnetenhaus in Wien ein. 1898 hatte er zusammen mit Prälat <b>Ämilian Schöpfer</b> die Christlich-Soziale Partei Tirols gegründet, womit er zu einem der maßgeblichen Politiker Tirols vor dem ersten Weltkrieg wurde. <BR /><BR />Vom Beginn der landespolitischen Tätigkeit an galt seine Sorge vor allem dem um die Jahrhundertwende schwer um seine Existenz ringenden Tiroler Bauernstand. Im Kampf um dessen Rechte gründete Schraffl im Jahre 1902 die <i>„Tiroler Bauernzeitung“,</i> für die er bis zum April 1920 als Herausgeber verantwortlich zeichnete als politisches Organ zur Förderung der Interessen des Bauernstandes. Auch gab er alljährlich den <i>„Tiroler – Bauernkalender“</i> heraus.<BR /><BR />Hinter der „<i>Tiroler-Bauernzeitung“</i> stand ein Kreis von Brixner Theologen, die a1s die maßgeblichen Träger der Christlich-sozialen Bewegung in Tirol galten: Apostolischer Protonotar Prälat Dr. Ämilian Schöpfer, Professor für Soziologie, Dr. <b>Sigismund Waitz,</b> späterer Fürsterzbischof von Salzburg, Monsignore <b>Sebastian Rieger</b> vulgo <b>Reimmichl,</b> Redakteur des <i>„Bötl“</i> (Wochenzeitung <i>„Tiroler Volksbote“</i>), Propst Monsignore <b>Ignaz Mitterer</b>, der bekannte Komponist und spätere Domkapellmeister am hohen Dom zu Brixen und eine Reihe weiterer Persönlichkeiten, die in der Entwicklung des Landes mitbestimmend wurden. <BR /><BR />Nach einem erbitterten Wahlkampf für die Wahl zum Reichsrat gab es am 3. Jänner 1901 bei der Abstimmung der Wahlmänner 76 Stimmen für Schraffl und 73 Stimmen für Baron <b>Josef di Pauli.</b> Schraffl trat sofort im Parlament der Christlich-Sozialen Vereinigung, die unter der Führung von Dr. <b>Karl Lueger</b> stand, bei. Er gehörte dem Reichsrat bis zu den Neuwahlen des Jahres 1919 an und war auch stets führend in der Leitung der Christlich-Sozialen Partei tätig. <BR /><BR />Die Wahl von 1901 leitete den Siegeszug der Christlich-Sozialen in Tirol ein. Schraffl zählte neben Schöpfer zu den anerkannten Führern der Partei. Sein hervorragendes Organisationstalent und seine unermüdliche Arbeitskraft bewährten sich besonders im Jahre 1904, als es galt, die Tiroler Bauern in einer großen Standesorganisation zusammenzufassen. <h3> In Sterzing zum Bauernbund-Obmann gewählt</h3>Als der Sterzinger Bauerntag am 4. Juni 1904 die Gründung des Tiroler Bauernbundes beschloss, wurde Schraffl zum ersten Obmann des Bundes gewählt. 1914 wurde er zum Präsidenten des Landeskulturamtes bestellt. Als Landeshauptmann Dr. <b>Kathrein</b>1917 starb, wurde Schraffl am 23. Mai 1917 vom Kaiser auf den höchsten Posten des Landes berufen. <BR /><BR />Die schweren Kriegszeiten erforderten den ganzen Einsatz seiner Persönlichkeit. So gelang es, am Samstag, den 4. Juni 1904, rund 300 Vertreter von Gemeinden, Bauernvereinen und Genossenschaften in Sterzing als Delegierte zu versammeln. Am Tag darauf kamen nach Sterzing 7000 Bauern, um sich die Reden der Initiatoren anzuhören und die Resolution mit zu beschließen. Dieser Tag von Sterzing wurde nicht nur zur Geburtsstunde des Tiroler Bauernbundes, sondern fand weit über die Landesgrenzen hinaus Beachtung. <h3> Stärkung des Bauernstandes</h3>Während des Ersten Weltkrieges wurde seine politische Stellung wesentlich geschwächt. Erst nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns im Oktober/November 1918 stieg die politische Bedeutung Schraffls wieder. Sein Einsatz für eine neutrale Republik Tirol als letztes Mittel zur Rettung Südtirols scheiterte am Widerstand der realpolitischen Gegebenheiten. Sein Eintreten für Südtirol erfolgte mit weitgehend untauglichen Mitteln. In den eigenen Reihen nicht unumstritten, konnte Schraffl allerdings nach der Landtagswahl vom 15. Juni 1919 seine Wahl zum Landeshauptmann erneut durchsetzen. <BR /><BR />Allein Schraffls Stern war bereits im Sinken begriffen. Bei den Nationalratswahlen vom 17. Oktober 1920 unterlag er sogar in seinem Heimatbezirk Lienz seinem alten Mitstreiter und jetzt kompromisslosen Gegner Prälat Dr. Ämilian Schöpfer, der gegen ihn kandidierte. Zutiefst enttäuscht legte Schraffl die Listenführerstelle für die nächste Landtagswahl am 22. Mai 1921 nieder und lehnte desgleichen bei der Generalversammlung der Partei im Juni eine Wiederwahl zum Landeshauptmann ab. <BR /><BR />Vom Tiroler Landtag am 25. November 1920 zum Bundesrat gewählt, übte Schraffl dieses Mandat bis zu seinem Tode am 11. Jänner 1922 aus. Sein Begräbnis am 15. Jänner 1922 in Innsbruck gestaltete sich zu einer unvergesslichen Heerschau der Tiroler Bauern, denen er in schwerster Zeit ein starkes Selbstbewusstsein und das Gefühl der Zusammengehörigkeit gegeben hatte. <BR /><BR />Die Tiroler Bauernzeitung schrieb damals: <i>„Unter den Trauerklängen von 14 Musikkapellen geleitete ein langer Zug die Leiche zu Grabe.“</i> Schraffls Grabstätte befindet sich am Innsbrucker Westfriedhof. Ein Denkmal am Raiffeisengebäude in Sillian und eine Straße in Innsbruck-Mühlau erinnern an den großen Bauernführer und Landeshauptmann von Tirol.