<BR />Die traditionelle Familienstruktur hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Auch die jüngere Generation stellt sich zunehmend die Frage, ob und wie sie eine Familie gründen möchte. Wie in <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/kinderzahlen-in-suedtirol-ein-massiver-rueckgang" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Kinderzahlen in Südtirol: Ein massiver Rückgang</a> berichtet, gibt es immer weniger Geburten bei steigender Bevölkerungszahl.<BR /><BR />Was junge Menschen diesbezüglich bewegt, erfahren wir von Josefa Romy Brugger, Präsidentin der Südtiroler Plattform für Alleinerziehende.<BR /><BR /><b>Frau Brugger, wie hat sich das Bewusstsein junger Menschen in Bezug auf Familiengründung verändert?</b><BR />Brugger: Ich glaube, den Jungen ist heute mehr bewusst, dass Familie keine Pflicht mehr ist, wie es früher im katholischen Südtirol der Fall war. Der Wunsch, eine Familie zu gründen, ist zwar immer noch stark – vor allem bei Jugendlichen, die zwischen 14 und 16 Jahre alt sind. Wenn diese aber ins Berufsleben einsteigen, stellen sie mit der Zeit fest, wie herausfordernd es ist, Beruf und Familie vereinen zu können. Viele junge Leute denken darüber nach, was sie in ihrem Leben „opfern“ müssten, um eine Familie zu gründen. Diese Entscheidung ist nicht mehr so selbstverständlich wie früher.<BR /><b><BR />Sehen Sie da auch eine Art Zurückhaltung bei den Frauen, eine Familie zu gründen?</b><BR />Brugger: Absolut. Es gibt immer noch das klassische Bild der Familie und dieses wird oft auch von der Gesellschaft nicht wirklich hinterfragt oder gefördert.<BR /><BR /><embed id="dtext86-68444402_quote" /><BR /><BR /> Es gibt diese Angst, dass man als Mutter vielleicht nicht genug für sich selbst sorgen kann oder dass die berufliche Zukunft gefährdet ist. Vor allem in einer Gesellschaft, in der die Löhne nicht mit den steigenden Lebenshaltungskosten mithalten können, ist das eine echte Herausforderung. Die Frauen bekommen nicht immer die Unterstützung, die sie brauchen, um ihre Familie zu ernähren und gleichzeitig beruflich erfolgreich zu sein.<BR /><BR /><b>In Ihren Ausführungen sprechen Sie auch die sozialen Herausforderungen an. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hürden für Familien heute?</b><BR />Brugger: Ich denke, ein großes Problem ist das bestehende soziale System, dass es Familien schwer macht über die Runden zu kommen. Sozialleistungen werden zum Teil als Einkommen angerechnet, was für viele Familien zu einem finanziellen Problem wird. Es ist einfach nicht möglich, mit den heutigen Löhnen und Lebenshaltungskosten zu überleben, besonders wenn man eine Familie hat. Es fehlt an Unterstützung und an einem klaren Plan, wie man diesen Wandel in der Gesellschaft sozial und wirtschaftlich abfedern kann. Die Politik muss reagieren, sonst werden wir auf lange Sicht mit einer demografischen Krise zu kämpfen haben.<BR /><BR /><b>Welche Lösungen sehen Sie für diese Probleme?</b><BR />Brugger: Es muss dringend ein Umdenken stattfinden, sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68444690_quote" /><BR /><BR />Aber das kann nur funktionieren, wenn wir auch die sozialen Rahmenbedingungen ändern, sodass Familien nicht ständig das Gefühl haben, zu kämpfen. Der Weg dahin führt über eine gerechtere Verteilung von Arbeitslast und Wohlstand. Und wir müssen vor allem den Mut aufbringen, das System zu verändern – sonst wird es mit den Familiengründungen immer schwieriger.<BR /><BR /><b>Statistiken zeigen, dass einheimische Frauen durchschnittlich 1,56 Kinder bekommen und ausländische Frauen – in Südtirol – im Schnitt 2,5. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?</b><BR />Brugger: Das ist sicherlich ein interessantes Phänomen. Es zeigt uns, dass viele Menschen aus anderen Ländern bereit sind, eine Familie zu gründen, während die Südtiroler zunehmend mit der Frage ringen, ob sie eine Familie wollen oder nicht. Das deutet darauf hin, dass es nicht nur an den finanziellen Rahmenbedingungen liegt, sondern auch an der Einstellung und den Werten, die wir in unserer Gesellschaft pflegen. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir uns in eine Situation begeben, in der die eigene Bevölkerung ausstirbt und wir auf Migration „angewiesen“ sind. Aber das erfordert ein Umdenken, eine neue Gesellschaftsstruktur und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Familiengründung.