„D“: Mit „Rechtsextremismus und Südtirol“ beschäftigt sich die Tagung, auf der Sie am heutigen Freitag in Bozen sprechen. Wieso dieses Thema?Steurer: Es gibt in allen Ländern Europas Parteien, die rechtsextremistisches Denken vorbereiten. Auch in Südtirol. Hier sind es die Schützen, die Süd-Tiroler Freiheit und die Freiheitlichen, die mit 2 zentralen Argumenten den Nährboden für rechtsextremistisches Denken vorbereiten. Ohne selbst rechtsextrem zu sein. Aber sie machen die Menschen für rechtsextremes Denken anfällig. Diese Gefahr ist in Südtirol in den vergangenen Jahren stärker geworden. Es ist überfällig, in Südtirol über Rechtsextremismus zu sprechen.„D“: Welche 2 Argumente meinen Sie?Steurer: Eines ist das ständige Schüren von Zukunftsängsten. In Südtirol sind das Schlagworte wie: Gefahr der Assimilation, Unterwanderung, Überfremdung, Mischehen oder Identitätsverlust. Das zweite Argument ist der Geschichtsrevisionismus.„D“: Ein Beispiel?Steurer: Ich nenne Ihnen 2 Beispiele. Eines ist die offizielle Lesart von Option, Umsiedlung und Weltkrieg. Lange hieß es, die Südtiroler seien willenlose Opfer von Faschismus und Nationalsozialismus gewesen. Das stimmt aber nicht. Ein zweites Beispiel ist die Lesart, die Bombenjahre der 1960er Jahre seien ein Freiheitskampf gewesen. Der Bombenterror zwischen 1962 und 1968 hatte aber das Ziel, mit terroristischen Methoden einen diplomatischen Kompromiss im Sinne einer neuen Autonomie zu verhindern.„D“: Sind Südtiroler besonders anfällig für rechtsextreme Positionen?Steurer: In Grenzregionen, wo sich 2 Nationalismen gegenüberstehen, mag diese Gefahr besonders groß sein. Das kann ein besonders guter Nährboden sein.„D“: Aber Südtirol geht es wirtschaftlich wesentlich besser als der ostdeutschen Peripherie.Steurer: Das stimmt. Aber es gibt auch einen Wohlstandschauvinismus. Man ist reich geworden und glaubt, das sei ausschließlich der eigenen Leistung zu verdanken. Der plötzliche Reichtum macht Menschen anfällig, nicht mehr teilen zu wollen.„D“: Während des Wahlkampfes fielen Begriffe wie Parasit. Welche Bedeutung hat Sprache in dieser Debatte?Steurer: Die Verwendung von Begriffen ist oft die unbewusste Vorstufe für rechtsextremistisches, fremdenfeindliches Handeln.„D“: Droht eine Wiederkehr des Totalitarismus? Steurer: Nicht unmittelbar. Aber die Tendenz geht in sehr vielen Ländern in diese Richtung.„D“: Was kann man dem entgegensetzen? Steurer: Die Menschen durch Information und Aufklärung hellhörig machen. Das ist mein Rezept.Interview: Andrej Werth