Der renommierte Mailänder Uniprofessor erklärt auch, warum Omikron „gute Arbeit“ geleistet hat, ob der nächste Winter garantiert entspannt abläuft und wie unser Alltag in einem Jahr aussehen könnte. <BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="734462_image" /></div> <BR /><b>Am 11. Februar fällt die Maskenpflicht im Freien. Wie werden Sie damit umgehen?</b><BR />Dr. Fabrizio Pregliasco: Das haben wir uns so lange gewünscht und es kommt jetzt auch in einem Moment, wo die Pandemie im Abflauen begriffen ist. Ich denke, die Entscheidung der Regierung ist die richtige und wir werden Schritt für Schritt in Richtung Normalität gehen. Eine absolute Herdenimmunität werden wir nicht erreichen – trotz hoher Impfquote. Wir haben leider gesehen, dass es nicht so ist wie beispielsweise bei Masern, dass man durch eine Impfung oder die Krankheit für immer immun dagegen ist. Corona zeigt, dass 3,5 Prozent der derzeitigen Infektionen Reinfektionen sind – die Patienten waren schon im Zuge der ersten Welle infiziert. Natürlich ist dazu zu sagen, dass nach einer Infektion bzw. einer Impfung der Krankheitsverlauf in der Regel schwächer ist. Omikron hat gute Arbeit bei der Erhöhung der Immunität geleistet, auch wenn wir dieser Variante die vierte Welle verdanken. Damit ist der Pool jener, die sich infizieren können, vergleichsweise kleiner. <BR /><BR /><b>Ist dann mit Ende März Corona vorbei?</b><BR />Dr. Pregliasco: Damit können wir wohl nicht rechnen. Corona ist dann vorbei, wenn es nicht mehr das vorherrschende Thema ist, wenn man nicht mehr darüber spricht und sobald wir eine bestimmte Anzahl an Toten hinnehmen – so wie es mit der Grippe ist. In Italien gibt es 8000 bis 10.000 Grippetote jedes Jahr. Das nehmen wir hin, Grippe ist in der allgemeinen Wahrnehmung eine banale Erkrankung, die nur Alte dahinrafft. <BR />Jedes Land ist seinen eigenen Weg gegangen, nachdem man verstanden hat, dass man das Virus nicht so einfach dominieren kann. Manche Länder haben es – sagen wir mal – schnell geregelt, indem man dem Virus freie Bahn gelassen hat und nebenbei Impfungen angeboten hat. Damit haben die Regierungen aber eine nicht zu unterschätzende politische Verantwortung übernommen. Ein Beispiel für eine brutale Lösung ist Indien: Das Virus grassierte und hat inzwischen seinen Schrecken verloren, aber es gab Phasen, da wurden die Toten auf der Straße verbrannt. China ging einen Weg, den kann nur China gehen, nämlich die Null-Option. <BR />Italien geht einen vorsichtigen Weg und versucht, der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Gesundheitspolitik gerecht zu werden. Andere Länder in Europa wie Großbritannien oder Schweden haben dem Virus auch mehr Freiraum eingeräumt und viele Tote innerhalb der Risikogruppen in Kauf genommen. Es ist schade, dass es keinen einheitlichen Weg für die gesamte EU geben kann. Es ist damit zu rechnen, dass sich über den Sommer wie auch in den letzten zwei Jahren eine relative Normalität einstellen wird. Im Herbst rechnen wir dann mit dem finalen Schwanzschlag des Virus – wir können nicht abschätzen, wie stark er wird. <BR /><BR /><embed id="dtext86-52795205_quote" /><BR /><BR /><b>Fürchten Sie einen weiteren heftigen Corona-Winter?</b><BR />Dr. Pregliasco: Sollte sich eine weitere Variante entwickeln, können wir das leider nicht ausschließen. <BR /><BR /><b>Und wenn nicht?