„Es braucht jetzt keine Panikmache“, erklärt Dr. Christoph Leitner, Primar der Inneren Medizin am Krankenhaus Bruneck. Die Studie sei zu hinterfragen, eine wirkliche Zunahme an jüngeren Krebskranken müsse erst bewiesen werden. <BR /><BR />„Von 1990 bis 2019, also im Zeitraum der Studie, ist die weltweite Gesamtbevölkerung um 46 Prozent gestiegen.“ Ein Beispiel, das aufzeigt, dass die Studie mit Vorsicht zu betrachten sei: Im Jahr 2019 seien circa eine Million Menschen unter 50 Jahren an Krebs gestorben, 27 Prozent mehr im Vergleich zum Jahr 1990. „Die Bevölkerung ist aber in diesem Zeitraum um etwa 40 Prozent gewachsen. In Wirklichkeit scheint die Sterblichkeitsrate zurückgegangen zu sein“, erläutert Dr. Leitner – zumindest in der Ersten Welt. <BR /><BR />„Es gibt mehr junge Menschen, die an Krebs erkranken. Gleichzeitig überleben auch immer mehr die Krankheit“, stellt der Experte klar. Frühere Studien hätten bereits eine Zunahme der Inzidenz, also der Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr, gezeigt. Gleichzeitig auch eine Abnahme der Mortalität, also der Sterblichkeitsrate. Die Daten der Studie seien zwar interessant und wichtig, aber man könne nicht darauf einen 1:1-Schluss für Südtirol ziehen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-61244471_quote" /><BR /><BR />„Krebs ist bei Menschen zwischen 40 und 60 Jahren die Haupttodesursache. Das ist eine Tatsache und an und für sich nichts Neues“, sagt Dr. Gilbert Spizzo, leitender Arzt der onkologischen Ambulanz im Krankenhaus Brixen. Man müsse bei einer solchen Studie, die die Daten rückwirkend betrachten, erst schauen, ob die Krebswahrscheinlichkeit wirklich zugenommen habe oder ob es andere Gründe gebe, dass mehr jüngere Menschen Krebs diagnostiziert bekommen haben.<BR /><BR />Hierzulande beobachtet der Onkologe, dass Melanome, also bösartiger Hautkrebs, häufiger in jüngeren Jahren auftrete. „Da scheint es eine Zunahme zu geben. Der Hauptgrund dafür ist natürlich die Sonnenbelastung. Wer deshalb stark der Sonne ausgesetzt ist, soll Sonnencreme auftragen und versuchen, Sonnenbrände zu vermeiden“, so Dr. Spizzo. Bei Kindern und Jugendlichen seien Krebserkrankungen selten. <BR /><BR />Außerdem hat die Krebsforschung in den vergangenen 30 Jahren große Fortschritte gemacht. „Krebs wird früher erkannt, auch das Krebsregister funktioniert bei uns super“, erklärt Dr. Leitner. Das Krebsregister registriert alle neu diagnostizierten Krebserkrankungen und deren Entwicklung. Durch eine Verbesserung der Diagnostik konnten auch mehr Diagnosen gestellt werden, ergänzt Dr. Spizzo. <BR /><BR /><embed id="dtext86-61244478_quote" /><BR /><BR />Die Frage, ob es mehr Vorsorgeuntersuchungen für unter 50-Jährige braucht, ist ein komplexes Thema. Das Brustkrebsscreening beginnt beispielsweise erst ab 50 Jahren, ebenso das Dickdarmscreening. „Ein Screening kann auch Nachteile haben“, berichtet Dr. Leitner. Beim Brustkrebs diskutierte man zurecht schon seit längerer Zeit, das Alter zu senken, auf 45 oder 40 Jahre, ist aber nicht definitiv geklärt. <BR /><BR />Dr. Leitner zählt aber auch kritische Punkte auf: „Bei einer Mammografie gibt es unter Umständen auch falsch positive Ergebnisse. Die Frau steht dann wochenlang Ängste durch.“ Zudem sei auch zu fragen: Wie hoch ist die Rate der Erkrankungen, die man mit Screeningprogrammen entdecken kann? Wie hoch ist dafür der organisatorische und ökonomische Aufwand? „Bei den Brustkrebsscreenings liegen in der Regel 2 Jahre dazwischen. Innerhalb dieses Zeitraumes können sich auch Tumore entwickeln.“ Man kann das Pech haben, trotz Screeninguntersuchungen einen Tumor nicht zu entdecken, sie bieten also keine hundertprozentige Sicherheit. <BR /><BR />Auch Dr. Spizzo findet die Vorsorgeprogramme in Südtirol absolut adäquat. Einige Krebsvorsorgeprogramme würden schon in jüngeren Jahren starten, etwa der Pap-Test als Vorsorge von Gebärmutterhalskrebs. <BR /><BR />Laut den beiden Onkologen seien die größten Risikofaktoren für Krebs das zunehmende Alter und der Lebensstil. „Tabak- und Alkoholkonsum, Bewegungsmangel und Fettleibigkeit erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Krebs“, sagt Dr. Leitner. Und Dr. Spizzo ergänzt: „Oder ungesunde Ernährung. Gezuckerte Getränke z. B. sind ein Problem, das oft unterschätzt wird.“ Ein gesunder Lebensstil beuge nicht nur Krebs, sondern auch kardiovaskulären Erkrankungen vor. <BR /><BR />In Zukunft müsse man sich auch fragen, welche Regelungen wichtig seien, fasst Dr. Christoph Leitner zusammen. Noch strengere Regeln etwa beim Zigarettenkonsum? „Themen wie Luftverschmutzung oder Klimawandel haben indirekt auch einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Gesundheitssystem“. Das zeige die Studie auch auf.<BR />