Wir haben ihn zum Interview gebeten.<BR /><BR /><b>Wann ist denn innerhalb der APA das Gefühl entstanden, es braucht jemanden, der Meldungen auf Herz und Nieren auf deren Wahrheitsgehalt prüft?</b><BR /><BR />Florian Schmidt: Eingeführt wurde der Fakten-Check bei uns 2020, das Bewusstsein dafür ist aber natürlich schon in den Jahren davor entstanden, so um 2016/2017. Zu dieser Zeit sind in Europa erste diesbezügliche Projekte entstanden und man hat bei der APA bald gemerkt, wie komplex das Thema ist und zunehmend wird. Gerade Bilder und Videos mussten immer öfter intensiver überprüft werden, ein normaler Redakteur schafft das nicht mehr „nebenbei“.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Wie erkennen Sie, welche „news“ fake sein könnten und überprüft werden müssen?</b><BR /><BR />Schmidt: Es braucht natürlich einen Anfangsverdacht, denn man kann nicht einfach alles überprüfen. Aber wenn etwas unlogisch oder nicht plausibel ist, außergewöhnlich, ein Bericht über eine Person etwa dem widerspricht, wie sich diese Person normalerweise verhält, dann schrillen Alarmglocken und ich gehe in die Recherche.<BR /><BR /><BR /><b>Wie sieht das aus?</b><BR /><BR />Schmidt: Dafür gibt es spezielle Tools, die übrigens alle frei zugänglich sind und die auch jeder selber für eigene Recherchen nutzen kann. Ein Beispiel: Es kommt immer wieder vor, dass alte Fotos in einem völlig neuen und anderen Kontext als „neu“ verkauft werden, etwa Bilder aus Kriegs- und Krisengegenden, um falsche Behauptungen mit diesen Bildern zu untermauern. Mit einer sogenannten Foto-Rückwärtssuche kann man das Netz nach diesem Bild durchsuchen und kommt so drauf, ob es schon viel früher entstanden ist.<BR /><BR /><BR /><b>Man hat manchmal den Eindruck, Falschmeldungen sind salonfähig. Ein Donald Trump, der unverfroren aus Lügen alternative Fakten macht, wird wieder gewählt. Wahr oder falsch, das interessiert nicht mehr...</b><BR /><BR />Schmidt: Also im Journalismus ist die Unterscheidung wahr oder falsch definitiv wichtig. Wir haben die Verantwortung für die Meldungen, die wir verbreiten. Deswegen ist es wichtig, dass wir Fakten überprüfen und so die Fehlerquote gering halten. Aus meiner Sicht sollte es aber auch jeden anderen interessieren. Wir bieten daher als APA immer wieder auch Kurse an, in denen wir zeigen, wie man Fakten selber checken kann. Oft kann man mit 3, 4 Klicks schon viel Infos zusammentragen und „fake news“ selber enttarnen.<BR /><BR /><BR /><b>Was, Hand aufs Herz, die wenigsten aber wirklich tun werden...</b><BR /><BR />Schmidt: Und zugegeben, wäre man damit bei der Menge an Meldungen sicher auch schnell überfordert. Unser Ansatz ist daher auch, die Meldungen, die sich aktuell verbreiten, zu überprüfen und wenn nötig, richtig zustellen. Das stellen wir online und wer sucht, kann es finden. Wer also Zweifel an einer Meldung hat, sollte in der Suchmaschine einfach mal die Schlagwörter eingeben und das Wort „Faktencheck“ dazustellen. Denn gerade wenn es um Meldungen geht, auf denen sich politische Meinungen bilden, dann ist schon sehr wesentlich, ob diese wahr oder falsch sind. <BR /><BR /><BR /><b>Weil viele fake news ganz bewusst auch gestreut werden, um die politische Einstellung zu manipulieren?</b><BR /><BR />Schmidt: Das ist in der Tat mittlerweile eine sehr beliebte politische Taktik. Das perfide ist dabei, dass die Taktik gerade dann besonders erfolgreich ist, wenn sie mit Emotionen und Ängsten arbeitet, wenn sie die Menschen verunsichert. Fakten-Checker arbeiten dagegen eher nüchtern – unsere Richtigstellungen verbreitet sich daher viel weniger, auch wenn wir alle verwendeten Quellen ganz transparent aufzeigen und der Leser jeden Schritt selbst nachprüfen kann.<BR /><BR /><BR /><b>Wenn Alice Weidel im Interview mit Elon Musk eine Falschbehauptung an die andere reiht, dann ist das Ziel in einem laufenden Wahlkampf klar. Doch gibt es auch fake news, hinter denen noch weit mehr steckt?</b><BR /><BR />Schmidt: Das ist in der Tat eine wichtige Frage bei einer Falschmeldung: Steckt wenig dahinter oder wird sie bewusst gesteuert. Steckt eine Strategie dahinter, dann ist es wichtig, sich das anzusehen. Im schlimmsten Fall ist sie aus dem Ausland politisch gesteuert. Und hier gibt es durchaus den Verdacht, dass bestimmte autokratische Systeme Desinformation gezielt gegen westliche Demokratien einsetzen, um sie zu destabilisieren. Die können sehr effektiv sein und zur Spaltung der Gesellschaft führen. Und dann werden fake news – vor allen Dingen in der Summe – in der Tat sehr sehr gefährlich.<BR /><BR /><BR /><b>Was macht diese Flut an fake news, dieses Gefühl, dass man gar nichts mehr glauben kann, mit einer Gesellschaft bzw. dann auch mit dem Journalismus?</b><BR /><BR />Schmidt: Ich denke, es gibt für die Zukunft 2 Szenarien. Die eine: Weil sich niemand mehr auskennt, was wahre und was falsche Meldungen sind, glaubt jeder, was in sein eigenes Weltbild passt. Oder, weil keiner mehr weiß, was wahr oder falsch ist, vertraut man dem klassischen Journalismus, der nach strengen Kriterien und Standards arbeitet.<BR /><BR /><BR /><b>Nun derzeit schießen wohl eher suspekte online-Plattformen wie die Pilze aus dem Boden, ganz zu schweigen von der Entwicklung, die X (früher Twitter) genommen hat.</b><BR /><BR />Schmidt: Deswegen wäre es sehr wünschenswert, dass sich Bürger Quellen- und Medienkompetenz aneignen. Am besten von Kindesbeinen an. In Österreich versucht man dies etwa mit dem Fach „digitale Grundbildung“. Das ist enorm wichtig, denn ohne die Einbindung der Bildungsinstitutionen wird es nicht möglich sein, eine medienkompetente Gesellschaft zu entwickeln, die sich nicht von fake news beliebig manipulieren lässt.<BR /><BR /><BR /> Porträtfoto Florian Schmidt: APA/Schlager