Außerdem erzählt sie im Interview, warum es immer noch ein Tabu ist, offen über die eigene Sexualität oder gar über sexuelle Probleme zu sprechen - nicht nur, besonders aber auch in Südtirol.<BR /><BR /><b><BR />Frau Mahlknecht, mit welchen Problemen und Anliegen kommen die Menschen in Ihre Praxis?</b><BR />Evelin Mahlknecht: Bei mir melden sich hauptsächlich Einzelpersonen, weniger Paare. Die Probleme reichen von Lustlosigkeit über Erektionsstörungen und Orgasmus-Schwierigkeiten bis hin zu generellen Unsicherheit in Bezug auf das Sexualleben. Manche haben aber auch belastende Erlebnisse hinter sich, die mit der Zeit ebenfalls zu Blockaden in der Sexualität geführt haben. Bei Paaren, die zu mir kommen, sind es ganz oft unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche, die zu Konflikten führen. Die meisten meiner Klienten sind zwischen 20 und 50 Jahre alt, aber auch ältere bis 80 sind dabei. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="700064_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ihrer Erfahrung nach: Gibt es in Südtirol ein spezielles Problem, das sich auf unsere Sexualität auswirkt?</b><BR />Evelin Mahlknecht: Wir Südtirolerinnen und Südtiroler sind sehr katholisch geprägt, und das wirkt sich tatsächlich signifikant auf unser Sexualleben und unsere Beziehungen aus. Das was wir aus dieser Tradition und aus diesem kulturellen Hintergrund gelernt und gehört haben, steht in starkem Widerspruch zu dem, was Medien suggerieren, was wir tagtäglich an Bildern und Videos vor allem im Netz zu sehen bekommen. Und das fördert diese Unsicherheiten ungemein. Fragen wie „Bin ich prüde?“ oder „Bin ich überhaupt normal?“ tauchen demnach dann schon häufig auf. Auf der einen Seite ist der Druck durch eine gewisse Erwartungshaltung und durch die Leistungsgesellschaft enorm hoch, auf der anderen Seite ist das Thema Sex bei uns aus dieser Tradition heraus mit enorm viel Schuld und Scham besetzt. Und das ist in vielen Betten Südtirols spürbar. <BR /><BR /><b>Was raten Sie den betroffenen Menschen, damit sie wieder mehr Spaß und Lust am Sex haben?</b><BR />Evelin Mahlknecht: Das ist natürlich von Fall zu Fall verschieden, aber generell gibt es 3 wichtige Punkte, die helfen, Sex-Probleme in der Partnerschaft in den Griff zu bekommen bzw. zu einem besseren Sexleben führen.<BR /><BR />Zuallererst und am Anfang steht die Kommunikation. Sehr häufig fehlen – wie bereits erwähnt - einfach die Worte. Offen über die eigenen Wünsche und Vorstellungen zu sprechen, ist aber der erste und wichtigste Schritt in die richtige Richtung. Die Scham überwinden, das Tabu brechen und sich trauen – auch wenn es ungewohnt und für viele auch sehr schwer ist. Hierzu braucht es natürlich eine Vertrauensbasis. Wenn man sich schon öffnet, muss man auch sicher sein, dass der Partner dies auch annehmen kann. Vorwürfe haben hier keinen Platz. Wenn man sich dazu durchringt, offen mit dem Partner zu sprechen, hat man schon sehr viel geschafft. <BR /><BR />Es kommt aber immer drauf an, wohin ein Paar will, was das Ziel ist. Bei Paaren, die sowohl auf der Kommunikationsebene als auch beim Sex schon gut funktionieren bzw. harmonieren, können weitere offene Gespräche und Übungen, auf die ich gleich zu sprechen komme, helfen, die sexuelle Menükarte zu erweitern, sprich Fantasien und neuen Wünschen Türen zu öffnen. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-51215300_quote" /><BR /><BR /><BR />Der zweite wichtige Punkt ist - sowohl beim Einzelnen als auch bei Paaren - das Neuentdecken des Körpers. Bei vielen geht es beim Sex sehr häufig nur darum, sich auf gewisse Körperzonen zu konzentrieren und den Rest zu vergessen. Dabei sind erogene Zonen nicht nur die Brüste oder der Genitalbereich, nein, die ganze Haut, der ganze Körper ist eine erogene Zone. Ich gebe meinen Klienten deshalb ganz gezielt Übungen auf, um sich wieder neu und auch anders wahrzunehmen. Es geht darum, den Leistungsdruck herauszunehmen, weg von der Vorstellung zu kommen, eine Performance liefern zu müssen. Sex ist keine Performance, sondern eine Begegnung zwischen 2 Menschen, bei der aber der Kontakt zu sich selber nicht verloren gehen darf. Bei diesen Übungen ist es wichtig, die Schnelligkeit herauszunehmen. Ich bin eine Verfechterin von „Schalten wir mal einen Gang zurück, gehen einen Schritt zurück und starten wir noch einmal neu.“<BR /><BR />Sinn der Sache ist es, sich auf der körperlichen Ebene wieder zu nähern, ohne aber den Druck zu verspüren, Sex haben zu müssen, geschweige denn einen Orgasmus. Durch diese Erfahrung kommt wieder mehr Leichtigkeit hinein, und es entsteht ein neuer Raum, um sich zu begegnen. <BR /><BR />Außerdem gebe ich hier den Paaren oft die Idee mit auf den Weg, dass sich bei diesen Begegnungen der eine nicht für die Befriedigung des anderen verantwortlich fühlen muss. Der Orgasmus ist den meisten sehr wichtig und der Orgas-MUSS ist etwas, das sehr viel Druck erzeugt. Und zwar einen wechselseitigen Druck. Einerseits glaubt man, man muss den Orgasmus haben, um zum Ziel zu kommen, andererseits will man den anderen zum Orgasmus bringen für die Bestätigung der eigenen sexuellen Fähigkeit. Auch diese Problematik kann man mit diesen Übungen aufbrechen und eine Balance hineinbringen. <BR /><BR /><b>Und der dritte Punkt?</b><BR />Evelin Mahlknecht: Neben der Kommunikation und der Neuentdeckung des eigenen Körpers ist vor allem eines wichtig: Die Selbstliebe, und zwar im engeren und im weiteren Sinne. Das heißt, es gibt auch Übungen, die man mit sich selbst macht. Das geht von Selfcare, über Körperwahrnehmung im Hier und Jetzt bis hin zur Selbstbefriedigung. Das ist kein Muss, aber hilft vielen ein „gutes“ Gefühl aufzubauen. Ich greife auf Methoden der Achtsamkeit und des Mindfulness-Trainings zurück, die sehr bereichernd sein können. Sich selbst zu akzeptieren, genauso wie man ist, sich selbst als wertvoll zu empfinden und auf sich selbst zu achten ist deshalb sehr wichtig für eine Partnerschaft. Liebt und achtet man sich selbst, ist es leichter auch den anderen zu lieben und geliebt zu werden. Auch in der Sexualität.<BR /><BR /><b>Eine bessere Sexualität ist also „lernbar“?</b><BR />Evelin Mahlknecht: Ja, auf jeden Fall. Sexuelle Probleme sind nämlich immer auch eine Chance, das eigene Entwicklungspotential und das einer Partnerschaft zu erweitern, so dass man Sexualität selbstbestimmter leben kann. Sexualität ist ein lebenslanger Prozess, der man immer wieder eine neue Richtung geben kann, wenn man sich mit ihr offen auseinandersetzt und sich gegebenenfalls auch Hilfe holt. <BR /><BR /> <a href="https://www.sexualberatung.it/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Weitere Informationen zu Evelin Mahlknecht und ihrer Arbeit finden Sie hier. </a><BR />