</b><BR />Dr. Pregliasco: Mit Sicherheit müssen wir davon ausgehen, dass sich Covid19 zu einem zusätzlichen Wintervirus entwickelt, das aber durchaus im Blick zu behalten ist. Wir werden uns daran gewöhnen, Masken bei uns zu haben und im Bedarfsfall zu tragen. <BR /><BR /><b>Das bedeutet, wir werden weiterhin impfen müssen und auch die Tests haben nicht ausgedient?</b><BR />Dr. Pregliasco: Ich denke, wenn das Virus endemisch wird, gibt es keine regelmäßigen Tests mehr wie jetzt. Auch so restriktive Quarantänebestimmungen sind nicht mehr vermittelbar. Aber Risikopatienten werden eine Impfung gleich wie die Grippeimpfung in Erwägung ziehen müssen und im Krankenhaus werden wir sehr wohl zwischen Grippe und Corona unterscheiden – schon allein wegen der Verabreichung der richtigen Medikamente. <BR /><BR /><b>Stichwort Medikamente. Die neu eingetroffenen Medikamente scheinen ja vielversprechend zu sein.</b><BR />Dr. Pregliasco: Ja, in der Tat. Aufgrund derzeit knapper Verfügbarkeit müssen wir natürlich abwägen, wer die Medikamente bekommt. Zudem braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Basismedizin und Krankenhaus, weil die Verabreichung der Medikamente im richtigen Moment passieren muss. Auf jeden Fall ist es günstiger, die Therapie zu verabreichen als einen Patienten in die Intensivstation zu verlegen – die Therapie kostet „nur“ 700 Euro. <BR /><BR /><embed id="dtext86-52795206_quote" /><BR /><BR /><b>Für Menschen mit leichten Symptomen gibt es sehr einfache Heilmethoden, wie unter anderem Ihr Kollege Nicastri von der Spallanzani-Klinik sagt. Was halten Sie von gesunder Ernährung und Bewegung als Therapie?</b><BR />Dr. Pregliasco: Ich halte vor allem als allgemeine Prävention viel von einem gesunden Lebensstil. Bewegung fördert die Abwehrkräfte, natürlich sollte man nicht übertreiben. Auch eine gesunde Ernährung, probiotische Lebensmittel sind eine gute Prävention: Durch einen gesunden Darm reduzieren wir den Energieaufwand für das Immunsystem, welches dann anderswo kräftig reagieren kann. Freilich ist es sehr schwierig, die Wichtigkeit der Prävention zu vermitteln – dazu zähle ich auch die Impfung. Sie kommt in einem Moment, wo es mir gut geht. Wenn der Mensch Schmerzen hat, stellt er die Therapie nicht in Frage, sondern schluckt Medikamente, deren Nebenwirkungen er nicht im geringsten hinterfragt. Für erfolgreiche Prävention reicht Information nicht, es muss ein positives Gefühl vermittelt werden und das ist das eigentlich schwierige. <BR /><BR /><BR /><b>Wie wird unser Alltag jetzt dann aussehen?</b><BR />Dr. Pregliasco: Ich denke, dass eine 4. und 5. Impfdosis nicht umgesetzt werden – sie sind nicht vermittelbar, kosten viel Geld und sind logistisch schwer umsetzbar. Risikogruppen werden sich alljährlich impfen. Den Green Pass werden wir noch eine Weile behalten, um die Bevölkerung bestmöglich zu schützen, die neuen Medikamente werden verfügbar sein und in der Behandlung eingesetzt werden. Die Impfpflicht auch in der Sanität wird aufgehoben werden und zur Empfehlung werden. Die Rückkehr der Suspendierten wird zu sehr großen Spannungen führen.<BR /><BR /><b>Hatten die Impfgegner also Recht, sich nicht impfen zu lassen?</b><BR />Dr. Pregliasco: Wenn wir das rein aus egoistischer Sicht sehen, natürlich. Sie hatten freilich auch das Risiko, dass sie einerseits nicht wussten, ob sie sich anstecken würden oder nicht und wie die Krankheit verlaufen würde. Gesellschaftlich gesehen haben sie keinen Beitrag zur Überwindung der Pandemie und zum Schutz der Risikogruppen und Schwachen geleistet. Hätten sich alle so verhalten wie sie, hätten Gesellschaft und Politik viel mehr Tote zu verantworten. <BR />