Bereits am Nachmittag des 4. August 2012 ließ ein Blick Richtung Himmel Schlimmes erahnen: Da braute sich etwas zusammen – und so kam es dann auch. Rund 40 Muren gingen in der Nacht auf den 5. August im Pfitscher Tal nieder, die Menschen dort erlebten bange Stunden. Die Erinnerung daran ist bis heute lebendig. <BR /><BR />Für Hermann Knollenberger war die Nacht vom 4. auf dem 5. August 2012 nicht nur als Feuerwehrkommandant eine Herausforderung. Seine Frau und seine Tochter befanden sich in jener Nacht im Ölbergtunnel, als dieser von Muren verschüttet wurde. Sie mussten über Nacht im Tunnel ausharren, bevor sie befreit werden konnten. Über die Zeit der Ungewissheit, die Abfolge der Ereignisse in Pfitsch und auch über den heutigen Blick auf Unwetter spricht Hermann Knollenberger im Interview. <BR /><BR /><b>Konnte man dieses Ereignis bereits im Laufe des Tages erahnen?</b><BR />Hermann Knollenberger: Es war ein sehr heißer Tag, und bereits am Nachmittag wurde deutlich, dass sich etwas zusammenbrauen würde. Der Himmel wirkte seltsam, er hatte eine senfgelbe Farbe. Es wurde dunkel, obwohl es erst Nachmittag war. Über das Handy habe ich die Feuerwehrmänner auf Einsatzbereitschaft gestellt, und dann sind auch schon die Sirenen losgegangen.<BR /><BR /><b>Wie ging es weiter?</b><BR />Hermann Knollenberger: Die Ereignisse überstürzten sich. Bei der ersten Meldung handelte es sich um eine Mure, die ein Feld erfasst hatte, die nächsten Meldungen folgten Schlag auf Schlag. Inzwischen hatte es zu schauern begonnen, es war dunkel. Es klumperte und krachte – eine gefühlte Ewigkeit lang, und es hörte nicht auf. Wir versuchten unser Möglichstes, Herr der Lage zu werden. In Fußendrass drang eine Mure in die Ställe von 2 Höfen ein. Die Kühe konnten wir großteils retten und bei Bauern in der Umgebung unterbringen. Unser oberstes Ziel war es, die Menschen in Sicherheit zu bringen. <BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="795404_image" /></div> <BR /><b>Hinzu kam, dass Sie nicht wussten, wo sich Ihre Frau Marialuise und Ihre Tochter Sarah befanden.</b><BR />Knollenberger: Ich hatte zuletzt am frühen Abend mit meiner Frau telefoniert. Die Verbindung ist dann abgebrochen. Ich wusste nicht, wo sie waren. Trotz Ungewissheit musste ich weitermachen. Ich war froh, dass die Verantwortung auf mehreren Schultern lastete, das wäre bei diesem Ausmaß des Unwetters auch nicht anders möglich gewesen. Man steht ja unter Schock, erlebt die Katastrophe und muss einfach reagieren und so handeln, wie es in diesem Moment erforderlich ist. Am nächsten Tag teilte mir die Berufsfeuerwehr mit, dass Frau und Tochter gefunden wurden und es ihnen den Umständen entsprechend gut geht. Da war ich natürlich sehr erleichtert und heilfroh! <BR /><BR /><b>Wie erlebten Sie den nächsten Morgen?</b><BR />Knollenberger: Ich habe versucht, mir einen Überblick zu verschaffen: Das Tal war nicht mehr zu erkennen. Wir begannen Bagger und andere schwere Geräte zu organisieren, damit die Wege zu den Häusern freigemacht werden konnten. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="795407_image" /></div> <BR /><b>Wie hat sich Ihr Blick auf Unwetter verändert?</b><BR />Knollenberger: Wir haben schon mehrere, auch stärkere, Unwetter erlebt. Dieses Ausmaß wurde aber bisher nie erreicht. Man sieht ein Unwetter nun mit ganz anderen Augen, die Ereignisse haben Spuren hinterlassen. Wenn sich das Wetter verändert, mache ich Kontrollfahrten mit dem Auto – am Tag und in der Nacht. Wenn es erforderlich ist, stelle ich die Mannschaft auf Alarmbereitschaft. Wir wissen inzwischen, dass wir Anfang August aufpassen müssen, denn zu dieser Zeit sind Unwetter häufiger. Meine Frau und meine Tochter haben bis heute ein beklemmendes Gefühl, wenn sie durch den Tunnel fahren. <BR /><BR /><b>Wie schritten die Aufräumarbeiten voran?</b><BR />Knollenberger: Als mit den Maschinen die Wege freigemacht wurden, trafen auch schon die ersten Freiwilligen ein. Es hat sich herumgesprochen, und zahlreiche Menschen halfen mit. Wir waren überrascht und erfreut über so viel Solidarität. So kamen Freiwillige von den Nordtiroler Feuerwehren, vom Ritten, vom Vinschgau, den Alpini,… Eine Woche lang wurde aufgeräumt. Auch vonseiten des Landes traf Hilfe ein, die Feuerwehren des Bezirkes halfen mit. Es gab tragische Fälle, aber auch im Unglück ist die Hilfe nicht weit. Seit dem Unwetter von 2012 wurde viel in die Sicherheit investiert: Rückhaltevorrichtungen und Dämme wurden gebaut.<BR />