Südtirol Online: Depression und Demenz: zwei Erkrankungen – ein Zusammenhang: Welcher wäre das?Dr. Ivano Simioni, Facharzt für Psychiatrie Bruneck: Depression und Demenz sind zwei Erkrankungen. Das erleben des eigenen Abbaus an kognitiven Fähigkeiten, wie der Merkfähigkeit, der Fähigkeit den Überblick zu bewahren, und so weiter ist eine Belastung, eine Erleben von Autonomieverlust, und so weiter, die auch zur Depression führen kann.STOL: Auf die Depression folgt die Demenz: Das kann man so pauschal wohl nicht sagen … und doch gilt es darauf zu achten?Dr. Simioni: Depression beeinflusst die Informationsverarbeitung im Gehirn, wie zum Beispiel die Gedächtnisleistung und kann daher Symptome der Demenz verschlechtern. STOL: Vor allem im Alter scheinen Patienten von der Kombination aus Depression und Demenz betroffen – weshalb? Dr. Simioni: Menschen mit affektiven Erkrankungen, da gehört Depression dazu haben eine höheres Risiko eine Demenz zu entwickeln, muss aber nicht so sein. Depression kann aber sehr wohl als Symptom im Anfangsstadium der Demenz auftreten.STOL: Warum ist eine richtige Diagnose wichtig bzw. warum kann es zu Fehldiagnosen in dem Zusammenhang kommen?Dr. Simioni: Bei älteren Patienten, die ohnehin sehr oft das Altern als Verlust erleben - Verlust von Autonomie, Verlust von Fähigkeiten, Sinnverlust, Verlust von Beziehungen, zunehmende Abhängigkeit von anderen, können depressive Symptome häufig auftreten. Wenn gleichzeitig auch ein dementieller Abbau vorliegt, geht dies Hand in Hand. Menschen, die das Altern positiv gestalten können, haben auch mehr vor Demenz schützende Faktoren.Die richtige Diagnose einer Depression und die Behandlung ist wichtig, denn die Depression kann eine Demenz initieren, das nennt man depressive Pseudodemenz, oder die Symptome der Demenz verschlechtern. Viele Patienten erfahren eine Fehldiagnose Demenz obwohl sie eigentlich keine haben. STOL: Von wie vielen Betroffenen sprechen wir in Südtirol?Dr. Simioni: Depressionen sind sehr häufig, insgesamt muss man davon ausgehen, dass 20.000 bis 25.000 Menschen jetzt an Depression leiden, ein wichtiger Teil davon sind Senioren.STOL: Welche Auswirkungen hat das Zusammenspiel der Erkrankungen für den Betroffenen – und die Angehörigen?Dr. Simioni: Das Auftreten depressiver Symptome bei Demenz kann eine große zusätzliche Belastung für die Betroffenen darstellen und auch für die Menschen, die diese begleiten. Die auftretenden Schwierigkeiten können vielfältig sein und sind von Mensch zu Mensch verschieden, häufig aber sind solche Menschen apathisch, unruhig, aggressiv, haben mehr Schlafstörungen, äußern Suizidgedanken oder sind suizidal. Angehörige sind entsprechend mehr belastet und oft ohnmächtig vor dem Leiden ihrer Lieben.STOL: Wo gibt es Hilfe? Und wie kann diese aussehen?Dr. Simioni: Hilfe gibt es. Neurologen weisen die Betroffenen den Psychiatern zu, um die psychiatrischen Aspekte der Demenz oder eben eine Depression zu behandeln. Auch kann man sich an den Hausarzt als erste Anlaufstelle wenden, oder auch einen Termin im ZPG, dem Zentrum psychischer Gesundheit, vor Ort im Sanitätsbetrieb vereinbaren, um so zu professioneller Hilfe zu kommen.Eine gezielte Behandlung mit einem Antidepressivum kann schon nach wenigen Wochen erfolgreich sein und die Situation der Betroffenen deutlich verbessern.Pflegende Angehörige haben selbst eine hohes Risiko depressive Symptome zu entwickeln. Auch für diese gibt es Anlaufstellen, wie Selbsthilfegruppen, Verbände, psychologische Dienste, bei Bedarf einer medikamentösen Hilfe das Zentrum Psychischer Gesundheit, aber auch das Delegieren von Aufgaben an professionelle Pfleger, etc. Interview: Petra Kerschbaumer___________________________________Die Tagung “Depression-Demenz” am Freitag, 17.November, mit Beginn um 15 Uhr im EOS Rentsch Haus in der Rentschner-Straße 42 in Bozen soll konkrete Hilfestellungen bieten. Diesbezüglich stehen diagnostische, pflegerische und therapeutische Entscheidungen im Mittelpunkt. Zudem kommen Betroffene mit ihren Erfahrungen zu Wort. Hier das genaue Programm: Tagung Depression-Demenz.pdf 466,74 kB